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Wenn Männer keine Väter werden

Vielen Männern fällt es schwer, die aktive Entscheidung für ein Kind zu treffen.

Die Ursache für den eklatanten Geburtenrückgang in unserem Land wird ganz allgemein bei den aus vielerlei Gründen gebärunwilligen Frauen gesucht, nach dem Motto »wer die Gebärmutter hat, hat die Verantwortung«. Die Journalistin Meike Dinklage gibt diesem Thema eine neue Richtung, weil sie – ganz untypisch – das Verhalten und die Verantwortlichkeit der Männer bei der Babyfrage in den Blick nimmt. Ohne Zweifel sind sie es ja, die bei der Entscheidung für oder gegen ein Kind ein gewichtiges Wort mitzureden haben - und offenbar sagen sie immer öfter: »Nein«. Dinklage macht deutlich, dass es laut einer Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) in Deutschland mehr kinderlose Männer als Frauen gibt. 2003 wurde im Auftrag des Familienministeriums bei einer unter rund 8600 Personen ausgewerteten DIW-Studie »Kinderlose Männer in Deutschland« herausgefunden, dass in allen Altersgruppen, mit Ausnahme der direkt von den Folgen des Zweiten Weltkriegs betroffenen Generation, der Anteil der Männer an den Kinderlosen höher ist als bei den Frauen. Dieses Ergebnis überrascht, denn bisher hatte die Forschung sich fast ausschließlich mit den kinderlosen Frauen und dem so genannten Gebärstreik befasst, nicht aber mit den Kinderraten der Männer.

Wie auch immer diese Zahlen zustande kommen, wichtig ist die Tatsache, dass offenbar immer häufiger die Männer bei der Entscheidung gegen ein Kind den Ausschlag geben. »Weil viele Männer nicht zwischen Spaß und Freude unterscheiden können« erklärte auch die ehemalige Familienministerin Renate Schmidt – vor allem dann nicht, wenn die Freude Mühe bereite.

Interessant ist in diesem Zusammenhang auch ein Europa-Vergleich des Berlin-Instituts für Bevölkerung und Entwicklung vom Herbst 2005. Demzufolge ist »der Rückgang der Geburtenrate dort am stärksten ausgeprägt, wo Frauen weitgehend emanzipiert sind, wo der Rest der Gesellschaft aber noch auf einem vergleichsweise traditionellen Entwicklungsstand verharrt. Gesellschaften, in denen die neue Rolle der Frau anerkannt und unterstützt wird, zeichnen sich hingegen durch relativ hohe Kinderzahlen aus«.

Meike Dinklage macht klar, dass das Image der kinderlosen Frau miserabel ist – (die Vorurteile variieren von »altfeministisch« bis hin zu »karrierefixiert«) und dass die gut Ausgebildeten auch noch für die geistige Verarmung im Land gerade stehen sollen (So verwies »Die Welt« am 23.4.04 auf die vielen kinderlosen Akademikerinnen mit der Überschrift »Deutschland vergreist nicht nur, es verblödet auch«). Ein Mann dagegen ist einfach ein Mann ohne Kind, auch mit fünfundvierzig noch ein potenzieller später Papa, der einfach die Richtige noch nicht gefunden hat. Seine Kinderlosigkeit ist Privatsache ohne den gesellschaftlichen Druck, der auf Frauen lastet und wird nicht als Makel empfunden.

Dinklage versteht es, individuelle Betroffenheit durch die sensible Darstellung von Einzelschicksalen zu verdeutlichen. Es wird klar, dass der eine Mann sich nicht zutraut, ein Kind großzuziehen, dass der andere gerne ein Kind hätte, dass er – oder die Partnerin - aber unfruchtbar ist. So mancher Mann sieht sich immer noch als Ernährer der Familie und will erst wirtschaftlich abgesichert sein, bevor er die Vaterrolle anstrebt. Dinklage hat auch herausgefunden, dass einer wachsenden Zahl von Männern die neuen Freiheiten zu schaffen machen. Vater zu werden ist seit der Erfindung der Pille nicht mehr schicksalhaft, die Entscheidung für ein Kind muss aktiv getroffen werden und das fällt vielen Männern schwer. Eine wachsende Gruppe von Männern ist lange nicht bereit, für ein Kind etwas aufzugeben, womöglich Verzicht zu üben. Viele Männer haben keine Lust, die Alltagspflichten des Kinderhabens mit den Müttern zu teilen oder sie fürchten finanzielle Einbußen, besonders im Trennungsfall.

Übrigens ist der Trend zur abnehmenden Kinderzahl nicht neu. Bereits seit 1860 sinkt die Kinderzahl in jedem Frauenjahrgang, damals kamen durchschnittlich fünf Kinder auf eine Frau, 1874 vier und bei den 1881 Geborenen drei. Bereits der Jahrgang 1904 hatte nur zwei Kinder. Um das Jahr 1930 hatten Frauen durchschnittlich 2,2 Kinder, 1965 noch 1,5.

Die Autorin Meike Dinklage hat mit ihrem Buch ein brisantes Thema sehr facettenreich bearbeitet und sie hat der Diskussion um den Geburtenrückgang eine neue Richtung gegeben.

Barbara Obermüller

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