Werden Sie auch eine

MATHILDE

Heiß begehrt auch in Cannes: Ex-Miss-World Rai als internationaler Medienmagnet

Im Film begehrt Pakistani Meera den Fehler und begeht Inder Ashmit Patel: Das brachte ihr Todesdrohungen radikaler Islamisten ein.

Von 10 Bollywood-Produktionen wird nur einer wirklich ein Kassenschlager.

Fotos: Archiv

King Khan und die ungehorsamen Bollywood-Queens

Der Hype um das indische Kino weiblich buchstabiert

Bollywoodfilme sind camp! Dem hätte be stimmt auch die kürzlich verstorbene Kulturkritikerin Susan Sontag beigepflichtet.

Große epische Dramen um Familie, Liebe und den indischen Sagenkreis, bunte Bilder, Musik und Tanz, der Sieg des Guten über das Böse und dabei spielen grazile Ex-Models in nassen T-Shirts und Miniröcken sowie schmachtende Jungmannen an für Indien höchst exotischen Szenarien wie zum Beispiel der Schweiz die tragenden Parts. Streng verboten: Umarmungen und Zungenküsse. Alles so schlecht, dass es schon wieder gut ist.

Der indische Subkontinent mit seinen angrenzenden Staaten liebt seine Filmindustrie und ist von deren Erfolg und durchschlagender Kulturbotschaft überzeugt. So sehr, dass der indische Finanzminister 2005 öffentlich mutmaßte, in 20 Jahren würden selbst amerikanische Kids Hollywood nur für eine Ableitung des Wortes »Bollywood« halten.

Wahr ist: Die »Masala-Movies« - benannt nach der indischen Würzmischung - werden allmählich auch hierzulande zur Droge. Was früher nur in Ausnahmefällen im Programmkino zu bewundern war, läuft jetzt zur besten Programmzeit auf RTL 2. Irische und türkische Tanzshows werden von Bollywood-Choreographien verdrängt und eine südhessische Tanzschule wirbt sogar damit, dass sie in einem Spezialkurs Tänze à la Bollywood einstudiert.

Oliver im Tor ist out - King Kahn ist mega-in! Der heißt allerdings Sharukh und betört weltweit mehr Frauenherzen als Brad Pitt, Tom Cruise und Jim Carey. Asien liegt dem 40jährigen Filmhelden mit der olivfarbigen Haut, dem Dackelblick, Kussmund und den geschmeidigen Bewegungen zu Füßen. Nach Nahost, Afrika, Amerika und London rekrutiert er auch in Deutschland eine Fangemeinde. Die theaterbegeisterte Julia Peter, 18, aus der Nähe von Marburg nennt Bollywood und Khan einen der Interessenschwerpunkte, die sie mit ihrer indischen Brieffreundin verbinden. Multikulti im globalen Zeitalter verkörpert der Mime perfekt: Geboren als Moslem, verheiratet mit seiner Hindu-Schulliebe, lässt sich der zweifache Familienvater gerne beim Feiern von buddhistischen Festen ablichten. Dass der Kettenraucher öffentlich seinem Laster abgeschworen hat, bewegt nicht nur Julia, sondern auch den indischen Gesundheitsminister, der den Star gleich für seine Anti-Raucher-Kampagne verpflichten möchte.

Die Filmstories sind hahnebüchen. Sie wecken Sehnsüchte nach Friede-Freude- Eierkuchen auch in der von Umbrüchen geprägten indischen Welt. Ein Hauptbestandteil ist die fernöstliche Mischung von Musik und Choreographie, die im Hollywood der Rezession schon mit Astaire / Rodgers und den Massenszenen von Busby Berkely vorgemacht wurde. Julia bedauert, dass die prächtig inszenierten Filmsongs nicht von den Stars sondern von professionellen SängerInnen gesungen werden.

Die Indienwelle schwappte schon Ende der 80er Jahre nach Europa, damals wurden zeitkritische Filme von Presse, Kritik und dem Publikum gefeiert. Die aus Indien nach Nordamerika immigrierten Filmemacherinnen Mira Nair, 59, und Deepa Mehta, 56, brachen damals das Eis für die Filme mit orientalischem Flair. »Salaam Bombay« mit seinem kritischen Blick auf das Schicksal von Straßenkindern machte 1988 den Anfang. Regisseurin Nair betrachtete danach in »Missispi Masala« den indisch-afrikanischen Rassismus anhand einer in ihrer Wahlheimat USA spielenden Romeo und Julia-Geschichte. Liebe und die Regeln der indischen Gesellschaft sind auch Thema ihres zweiten Kassenerfolgs, der Komödie »Monson Wedding« (2001). Nachdem sie die indische Sequenz in einem Spielfilm über die Reaktionen auf den 11. September 2001 übernommen hatte, meldete sich die Harvard Literaturstudentin mit einer Adoption des Thackerey-Klassikers »Vanity Fair«. Hier dient Indien allerdings nur noch als Dekor für die Geschichte der britischen Heldin.

Kollegin Deepa Mehta, die es aus Amritsar nach Toronto verschlagen hatte, wird in ihrer Gesellschaftskritik wesentlich deutlicher. Sie sagt: »Ich finde es ziemlich naiv, dass Filme die Welt verändern könnten, ich will mit ihnen zumindest eine Diskussion provozieren.«

Mit »Fire« gelang ihr das 1996 gleich international. Der erste indische Film, der Frauenliebe zeitgenössisch zum Thema machte und sie zugleich geschickt mit einem uralten Hindu-Mythos verknüpfte. Auch in »Hollywood- Bollywood«(2002) und dem aktuellen letzten Teil ihrer indischen Trilogie »Water« (2005) stellt sie die gesellschaftlichen Werte ihrer Heimat auf den Prüfstand. Im erstgenannten weiß sich ein nach Kanada immigrierter Junginder nicht anders vor den Einmischungen in sein Liebesleben zu schützen, als ein Callgirl als Pseudo-Verlobte auszugeben. »Water« dagegen erzählt eine Geschichte aus den dreißiger Jahren. Darin spielen die Doppelmoral in Bezug auf das Leben von jugendlichen Witwen und eine Liebesgeschichte mit einem Gandhi-Anhänger tragende Parts.

Am stärksten wird in Indien zwar im Mittelteil »Earth« (1998) in Frage gestellt, der Menschen in der Indien-Pakistan-Krise der 40er Jahre portraitiert. Ein heikles Thema, das im Ausland auf wenig Interesse stößt, in den betreffenden Ländern für Furore sorgt. Meera, 29, eine pakistanische Schauspielerin mit Bollywood-Engagements wird von Islamisten als »Film- Hure« beschimpft und wie Salman Rushdie als vogelfrei erklärt, nur weil sie in einer Filmszene von »Nazar« (Der Anblick) im vergangenen Jahr einen indischen Mimen umarmt hatte. Die Muslimin erhielt Todesdrohungen und wurde zum Thema in der großen Politik. Heute versucht sie weiterhin zwischen den Ländern zu vermitteln, indem sie Filmangebote von beiden Seiten annimmt und zwischen den Ländern pendelt.

Internationale Anerkennung wurde aus Riege der indischen Filmdiven gerade Ex-Miss World Aishwarya Rai, 32 (Foto Seite 7), zuteil. Die Filmbeauty wurde für Hollywood entdeckt und kürzlich als Cannes-Jurorin verpflichtet. Seither verlangt sie absolute Phantasiegagen, die indische Filmemacher nur selten zahlen wollen. In Bollywood drängeln sich genug Ersatzschönheiten, die billiger zu haben sind.

Andrea Krüger

zurück

MATHILDE