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MATHILDE

Von "heißer Nadel" und "schlafenden Bildern"

Interview mit der Künstlerin Annegret Soltau in Rückblick auf ihre Werkschau 2006

 

Annegret, dieses Jahr war deine Werkschau auf der Mathildenhöhe. Dabei hast du den Loth-Preis bereits fünf Jahre zuvor bekommen.

Damit bin ich noch gut in der Zeit, es gibt Preisträger/innen, die schon über 10 Jahre warten. Es gab leider keine Struktur für die Ausstellungsabfolge und viele der Preisträger/innen sind verärgert über die stiefmütterliche Behandlung. Nachdem sie ihren Preis bekommen haben, beginnt das Gerangel, wann und wo diese Ausstellung sein soll: das ist das Paradoxe dieses Preises, denn das Preisgeld ist auf dem Niveau eines Förderpreises (10.000,- DM, jetzt 5.500,- Euro).

Was bedeutete es an Vorfreude und Vorarbeit? Was überwog? Erzähl mal, was alles zu tun war – Installation, Katalogvorbereitung etc.

Ich kann mich noch genau erinnern: es war gegen 23 Uhr, ich kam aus dem Kino, hatte den Film »Die Unberührbare« gesehen, ein Film über die Schriftstellerin Gisela Elsner. »Du sollst noch unbedingt heute bei OB Benz anrufen, das kann auch spät sein, bis 24 Uhr«, sagte mein Mann Baldur. Das war mir unheimlich, ich dachte an etwas Unangenehmes. Ich brauchte einige Zeit der Überwindung und rief an, da hörte ich, ich sei Loth-Preisträgerin! Ich konnte es kaum glauben. Vor allem hatte ich keine Ahnung, dass ich für den Preis vorgeschlagen war. Die Überraschung war gelungen.
Diese Freude kehrte sich allerdings ziemlich rasch ins Gegenteil.
Ich überwarf mich mit Direktor Klaus Wolbert, er hielt mich Jahre lang hin, ich sagte andere Ausstellungen ab, um Zeit zu haben für die Vorbereitungen. Es war keine Kommunikation möglich, es wurde zur Qual. Ich fragte mich, ob ich überhaupt noch von Glück reden könnte, Preisträgerin zu sein oder ob es ein Fluch ist ... Dann schaltete sich OB Peter Benz ein. Ich wurde »zwischen die Zeiten« geschoben: nicht mehr mit Wolbert und noch nicht mit Ralf Beil (dem neuen Direktor).
Zum Glück stand mir die junge Kuratorin Kathrin Schmidt zur Seite und wir stemmten das Projekt gemeinsam. Allerdings musste ich enorme finanzielle Kürzungen hinnehmen, ich habe Führungen, Künstlergespräche und anderes ohne Honorar gemacht, also kostenlose Öffentlichkeitsarbeit. An der Sonderauflage des Katalogs, der von mir signiert war und dadurch teurer verkauft werden konnte, bekam ich keine finanzielle Beteiligung. Das hat mich schon geschmerzt. Den Katalog hatte ich mir repräsentativer vorgestellt, da wurde auch der Rotstift angesetzt.
Ich hatte enorme Materialkosten mit den extra angefertigten Großformaten von »Transgenerativ«, sie überstiegen das Preisgeld bei weitem. Ich habe die großformatigen Arbeiten in Akkord Abend für Abend ab Sommer 2005 hergestellt, mit der »heißen Nadel« sozusagen.
Allein der Aufbau der Ausstellung mit Kuratorin Schmidt und dem Ausstellungsgestalter Christian Häussler, sowie mit den Technikern des Hauses, lief wunderbar.
Im Nachhinein kann ich sagen, es war eine gute Präsentation, für mich stimmig, weil Aufteilung und Inhalt der Räume schon sehr früh fest standen. Was mich enttäuscht hat, dass keine Verkäufe stattgefunden haben (da hoffe ich auf Langzeitwirkung), es gab auch keinen Ankauf von städtischer Seite.

Du hast mal erwähnt, dass zuviel Außenwelt schwer erträglich ist. Wie geht es dir, wenn der Rummel einer Ausstellung rum ist? Was ist deine Methode wieder zu dir zurück zu finden?

Ich mache Yoga, das hilft mir sehr, mich zu konzentrieren und schärft die Wahrnehmung von Geist, Körper und Seele.

Es gab danach keine Leerphase, es ging nahtlos in andere Ausstellungsplanungen über, so dass ich mich frage, wie will ich Prioritäten setzen mit In- & Output, wie schaffe ich es, diese beiden Teile in ein gutes Gleichgewicht zu bringen? Vieles war auch liegen geblieben, während der großen Werkschau. Danach kam der Rücktransport. Die Jahrzehnte künstlerischen Arbeitens erfordern schon jetzt viel Archiv-Arbeit, es ist wie ein riesengroßer Nachlass. Viele Arbeiten mache ich überhaupt nicht präsentationsfertig, sie bleiben in Rollen als »schlafende Bilder«.

Kannst du mit dem Begriff »Frauenkunst« was anfangen? Kuratorin Schmidt verwendet ihn in Hinblick auf die Schwangerschaftsvideos.

Ich lehne eine Einordnung ab, für mich gibt es weder »Frauenkunst« noch »Körperkunst«.

Sie ist ihr eigener Attentäter, ihr eigener Chirurg, ihr eigener Dr. Frankenstein« – wie geht es dir, was machst du mit solcher »Kritik« – kannst du das abschütteln?

Es gab einige böse Kritiken, aber die guten überwogen. Beim ersten Lesen bekomme ich allerdings erstmal einen Schrecken und fühle mich angegriffen und auch verletzt, nach mehrmaligem Lesen allerdings erkenne ich, dass hat mehr mit dem Schreiber zu tun als mit meiner Arbeit, es sind Vorurteile, manchmal sogar kunsthistorisches Unwissen.

Was willst du erreichen? Dass Menschen »umdenken«, im Innern ihres »Selbst« angerührt werden?

Wenn sie erschüttert werden, berührt werden von meinen Bildern und vielleicht sogar eine neue Sicht auf die Welt und sich selbst gewinnen können, ist das gut. Aber auch ein Ankauf freut mich - wenn jemand angetan ist und eine Arbeit für sich haben möchte, dann fühle ich mich Wert geschätzt. Sonntagsreden habe ich genug gehört, sie lassen mich leer zurück und schlauchen ...

Welchen Eindruck hast du von Dr. Ralf Beil, dem neuem Direktor der Mathildenhöhe?

Beil hat sich wenig eingemischt. Was mir nicht gefiel, dass meine Ausstellungseröffnung als politische Plattform benutzt wurde, um das Problem mit den Kunstpreisträgerausstellungen (z. B. die Warteschleife der vielen Künstler/innen) vorzustellen. Das interessierte eigentlich niemanden, weil viele Leute von weit her angereist kamen, die diese internen Querelen überhaupt nicht verstanden. Die Eröffnung an dem schönen Sonntagmorgen war für mich ein Höhepunkt, ich habe ihn sehr genossen, auch weil meine Familie anwesend war, meine Freunde, Kinder und sonstige Fans von weit her.

Senta Trömel-Plötz formulierte mal, dass du tun MUSST, was du tust und du hättest es auch getan ohne internationale Aufmerksamkeit. Ja?

Auf jeden Fall, die Aufmerksamkeit kam ja erst viel später, ich würde auch ohne Anerkennung arbeiten, die Bestätigung von Außen ist immer erst der zweite Schritt und entsteht nicht während des Arbeitens. Ich habe Jahre lang ohne Anerkennung gearbeitet.

Deine Kunst ist dein Leben - aber sie finanziert es nicht ...

Doch, aber auf einem sehr niedrigen Niveau.

Dennoch bist du eine der wenigen zeitgenössischen Künstlerinnen mit internationalem Renommee. Kannst du was zu der Situation der Künstler/innen in unserer Zeit sagen?

Künstlerinnen haben es sehr schwer, sie sind immer noch nicht wirklich vertreten in großen Sammlungen und in Museen, es gibt Ausnahmen, aber von der Anzahl, in der es männliche Künstler auf dem Kunstmarkt schaffen, sind wir noch meilenweit entfernt. Ich habe sehr viele Kolleginnen, die auf alles verzichtet haben, auf Kinder oder Familie, weil sie einfach nicht wissen, wie sie das unter einen Hut bringen sollen - vor allem auch wegen der schlechten finanziellen Verhältnisse. Umso mehr freut es mich, dass nun im Museum Los Angeles (USA) eine große internationale Ausstellung von Kunst von Frauen gezeigt werden soll (ab März 2007). Es soll der Aufbruch der Kunst von Frauen ab 1965 bis 1980 dokumentiert werden.

Woran arbeitest du derzeit?

Ich habe ein Projekt laufen, ich nenne es »personal identity«, in diesen Bildern arbeite ich mit Chipkarten, Ausweisen usw., den Speicherungen meiner eigenen persönlichen Daten, angefangen bei der Geburtsurkunde, bis hin zu Krankenkassen-, Sparkassenkarten usw., die Serie zeigt die gesamte Palette meiner gespeicherten Identität, ohne die ich ein NICHTS wäre. Es wird wahrscheinlich im Februar darüber eine Veröffentlichung geben (in Buchform und eine Ausstellung), wir arbeiten daran ...

Annegret, dankt dir für deine Offenheit und wünscht alles Gute!

Das Interview führte Charlotte Martin

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