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Prof. Dr. Senta Trömel-Plötz

Foto: Gundula Pause

Rückblick und Ausblick:

Dr. Senta Trömel-Plötz zu Mileva Einstein-Maric

Naturwissenschaften sind noch immer Männerdomäne Ins Einstein-Jahr 2005 fiel weitgehend unbeachtet der 130. Geburtstag seiner ersten Ehefrau, der Physikerin und Mathematikerin Mileva Einstein-Maric. Ihr mutmaßlicher Anteil an der Forschung ihres Mannes ging verloren zwischen Kochtöpfen und Kinderaufzucht.
Einzig ein von Dr. Senta Trömel-Plötz gestifteter Stein im Frauen-Labyrinth gedenkt ihrer würdig:
»Mileva Einstein-Maric, serbische Mathematikerin 1875 – 1948«

Die Frauenbeauftragte der Stadt, Barbara Akdeniz, begrüßte Oktober 2005 im Piloty-Gebäude der TU die feministische Linguistin und Professorin Dr. Senta Trömel-Plötz zum Themenabend »Frauen in den Naturwissenschaften«. Vor beklagenswert kleinem Publikum las sie aus ihrem »Wortstück« zu Mileva Einstein-Maric. Es ist ihr gelungen, eine »Annäherung« an Mileva Einstein-Maric zu formulieren, in der literarische Formen sich auf empathische Weise mischen: Eckdaten ihres Lebens werden durch Briefzitate, zeitgenössische Lyrik und eindringliche Fantasie in Szene gesetzt. Es entsteht das bedrückende Gemälde einer Naturwissenschaftlerin, die ihre Kompetenzen in den Dienst der Forschungsarbeit des Geliebten und späteren Ehemannes gestellt hat.

Mileva Einstein-Maric ist im Schatten Einsteins verschwunden. Dieses Verschwinden von Frauen aus der Geschichte ist eine Tatsache, der die feministische Forschung entgegen zu wirken versucht. Es lässt sich schwer erschließen, welchen Anteil Frauen an wissenschaftlicher oder künstlerischer Produktion ihrer oft berühmten Männer hatten. Mileva Maric absolvierte zu Beginn des 20. Jahrhunderts als einzige Frau ihres Jahrgangs das Studium der Mathematik und Physik am Polytechnikum Zürich. In einer Zeit, in der naturwissenschaftliche Studien der Frauen von Professoren mit ironischem Skeptizismus begleitet wurden, musste sie scheitern. Senta Trömel-Plötz fragte: »Setzt männliches Genie Frauenaufgabe voraus?« Das höchste Lob, das Mileva Maric zuteil wird, ist ihre Titulierung als »Resonanzboden« für die Ideen ihres Mannes. Wenn Einstein die intellektuellen Vorzüge seiner Frau in Briefen der ersten Ehejahre preist, so fand er später nur diffamierende Worte für die einstige Gefährtin und Mutter seiner Kinder: »Meine Frau ist eine unliebenswürdige, misstrauische Kreatur. Sie ist mein Kreuz.«

Von der Frauenbeauftragten der TU Darmstadt, Ellen von Borzyskowski, war zu erfahren, dass derzeit von rund 280 Professorenstellen 27 Stellen von Frauen besetzt sind – das sind 9,6 Prozent. Je höher es auf der Karriereleiter geht, desto seltener partizipieren Frauen. Das ergab die Diskussion zwischen Vertreterinnen der Wissenschaften im Anschluss an die Lesung. Das Desaster weiblicher Verunsicherung beginnt mit den ersten rosa Babyschuhen geschlechtsspezifischer Erziehung.

Frauen kommen nach dem Diplom auf dem Arbeitsmarkt für hochdotierte Stellen kaum vor. Professorin Dr. Ulrike Teubner von der FH Darmstadt konstatierte den »Drehtüreffekt«: Frauen behielten auch im Beruf oft »Anfängerstatus«, was extrem demotivierend sei. Die Berufung einer Frau an eine Professur bleibt Ausnahme. Naturwissenschaften sind noch immer Männerdomäne. Es fehlen weibliche Vorbilder: das Bild des im logischen Denken minderbegabten Mädchens dominiert gesamtgesellschaftlich.

»Ohne Ellenbogen und Durchsetzungsvermögen« sei Scheitern vorprogrammiert. »Verdienst und Bewertung der Arbeit von Männern und Frauen sind bis heute unterschiedlich«, so Trömel-Plötz. Frauen hätten den Status »der Helferin – nicht der Mitarbeiterin«.

Die Physikerin Dr. Petra Schütt machte darauf aufmerksam, dass Mädchen auch heutzutage eher »komisch angeguckt« würden, wenn sie ihre naturwissenschaftlichen Interessen gezielt verfolgten. Visionen von Netzwerken für Frauen in naturwissenschaftlichen Berufen und das Eingeständnis promovierter Physikerinnen, sie fühlten sich in der Männerdomäne ihrer Arbeitswelt oft »wie in einer fremden Kultur«, offenbaren, dass im Sinne der Gleichberechtigung noch viel zu tun bleibt. Senta Trömel-Plötz brachte es auf den Punkt: »Einstein war ein ganz normaler Mann. Er nahm die Arbeit der Frauen. Er förderte sie nicht.«

Charlotte Martin

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