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Prof. Dr. Jutta Allmendinger

 

 

Kommentar:

 

Arbeiten bis zum Umfallen oder 30-Stunden-Woche für alle?

Die Frage der Ausdehnung der Wochenarbeitszeit auf der einen, der Wegfall von Arbeitsplätzen auf der anderen Seite, wurde weder von der Referentin noch von den Zuhörerinnen zum Thema gemacht. Die aktuelle Tendenz auf dem Arbeitsmarkt lässt die einen immer länger am Tag und in der Woche schaffen, die anderen verlieren ihren Job und Teilzeitstellen werden gestrichen. In großen Industriefirmen und Versicherungen stehen immer wieder Massenentlassungen an. Für teilzeitarbeitende Frauen, unqualifizierte Kräfte und Wiedereinsteigerinnen bleibt weniger Platz. Bis die demografische Entwicklung die Anzahl der Arbeitsplätze wieder relativ erhöht, vergehen mindestens noch 10 oder 20 Jahre, wenn diese Prognose sich bewahrheiten sollte. Eine Verbesserung für die Frauen wird sich nur ergeben, wenn es von allen Teilen der Gesellschaft, also auch von den Männern, gewünscht wird und entsprechende strukturelle Änderungen vorgenommen werden.

Teilzeit ist immer noch Frauensache

Teilzeit in Führungspositionen ist erstrebenswert und möglich!

Ein einziger Herr fand den Weg in den Konferenzsaal Europa in der Bahnhofsgalerie zum Vortrag der Direktorin des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) in Nürnberg. Jutta Allmendinger referierte zum Thema: „Demografischer Wandel: Chancengleichheit auf dem Arbeitsmarkt – was ist zu tun?“ Wie die Leiterin des Frauenbüros in Darmstadt, Barbara Akdeniz, in ihrer Einleitung sagte, ist nicht nur der Anteil der arbeitslosen Frauen höher als der der Männer, fast ein Drittel der arbeitslosen Frauen in Darmstadt sind zwischen 50 und 64 Jahre alt. Beeindruckend ist die Zahl der BerufsrückkehrerInnen. Von 792 WiedereinsteigerInnen im Juni 2006 waren 781 weiblich, nur 11 männlich.

 

Die Direktorin des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) Jutta Allmendinger benennt Teilzeit als Frauensache, was sie in ihrem Vortrag mit entsprechenden Statistiken untermalt. Während die Arbeitszeitfläche (tatsächlich geleistete wöchentliche Arbeitszeit) der Männer in den letzten Jahren zugenommen hat, arbeiten Frauen zeitmäßig weniger, obwohl die Anzahl der erwerbstätigen Frauen im gleichen Zeitraum zugenommen hat. Während Männer besonders viel Überstunden leisten, wenn kleine Kinder in der Familie sind, arbeiten Frauen während der Familienzeit fast nur noch in Minijobs, viele steigen ganz aus. Obwohl Frauen wissen, dass ihre Chancen auf dem Arbeitsmarkt mit der Zeit ihrer Auszeit sinken, ist ihnen die Erziehung der Kinder und das Familienglück wichtiger. Die Mehrzahl der Männer hält sich dagegen an Arbeit und Karriere fest.

Seit Beginn der Siebziger Jahre sind die Geburtenzahlen in ganz Deutschland gleichmäßig niedrig – im Osten der Republik haben die Geburten nach der Wende schlagartig abgenommen, um in den letzten Jahren wieder zu wachsen und sich dem westlichen Niveau anzugleichen. Das Phänomen des Geburtenrückganges ist also keineswegs neu!

Laut Prognose des Instituts IAB wird es bis zum Jahr 2050 eine Zunahme des Bedarfs von qualifizierten Arbeitskräften geben vorrangig im Dienstleistungssektor. Die Erwerbsbeteiligung von Frauen wird deutlich zunehmen, wenn deren Erwerbsquote auch unterhalb der der männlichen Arbeitskräfte bleiben wird.

Die demografische Entwicklung könnte also für die Frauen eine Chance zur Gleichstellung von Frauen und Männern auf dem Arbeitsmarkt sein, erforderlich seien hierzu eine Veränderung der Rahmenbedingungen, der Infrastruktur. Eine Anpassung der Bezahlung für die von Frauen und Männern geleistete Arbeit sei anzustreben.

Bedingungen für eine Geschlechtergerechtigkeit von morgen? Was bleibt zu tun?

Eine Wende in der Schulpolitik sei angesagt, meint Allmendinger. Der Anteil der Schulabgänger ohne Abschluss sei viel zu hoch, obwohl Mädchen erfreulicherweise immer bessere Noten und erfolgreichere Schulabschlüsse erreichen als gleichaltrige Jungen. Dass sie dennoch später in Führungspositionen zu suchen sind, stehe auf einem anderen Blatt.

Sie möchte Weiterbildung tariflich geregelt sehen. Arbeitsagenturen sollen Ausbildung unterstützen, noch während die Frauen und Männer in Arbeit sind. Es fehlen Modellprojekte für Schulen, Universitäten sind verschlossen für Ältere, statt sich auch für die Weiterbildung zu öffnen. Schulische und universitäre Ausbildung sind zu stark altersbedingt, Studiendarlehen werden nur bis zum Alter von 30 Jahren vergeben, für StudentInnen mit Kindern sei dieses Limit zu tief angesetzt.

Die Anreizsysteme für Berufsunterbrechungen wie Ehegattensplitting und Minijobs hält sie für kontraproduktiv. Frauen verlassen sich auf den Verdienst ihrer Ehegatten obwohl Eheunterbrechungen (Scheidungen) immer häufiger werden. Dass die Kinderbetreuungssysteme endlich ausgebaut werden müssen, betont sie, denn die seien weiterhin unzureichend.

An der Frage der Arbeitsunterbrechung für Familienaufgaben gehen die Meinungen auseinander. Während die Frauen des Instituts sefo-femkom sichtbare Erfolge mit ihren Kursen für Wiedereinsteigerinnen verbuchen können, hält Allmendinger eine Auszeit von bis zu 10 Jahren für ein großes Hindernis. Lieber gemeinsame Teilzeit statt Auszeit ist ihre Devise.

Teilzeit in Führungspositionen sei möglich und erstrebenswert, sagt Allmendinger, es sei lediglich eine Frage der Organisation. Teilzeit für beide Eltern und gleiche Aufteilung der Familienpflichten statt Unterbrechung wäre der Weg. Eine strukturelle Veränderung im Beruf und Privatbereich gehe beide Geschlechter was an, immerhin profitieren auch beide davon.

Gundula Pause

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