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Frauen arbeiten vielfältig.

Das bereichert nicht unbedingt ihren Geldbeutel, aber ihr Leben

Weibliches Arbeitsvermögen ist vielfältig. Konstruiert wird bei der Betrachtung oft die Trennung zwischen Öffentlichkeits- und/oder Berufsarbeit und Privat- und/oder Familienarbeit. Doch eine solche Analyse wird nicht unbedingt dem Lebensstil von Frauen gerecht, die all diese Dinge positiv in ihren Arbeitsalltag integrieren.

»Ich mache viele Dinge, und nicht alle bringen Geld ein«, sagt Gabriele, 44 Jahre, »aber deshalb sind sie für mich nicht in ihrer Qualität unterschiedlich zu bewerten.« Gabrieles offizielle Berufsbezeichnung lautet zur Zeit: Hausfrau und Mutter. »Ich schreibe immer das Wort Mutter dazu, weil das momentan mein verantwortungsvollster Job ist. Ich habe drei Kinder zwischen sieben und dreizehn Jahren und mein selbsterklärtes Arbeitsziel ist, sie in die Lebensselbständigkeit zu führen, und das als selbstbewusste, verantwortungsvolle und logisch denkende Menschen. Dieses Arbeitsziel ist ein sukzessives, je weiter es fortschreitet, desto mehr Raum habe und bekomme ich für andere Tätigkeiten.«

Die Germanistin und Erziehungswissenschaftlerin arbeitete nach dem Studium mehrere Jahre als Assistentin an der Uni. Doch zu diesem Zeitpunkt hatte sie bereits viel Erfahrung mit den unterschiedlichsten Jobs. »Eigentlich habe ich seit ich 14 war immer gejobt - im Weinberg, in der Spülküche, bei einem Verlag, als Nachhilfe für Geld, um in Urlaub fahren oder mir etwas leisten zu können, und für ein Taschengeld als Betreuerin bei Ferienfreizeiten, weil es mir einfach Spaß machte.«

Diese Vielfältigkeit hat sich nicht verändert. Heute arbeitet sie freiberuflich und ehrenamtlich als Layouterin und Redakteurin, gibt Deutschkurse für ausländische Frauen, liest Korrektur bei wissenschaftlichen Arbeiten. Außerdem schreibt sie Geschichten, macht ein Aufbaustudium als Mediatorin und ist Trainerin zweier Volleyball-Jungenmannschaften. »Durch meine beiden Söhne und meine eigene Liebe zu diesem Sport kam ich dazu. Ich spiele selbst seit 33 Jahren Volleyball.« Diese Arbeit bringt kein Geld ein, aber ihr Stellenwert ist mindestens so hoch, wie die Erwerbsarbeit. »Die Arbeit mit jungen Menschen ist für mich sehr viel wertvoller als irgend einen Artikel zu schreiben, auch wenn ich dafür nicht bezahlt werde. Aber ich unterscheide zwischen meinem politischen Anspruch und meinem privaten.

Natürlich ist es politisch gesehen schlecht, alle diese wichtigen Dinge ehrenamtlich zu machen, denn dadurch werden diese Arbeiten sehr schnell als selbstverständlich hingenommen, die Verantwortung ist von der Gesellschaft genommen. In einem flammenden Artikel kann ich das Problem anprangern, damit es in die Köpfe kommt: Hört her, diese Arbeit hat einen großen gesellschaftlichen Wert. Aber mal ehrlich? Würden alle ihre ehrenamtlichen Tätigkeiten hinwerfen, wie sähe dann unser Zusammenleben aus? Also stehe ich als Privatmensch sehr hinter meinem Handeln und finde es mehr als in Ordnung, mit den Jungs durch die Halle zu toben. Außerdem bin ich sehr stolz, dass einer meiner Söhne es mit mir als Trainerin in die Hessenauswahl geschafft hat.«

Eine solch positive Einstellung zu den Dingen, die das Leben bunt machen, hat auch Barbara, 68 Jahre. Sie arbeitete erwerbsmäßig als Fremdsprachenkorrespondentin.

»Ich habe manchmal bereut, dass ich neben der Familienarbeit nicht mehr für meinen beruflichen Werdegang getan habe. Auf meine drei Töchter bin ich jedenfalls sehr stolz und möchte das Leben mit ihnen auf gar keinen Fall missen. Mein Leben war und ist bunt und abwechslungsreich, ich habe viel ausprobiert zwischen Hausarbeit, Erwerbsarbeit und Ehrenamt«, sagt die inzwischen schon zweifache Großmutter, die sich allerdings mit der Rente nicht auf‘s Altenteil setzte, sondern dann noch mal in der Stadtpolitik aktiv wurde. Sie bedauert nicht ihre Entscheidungen, sondern lediglich, »dass wir Frauen bis jetzt kein anderes Modell vorfinden für unsere Emanzipation als das, was Männer vorgegeben haben.«

Ihre Tochter Sabine, 43 Jahre, verbindet ebenso sehr erfolgreich Fami-lienarbeit und Karriere, allerdings in ei-nem Beruf, den sie sich immer wünschte.

»Ich konnte meinen Traum, Medizin zu studieren, verwirklichen, und Ärztin sein ist bis heute mein Traumberuf.
Meine Arbeitszeit habe ich reduziert, um auch ein Leben mit einer Familie führen zu können. Das heißt natürlich weniger Geld und langsamere Karriere. Meine beiden Kinder sind das Beste, was mir in meinem Leben »passiert« ist, mein Leben ist um so viel reicher geworden. Und nebenbei bleibt auch immer noch ein bisschen Zeit für meine anderen Interessen.«

Nicht alle Lebensläufe von Frauen sind so eindeutig auf einen Traumberuf und eine Familie ausgerichtet. Viele kommen über Umwege zu dem, was sie tun, ihre Lebensplanung ist niemals abgeschlossen, es bewegt sich immer etwas. Patchworkerinnen werden sie genannt: Frauen, die im Laufe ihres Lebens mehrere Jobs hintereinander machen. Über Erfolg entscheiden hier nicht die erworbenenen Titel und Positionen, sondern Flexibilität, Neugier, Selbstvertrauen und Mut. Querspünge sind oft Sprünge auf unbekanntes Terrain.Was dabei herauskommt, ist ein buntes Leben, ungeplant und doch überaus befriedigend.

Ursula, 57 Jahre, arbeitete nach dem Realschulabschluss als Stenotypistin in einem Dienstleistungsbetrieb und ging gleichzeitig zum Abendgymnasium. Nach dem Abitur kam eine Ausbildung als Diplom-Kaufmann - »Ich habe tatsächlich diesen männlichen Titel! Damals war ich eine von wenigen Studentinnen, die diesen Abschluss machten.« -, als Managerin wurde sie jedoch trotz des männlichen Titels nicht eingestellt, in der Statistikabteilung zum »Beinchenzählen« wollte sie nicht landen, so orientierte sie sich um und kam zur Public Relations. Sie arbeitete für zwei verschiedene Zeitschriften, war als Pressereferentin auf internationalen Textilmessen tätig und schrieb nebenher noch für die Haus- und Kundenzeitschrift. »Da bei Pressekonferenzen immer interessante Reden gehalten werden müssen, wurde ich noch zusätzlich als Ghostwriterin tätig - das Schönste daran? Die Pressekonferenzen im europäischen Ausland von Wien über Paris bis London. So kam ich rum.«

Mit der Schwangerschaft kam eine Erwerbsarbeitspause, aber kein Stillstand. »Ich studierte noch mal, während unser Sohn heranwuchs. Als er in die Schule kam, schloss ich die Soziologie ab. Ich wollte Städteplanerin werden, doch die nachlassende Konjunktur machte mir einen Strich durch die Rechnung. So schrieb ich Buchbesprechungen, lernte Sprechen und machte Hörfunkbeiträge. Das mache ich auch heute noch.« Allerdings ist es aufgrund der Sparmaßnahmen der Sender schwieriger geworden, immer Aufträge zu bekommen, deshalb arbeitet sie jetzt auch für eine Online-Agentur, die Hörfunkbeiträge für ihre Kunden ins Internet stellt. »Nebenbei versorge ich meine Familie mit pubertierendem Sohn und Hund und meine betagte Mutter. So habe ich schon manches Wochenende auf den Autobahnen verbracht, um meine Betreuungsfunktion zu erfüllen.« Doch auch jetzt ist Ursula immer noch auf der Suche. »Und schon strecke ich meine Fühler aus für ein neues zusätzliches Arbeitsfeld; ich will in der Erwachsenenbildung tätig werden.«

Als der Arbeitsmarkt noch nicht so ausgebrannt war wie in diesen Tagen, verliefen Karrieren nur in eine Richtung: nach oben. »Oben«, das ist mehr Gehalt, mehr Ansehen, mehr Macht - das verschaffte Befriedigung. Alle Ideen zur Seite waren verpönt. Jeder Schritt in eine andere Richtung bedeutete Karriereknick. Heute jedoch knicken immer mehr Lebenswege, und nicht nur der Mangel an Karrierearbeitsplätzen ist der Grund, sondern auch die wachsende Individualisierung der Menschen. Erfolg ist, wobei ich mich wohlfühle. Befriedigung verschafft mir die Arbeit, die mir Spaß macht.

»Glücklich bin ich, wo Arbeit und Leben deckungsgleich sind, wo ich tue, was mir schon immer am Herzen lag, in meinem Fall: Schreiben«, sagt Charlotte, 46 Jahre. »Dass ich freie journalistische Mitarbeiterin bei verschiedenen Zeitungen bin, macht mich stolz. Dass ich meinen Lebensunterhalt durch diese Arbeit bislang nicht sichern kann, ist erstmal sekundär. Ich arbeite daran. Nach meiner späten pädagogischen Ausbildung ist Schwerpunkt meiner Arbeit mit Kindern immer das Kreative gewesen. Malen, Geschichten erfinden, Kasperstücke auf die Beine stellen: das Leben muss pulsieren, Routine ermüdet. Mein Lebenslauf war kurvenreich und Putzen, Servieren, Pappkartons falten, um für mich und meinen Sohn die Nudeln mit Tomatensoße auf den Tisch zu bringen, das hat schon geschlaucht.«

Trotz aller Schwierigkeiten, sich ihren Lebensunterhalt immer zu sichern, strahlen alle dies Frauen Freude an ihrem vielfältigen Tun aus.

Gabriele Merziger

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