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Rhodah Mashavave (26)

Wenn Befreiung zur Diktatur wird

Die Journalistin Rhodah Mashavave (26) flieht aus dem afrikanischen Simbabwe und gelangt mit Hilfe der internationalen Schriftstellervereinigung P.E.N. nach Darmstadt.

Simbabwe liegt im südlichen Afrika und der Name bedeutet in der Sprache der Shona, der auch Rhodah Mashavave angehört, »Großes Haus aus Stein«. Seit 1980 ist Simbabwe ein rechtlich unabhängiges Land. Aus der ehemaligen britischen Kolonie Rhodesien wurde eine Präsidialrepublik. Es ist das Jahr, in dem Robert Gabriel Mugabe als Regierungschef angetreten ist, und seit der Wahl 1987 ist er auch das Staatsoberhaupt. Mit seinem Anspruch auf politische Alleinvertretung hat er seitdem ein Regime etabliert, das politisch Andersdenkenden keinen Raum lässt. Die freie Äußerung von Meinung ist in diesem System nicht erwünscht, schon gar nicht, wenn dies öffentlich geschieht.

Rhodah Mashavave ist Journalistin und hat versucht, ihr Land voranzubringen. Und zwar auf die Weise, die ihr sinnvoll erschien: gewaltfrei und mit Worten. Sie war Reporterin der inzwischen verbotenen Zeitung Daily News und wurde verhaftet, als sie an einer Demonstration gegen die neuen Mediengesetze der Regierung teilnahm. Obwohl sie nach wenigen Stunden wieder freikam, stand sie nun unter ständiger Beobachtung durch die Polizei. Sie schloss sich der Demokratiebewegung an und wurde erneut bei einer Kundgebung verhaftet. Dieses Mal dauerte ihr Aufenthalt im Gefängnis mehrere Tage, sie wurde misshandelt und gedemütigt. Niemand hörte ihr zu. Ihr Anwalt schaffte es, sie auf Kaution freizubekommen, aber sie war nicht mehr sicher in ihrem eigenen Land. Ihr glückte die Flucht nach London, mit Hilfe der internationalen Schriftstellervereinigung P.E.N. gelangte sie nach Deutschland.

Darmstadt ist der Deutschlandsitz von P.E.N. und gehört zu den Städten, die das Programm »Writers in Exil« der Organisation unterstützen. Rhodah Mashavave erhielt ein Stipendium, das nach der Schriftstellerin Elsbeth Wolffheim benannt ist. Die von einer Jury ausgewählten StipendiatInnen bekommen für ein Jahr eine Wohnung, 1.000 € Unterhalt, eine Haftpflicht- und Krankenversicherung und das Angebot eines Deutschkurses.

Trotz ihrer Geschichte macht Rhodah Mashavave keinen geknickten Eindruck, als ich sie in einem Darmstädter Café treffe. Wir haben uns mit mehreren JournalistInnen verabredet. Im Gegenteil. Natürlich fühle sie sich in diesem Land als Fremde, sagt sie, aber sie sieht es als Herausforderung an, sich einzuleben und Kontakte zu knüpfen. Deutsch lernen stehe dabei erst einmal im Vordergrund, gleichzeitig aber spricht sie von ihren Plänen. Ihre journalistische Arbeit für eine unabhängige Politik in ihrem Land will sie fortsetzen. Sie plant den Ausbau einer Simbabwe website (zimbabwejournalists.com) und ein Buchprojekt. Auch denke sie über ein Studium in Deutschland nach - wenn es eine Chance dazu gibt. Studiert hat sie bereits in Harare, Simbabwe, und kann ein Diplom über Public Relations nachweisen. Doch der Abschluss wird in Deutschland nicht anerkannt.

Studieren viele Frauen in Simbabwe?, frage ich. Ja, ist ihre Antwort. Mädchen kommen zahlreich zum Studium, aber danach sehe die Arbeitswelt ganz anders für sie aus als für die Männer. Sie wechseln oft ihre Jobs. Studieren und Arbeiten seien zwei sehr unterschiedliche Dinge.

Frauenrechte gebe es eigentlich keine, davon werde nur geredet. Nach wie vor seien Frauen ihrer Familie ausgeliefert. Sie werden geschlagen und manchmal sogar als Hexen von Verwandten getötet. Über die Geschichten rede niemand. Es sei schwierig, als Frau einen Mann einfach nur als Freund zu haben. Ihr Eindruck von den deutschen Frauen sei da ein ganz anderer. Es gebe sehr viel Freiheit und Toleranz. Das wünscht sie sich auch für ihr Land.

Rhodah sieht es als Glück an, in Deutschland gelandet zu sein. Sie war im Jahr 2003 schon einmal hier zu einem Training für Journalisten in Gummersbach. Für die erste unabhängige nationale Tageszeitung Daily News zu arbeiten, war ihr letzter Job. Sie beschäftigte sich bis zu ihrer Verhaftung insbesondere mit den Themen Unabhängigkeit, Politik und Wirtschaft.

Ob sie Hoffnung habe, wenn Mugabe bei der nächsten Wahl abgelöst würde, frage ich. Sie schüttelt mit dem Kopf. Zum einen sei die Korruption so groß, dass sie nicht glaube, dass Mugabe die Wahl verliere. Zum anderen gäbe es zwar eine Opposition, aber die sei zu schwach. Obwohl es frustrierend sei, nichts für das eigene Land tun zu können, sei sie nicht hoffnungslos.

Wie sieht es mit anderen Organisationen aus, zum Beispiel der Kirche? Auch die Kirche könne nicht wirklich etwas für die Menschen tun, sagt die Katholikin. Die Gemeinden verweigern die Hilfe, weil Präsident Mugabe sagt: Kirche bleib bei deinen Leisten. Aber beten allein helfe nicht weiter.

Das Exil bietet Rhodah Mashavave für eine gewisse Zeit Sicherheit. Sie hält es zwar nicht für unmöglich, weiterzuarbeiten, doch es wird äußerst schwierig. P.E.N. bietet Hilfe und Unterstützung für ein Jahr. Sie möchte die Zeit nutzen, um die oben genannten Projekte durchzuführen. P.E.N. kämpft für das freie Wort und dafür, dass sie und andere in ihrem eigenen Land wieder frei sprechen können.

Text: und Fotos: Gabriele Merziger

Kommentar

Das Diktatur-Rezept

Was ist das für ein Land, in dem solche Dinge geschehen? Und sind sie ausschließlich das Ergebnis der Politik eines einzelnen Mannes, wie Robert Mugabe, der ein unabhängiges Land will? Nein, sind sie nicht.

Viele Interessen machtpolitischer und wirtschaftlicher Art von außen spielen eine mindestens ebenso wesentliche Rolle. Sich dem Diktat des Weltmarktes unterzuordnen, bedeutet wieder Abhängigkeit. Zwischen Exportfähigkeit und sozialem Ausgleich im Land lässt sich nicht einfach eine Synthese schaffen.

Mugabe hat das Diktatur-Rezept der Eigenständigkeit gewählt. Es führte zu der tiefen Krise, in der das Land steckt. Eine Situation ist entstanden, in der keine nationale Lösung mehr in Sicht ist – selbst im minimalistischsten Sinn vom nackten Überleben einer möglichst großen Zahl von Menschen. Davon zu sprechen, mutet eher seltsam an. Mugabe setzt auf »Integration«, um den drohenden Staatsbankrott abzuwehren, aber nicht im positiven Sinn einer integrierten Gesellschaft zwischen Minderheiten, großen Bevölkerungsgruppen und wirtschaftlichen Eliten, sondern im Sinn von Beruhigung.

Mit jungen Technokraten in der Regierung soll die städtische Opposition und der Westen beruhigt werden, Enteignungen weißer Farmer sollen die Landbesetzer, die er schon lange nicht mehr unter Kontrolle hat, besänftigen. Das Niederschlagen der freien Presse soll die Bevölkerung still halten. Doch die Menschen erleben die Missstände und sie müssen mit der Frustration leben, weder sich selbst und schon gar nicht dem eigenen Land helfen zu können.

Gabriele Merziger

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