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Frauen laufen locker hundert Meilen.
Frauen laufen locker viele Stunden und Tage.

 

Martina Hausmann fühlt sich bei Läufen über sechs Tage besonders wohl.

Der endlose Kick - Frauen und Ultra-Marathon

Hanau, Ende April. Es ist kalt, saukalt, und morgens früh, sieben Uhr.
Um mich herum ist ein Häufchen leicht bekleideter Läufer und Läuferinnen. Gleich fällt der Startschuss zu den 20. Deutschen Meisterschaften im 100 km-Lauf. Mich spricht eine ältere Frau an, ob ich denn hier zum ersten Mal dabei wäre. Ja, das bin ich - und ich habe einen Riesenrespekt vor der Strecke, wenn ich auch nur den »Bambini-Lauf« über 50 km mitmache. Die Strecke sei sehr schön, sagt mir die ältere Läuferin, die sich als Marie aus Siegen vorstellt und mir erzählt, sie sei jetzt schon in der Altersklasse 65 und älter, deswegen würde sie heute mal nur die 50 km und nicht wie sonst oft die 100 km laufen. Ich bin beeindruckt und werde sie während des Laufes, der über fünf Runden führt, noch öfters sehen.

Frauen können doch nicht lange laufen!

Dass Frauen laufen, ist heutzutage nichts mehr Neues - allein ein Blick in den Herrngarten alljährlich an Muttertag zeigt, dass Frauen egal welchen Alters, laufen. Aber auch auf anderen Laufveranstaltungen wie den mittlerweile annähernd 150 Marathons, die pro Jahr in Deutschland stattfinden, sind Frauen eifrig mit dabei. Allerdings stellen sie bei den Marathons in der Regel nur einen Anteil von ca. 15 Prozent, in den letzten Jahren aber mit deutlich steigender Tendenz. Das war nicht immer so, noch vor 40 Jahren galt der Marathon für Frauen als völlige Überforderung, und es hat einer Pionierin wie Kathy Switzer bedurft, die als Mann getarnt beim Boston Marathon 1967 illegal mitlief.

Es muss aber nicht immer Marathon sein, so walken, joggen und laufen auch in den Wäldern um Darmstadt herum Frauen zu jeder Tageszeit, ohne je an einem organisierten Lauf teilzunehmen. Es gibt aber auch einige Frauen, die nicht nur tagsüber laufen, sondern gleich noch eine oder mehrere Nächte im Laufschritt hintendran hängen. Das nennt sich dann Ultramarathon und bezeichnet alle Strecken, die länger als 50 Kilometer sind - nach oben hin offen.

Einen wesentlichen Anteil, dass Frauen heute selbstverständlich die ganz langen Strecken laufen, hatte Ernst van Aaken, der als Arzt und Mediziner davon überzeugt war, dass Frauen für die ganz langen Strecken durch ein besseres Last-Kraft-Verhältnis und einen effektiveren Fettstoffwechsel sogar relativ begabter sind als Männer.

Um das zu beweisen, veranstaltete er bereits in den 70er Jahren reine Frauenläufe über die Marathondistanz und über 100 Meilen (das sind 160 Kilometer) - und die Leistungen der dort laufenden Frauen gaben ihm recht.

Was ist Ultramarathon überhaupt?

Es gibt neben Läufen über 50 Kilometer natürlich die »traditionelle« Ultramarathonstrecke von 100 Kilometer, aber auch Mehrstundenläufe, wie zum Beispiel 12-Stunden, 24-Stunden- und 48-Stunden-Läufe. Und hier gibt es Frauen, denen selbst das noch nicht reicht, wie zum Beispiel der Würzburgerin Martina Hausmann, die sich bei 6-Tage-Läufen besonders wohl fühlt. Dabei läuft sie nicht einmal besonders schnell, aber eben unglaublich ausdauernd. Sie hat aber auch schon einen 1.000-Meilen-Lauf in gut zwei Wochen hinter sich gebracht ...

Geschlafen wird bei solchen Läufen nur in kleinen Portionen und ganz entscheidend ist dabei die mentale Stärke. Hier ist zum Beispiel auch die Erkrather Läuferin Cornelia Bullig ein Phänomen, die kurzerhand gemeinsam mit ihrem Mann einen 6-Tage-Lauf veranstaltet. Dann gibt es da noch die Berliner Läuferin Sigrid Eichner, die nicht nur lange Läufe liebt, sondern mit ihren mittlerweile fast 66 Jahren auch schon mehr als 1.000 (eintausend!) Marathons hinter sich gebracht hat.

Bei diesen extrem langen Läufen nähert sich die Leistungskurve von Männern und Frauen immer mehr an, es kommt auch schon einmal vor, dass Frauen als Gesamtsiegerinnen bei solchen Läufen hervorgehen. So geschehen im letzten Jahr, als Ilona Schlegel aus Bonn den 24-Stunden-Lauf in Köln vor allen Männern gewann und dabei 206 km zurücklegte.

Natürlich wird jetzt die ein oder andere Leserin Ultramarathonläuferinnen für völlig verrückt erklären - wobei diese das teils durchaus auch mit Stolz zugeben würden. Ultramarathonlaufen hat aber auch etwas wunderbar Anachronistisches, denn wer zu schnell anfängt, hat schon verloren - und jede/r, der/die ins Ziel kommt, hat einen endlosen Kick erlebt und dadurch viel gewonnen.

So ging es auch mir, als ich beim 50-Kilometer-Lauf in Hanau im Graupelschauer ins Ziel lief - glücklich und zufrieden. Marie kam kurz hinter mir ins Ziel und sah eigentlich nicht so aus, als ob sie nicht genauso gut hätte 100 Kilometer laufen können, im Gegensatz zu mir …

Marion Möhle

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