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No Job, no Money?

Frauen finden kreative Nischen

Achtzig Prozent aller Mädchen wählen nur 15 von 450 Aus- bildungsberufen, das war die Antwort auf die erste Frage des »LISA-Testes«, ein Berufstest für Mädchen, der im Jahr der Technik 2004 auch in Darmstadt in der Centralstation durchgeführt wurde.

Diese Einschränkung in der Berufswahl trifft nicht zu auf den kreativen Anteil von nebenberuflichen oder Nischentätigkeiten von Frauen. Es sind Jobs, die meist nur einen Nebenerwerb sichern für Frauen, die vom Ehegattensplitting profitieren und über den Ehemann krankenversichert sind.

Eine erfolgreiche Idee, die sozialen Kompetenzen der Frauen für eine Dienstleistung im Freundeskreis zu nutzen, kam schon vor längerem aus den USA zu uns.: Die Tupperware-Anbieterin, die im Rahmen von Schneeball-Parties die nahezu unzerstörbare Plastikdose im Direktvertrieb vermarktet. Dieses Modell hat etliche Nachahmer gefunden.

Die Weihnachtsmärkte haben uns einen großen Teil der kreativen handwerklichen Berufe vorgeführt, die im häuslichen Bereich entstanden sind. Neben den bekannten Teddybären und Puppen haben Frauen auch ältere Gewerbe ausgegraben und spinnen und filzen um die Wette. Die naturgefärbte Wolle leuchtet uns entgegen in allen Regenbogenfarben und bietet eine wunderbare Alternative zur industriell gefertigten Textilie. Doch nur selten gelingt es der einen oder anderen, ihr häusliches Hobby zu einem erwerbssichernden Beruf auszubauen.

Besser sieht es da aus für die Goldschmiedin, ein Ausbildungsberuf, der gut zu Hause ausgeübt werden kann.

Um der langweiligen Industrieproduktion etwas entgegen zu setzen, werden alte Handwerksberufe wieder zu neuem Leben erweckt, wie es die Buchbinderin Katinka Gebicke und Etuimacherin Sabine Buhl-Braig zeigen, die wir im vorletzten Mathilde-Heft vorgestellt haben. Qualititativ gute Ware, möglichst manuell gefertigt, findet endlich wieder LiebhaberInnen.

Ebenso erfreut sich handgefertigte Keramik wieder neuer Beliebtheit. Es ist eben doch schön, den Tee aus der individuell getöpferten Tasse zu trinken. Neben schlichter Gebrauchskeramik bis zu künstlerisch fantasievoll gestalteten Vasen ist alles zu finden und ernährt in Maßen die Produzentin.

Ein umfangreicher Bereich, der Ausbildung voraussetzt und gern nebenberuflich ausgeübt wird, ist alles, was mit Gesundheit, Bewegung, Wellness zu tun hat. Er reicht von allen Varianten der heilerischen Berufe wie Akupunktur, Zilgrei oder Reiki, über alle Therapieformen. Bei Frauen besonders begehrt ist Tanztherapie und Bauchtanz. Das Erlebnis in der Gruppe, die Kombination von Bewegung und Therapie, alles ist beliebt, was der Gesundheit und dem Wohlbefinden dient.

Die ersten Party-Service Dienste, die nicht von Metzgereien ausgeübt wurden, habe ich in Berlin der siebziger Jahre erlebt, initiiert von Frauen, die gern und kreativ kochten und im privaten Kreise anfingen, ihre Dienste anzubieten. Einige von ihnen entwickelten sich zu prosperierenden Service Unternehmen. Ergänzen lässt sich dieses Geschäft durch ein Cocktail-Taxi oder einen Geburtstagstorten Bring-Service mit Musik-Einlage.

Aufräumen, teilweise recht unbeliebtes, aber notwendiges Übel zu Hause, ist auch elementar wichtig fürs Büro. Übersichtliche Formulare und klar strukturierte Webseiten stellen eine sinnvolle Ergänzung dieses Angebots dar. Es ist eine vielleicht typisch weibliche Dienstleistung, die freiberuflich ausgeübt werden kann.

Für die, die immer die richtigen Worte findet, kann das Schreiben von Jubiläumsreden und Biografien für Firmen oder Privatpersonen von der Nebenbeschäftigung auch zum überwiegenden Broterwerb führen. Wichtig ist dabei immer die Kombination von mehreren passenden Tätigkeiten und die Flexibilität der Ausführenden. Es muss ausgesprochen Spaß bereiten und passgenau sein.

Hat eine Musik oder Kunst studiert und ihre Karriere zugunsten des eigenen Nachwuchses aufs Eis geschoben, so bietet sich die Gründung einer Mal- oder Musikschule an. Ideal, wenn freie Räume dafür im Familienwohnhaus vorhanden sind, denn das gemeinsame Flöten kann ganz schön laut werden und die Nachbarn nerven.

Hirnjogging oder Kurse für Nordic-Walking können zumindest einen Neben-erwerb sichern. Eventing, das Highlight einer Feier, ob für Firmen oder privat, reicht von Clownerien und Artistik zu Gesangsdarbietungen und wird immer gefragter. Der Fünfzigste oder die Goldene Hochzeit sollen schließlich die Gäste nicht langweilen. Immer die richtige Mode finden und die Erste sein. Das ist ganz schön anstrengend.

Alles in allem kann man sagen, dass Frauen eher bereit sind, mit viel Aufwand und für wenig Geld zu arbeiten. Sie gehen dabei mit viel Kreativität vor und wandeln Tätigkeiten, die in Haus und Familie ausgeübt werden, zu einem Beruf um, der noch mit Berufung zu tun hat. Aus nebenberuflichen Tätigkeiten werden manchmal Erwerbsquellen, die nicht üppig, aber ausreichend sind. Es ist aber ein Fehler, wenn Nischenarbeit überbewertet wird, denn oft leben diese Frauen in unsicheren Verhältnissen, spätestens im Alter werden sie von der Armut eingeholt, wenn keine genügende Rente aufgebaut wurde, weil das Geld dafür nie gereicht hat.

Grob einteilen lassen sich die typisch weiblichen Nischenberufe in Dienstleistungen und kreative Produktion, bei der Kunst und Handwerk vereinigt sind. Technikerinnen und Ingenieurinnen oder Architektinnen finden sich seltener, und wenn, dann gründen erstere lieber ein nachhaltiges ökologisches Projekt oder die Architektinnen bieten Einrichtungs- und Feng Shui-Beratung an.

Gundula Pause

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