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MATHILDE

Ursula Muhn

»Ich hatte nichts anderes
als mich und meine Phantasie.«

 

Kurzportrait der Photographenmeisterin Ursula Muhn

Für mich ist die Erde schon lang ein lebender Organismus. Nur die Menschheit kapiert es nicht«, sagt Ursula Muhn. Kürzlich war sie zweieinhalb Monate in Bolivien, wo sie mit kanarischen und hessischen Kiefern (erst mal in Form von Samen) einen Beitrag zur Bepflanzung eines »Mädchenwaldes« in einem Erosionsgebiet leistete. »Mädchen sind dort nicht viel Wert und Besitz haben sie in der Regel keinen«, erzählt sie.

Nicht nur in Darmstadt und Umgebung engagiert sich Ursula Muhn für Achtung und Respekt vor allem Leben. In ihrer Weitsicht ist es ihr schon zweimal gelungen für unsinnige Bauprojekte, die auf Kosten des letzten Waldstückes zwischen der Wohnbebauung und Autobahn im Westen Darmstadts gegangen wären, andere Lösungen zu finden. Sie ist eine weit gereiste Frau und Kämpferin mit spirituellem Bewusstsein für die Ordnung des Natur- und Seelenhaushalts gleichermaßen.

Davon erzählen auch ihre Photographien, ob Landschaft, Kunstobjekte oder Menschen. Die Photographenmeisterin versteht es, Licht und Schatten und das Spiel der Farben so einzusetzen, dass das Wesen hinter den Dingen sichtbar wird. Ein Gesicht hat Persönlichkeit, erzählt in Ausdruck, Haltung des Kopfes, Belichtung und gewählter Umgebung von sich selbst.

Seit 1993 führt Ursula Muhn das Photoatelier am Rossdörfer Platz. Sie ist als Photographin ein Begriff über die Region hinaus, von jeher innovativ experimentierend. Ihre Photos sind in Büchern und Fachzeitschriften zu finden und begleiten manche Fernsehreportage. Doch Ursula Muhn tritt hinter ihr Können zurück und schert sich nicht um Berühmtheit. »Eine Ausstellung bedeutet viel Arbeit«, sagt sie. Zeit ist kostbar, Muhn gewichtet die Anliegen und setzt ihre Kraft gezielt ein. Bereits 1970 erregte sie Aufsehen, als sie als Erste überhaupt schwarz/weiße Röntgenaufnahmen in Farbe umsetzte und mit »Röntgenphoto-Colors« eine Ausstellung in Remscheid ausrichtete. »Da war zum Beispiel ein Seestern zu sehen, der eine Muschel knackt, das innere Bauwerk einer Nautilus-Schnecke in Farbe umgesetzt«, erzählt sie und ihre Augen leuchten. Schon damals wäre der Ausbau ihrer Arbeit als Photokünstlerin möglich gewesen, doch ihre zwei kleinen Kinder, Eva und Michel, gingen vor.

Der Weg zum eigenen Photoatelier war steinig. Die 1938 geborene Muhn ließ sich früh und unter schwierigen psychosozialen Bedingungen scheiden und zog ihre Kinder allein auf. Vor der Ehe hatte sie entscheidenden Anteil am Aufbau des ersten freien Photolabors in Deutschland neben Agfa und Kodak. Nach der Scheidung mit 36 Jahren stand sie vor dem Nichts, arbeitete in verschiedenen Branchen und photographierte nebenher. Um immerhin im Gesichtsfeld der Farbe tätig zu sein, führte sie lange Zeit in Eberstadt, später in Seeheim, ein Wollgeschäft, entwarf exklusive Farbmuster und entwickelte auch hier ein Händchen für das Besondere. »Aber die Wolle und ich waren nie ganz rund miteinander«, erzählt sie.

Mit Gespür für den ihr gemäßen Weg folgte sie dem Leben immer ins Licht zurück - auch ins Licht der Photographie. Sie begann neu mit einem kleinen Portrait-Atelier in Gernsheim und unterrichtete Farblehre und Farbphotographie an der Peter-Behrens-Schule in Darmstadt. Manch gestraucheltem aber begabtem Schüler verhalf sie zum Berufsabschluss.

»Wir zeichnen mit Licht« spiegelt der Slogan ihres heutigen Ateliers in Darmstadt ihr sensibles Berufsverständnis wider. Tochter Eva Speith, ebenfalls Photographenmeisterin, mit gleicher Begabung, leitet das Atelier, wenn Ursula Muhn wieder mal auf Reisen ist. Sie wird unterstützt von der Photographin Isabel Jasnau, die im Lichtbildatelier ausgebildet wurde und nun schon 8 Jahre Mitarbeiterin ist. Sie bildet Lehrlinge aus. Sohn Michel ist zuständig für den technischen Bereich im Betrieb, den Aufbau bei Messen und ist fototechnische Begleitperson im In-und Ausland. Auf seine Initiative geht die »Aura-Photographie« zurück, für die Ursula Muhn und Sohn Michel in Österreich eine Zusatzausbildung abschlossen. Feinstoffliche Energien werden farbfotografisch aufgezeichnet, sichtbar gemacht und von Ursula Muhn übersetzt und interpretiert. Sie sagt: »Für mich ist dies ein Gespräch mit der Seelenebene des Menschen.« Alles was lebt, hat ein Energiefeld. Ursula Muhn ist überzeugt, dass in früheren Zeiten viele Menschen Aurasichtig gewesen sind. Auf Bali, erzählt sie, haben die Menschen noch diese Wahrnehmungskraft. Sie lacht und fügt hinzu: »Es gibt keine Autoritätsgläubigkeit dort, wissen Sie!«

Charlotte Martin

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