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Eines der letzten Fotos

100 Jahre Friedensnobelpreis an Bertha von Suttner

Die Nachricht über die Verleihung des Friedensnobelpreises erreichte Bertha von Suttner am 10. Dezember 1905 auf einer Vortragsreise in Deutschland. Sie hielt sich gerade in Wiesbaden auf, als das Telegramm aus Schweden eintraf. In ihr Tagebuch notierte sie: »Schlaflose Nacht. – Merkwürdig: statt Freude bereitet das auch Kummer. Ist aber doch großartig«. Kummer wahrscheinlich deswegen, weil sie bereits seit vier Jahren vergebens auf diesen Preis gewartet hatte, weil ihr, der Initiatorin dieses Preises, der Gründerin der Friedensgesellschaften in Österreich, Italien und Ungarn und unermüdlicher Kämpferin für den Frieden immer wieder jemand anderer vorgezogen wurde.

Ihre weiteren Vorträge in Deutschland gestalteten sich daraufhin zu wahren Triumphen. »Hoch und Hurra auf der Straße«, notierte sie noch in Wiesbaden.

Bertha von Suttners Friedensarbeit begann 1889 mit der Herausgabe ihres Romans »Die Waffen nieder!«. Das Buch mit dem programmatischen Titel hatte einen durchschlagenden Erfolg und wurde in kürzester Zeit in 30 Sprachen übersetzt. Ihr alter Freund Alfred Nobel schrieb ihr nach dem Erscheinen des Buches enthusiastisch: » Ich habe gerade die Lektüre Ihres bewundernswerten Meisterwerkes beendet. Man sagt, dass es zweitausend Sprachen gibt – das wären 1999 zu viel – aber sicherlich gibt es keine Sprache, in die Ihr herrliches Werk nicht übersetzt werden müsste, um gelesen und darüber nachgedacht zu werden.«

Das Buch schildert in Form einer Autobiografie die Geschichte einer Frau, deren Schicksal durch Kriege bestimmt wird: sie verliert ihren ersten Ehemann im Krieg in Oberitalien, ihr zweiter Ehemann wird im Krieg von Österreich gegen Preußen 1866 verwundet und vier Jahre später in Paris als Deutscher von französischen Nationalisten erschossen. Die Autorin schildert die Grausamkeiten der Schlachtfelder detailgetreu. Sie beschreibt das Leiden der Verwundeten, den Zustand der Getöteten und auch den Schmerz der Angehörigen beim Erhalt der Todesnachricht. Bertha von Suttner will mit den Schreckensbildern ihre Zeitgenossinnen und -genossen aufrütteln und zeigen, dass Kriege nicht schicksalshaft sind, sondern von Menschen geplant, angefangen und zu Ende geführt werden.

Es war Bertha von Suttner trotz dieses Erfolgs stets bewusst, dass die Idee, Konflikte friedlich zu lösen in einer vom Nationalismus und Krieg faszinierten Welt, nur schwer zu verbreiten sei: »Neue Ideen sind wie die Nägel – alte Zustände und Institutionen sind wie dicke Mauern« – schrieb sie. »Da genügt es nicht, den spitzen Nagel hinzuhalten und einen Schlag zu tun – hundert und hundertmal muss der Nagel getroffen werden und zwar auf den Kopf getroffen werden, damit er endlich sitze.«

Treu dieser Erkenntnis reiste Bertha von Suttner unermüdlich kreuz und quer durch Europa, um Vorträge zu halten, Friedensgesellschaften zu gründen oder an Abrüstungskonferenzen teilzunehmen.

Die Presse verlieh ihr bald den respektlosen Namen »Friedensbertha«. Aber auch die Angriffe auf ihre Person mehrten sich: Da sie sich rigoros gegen jeglichen Antisemitismus wandte und soziale Missstände anprangerte, wurde sie von Antisemiten und von Konservativen mit Hass verfolgt. Zahlreich sind die Schmähartikel und Karikaturen, die in der zeitgenössischen Presse erschienen. Die Friedennobelpreisträgerin hielt zahlreiche Reden auf Frauenkongressen und von Frauenvereinen organisierten Veranstaltungen. Sie vertrat allerdings nicht die Meinung vieler ihrer Zeitgenossinnen, Frauen seien von Natur aus friedfertiger als Männer. Als eine Zeitschrift sie über die »sittliche Bestimmung der Frau« befragte, antwortete sie: »Einmal glaube ich nicht an Bestimmung, zweitens dünkt mir, dass in Sachen der ethischen Kultur die Aufgaben der Menschheit nicht nach den Geschlechtern getrennt werden sollen. Physiologische Unterschiede bedingen keine ethischen Unterschiede.« Gemäß ihres Friedensansatzes hielt sie auch daran fest, dass es auch zwischen den Geschlechtern keinen Krieg geben sollte. Obwohl sie die Diffamierung des weiblichen Geschlechts in der Gesetzgebung, in der Familie oder im Bildungsbereich klar sah, war sie nicht bereit, aggressive Töne gegen »die Männer« anzuschlagen. Ihr Ideal war, eine Welt zu schaffen, in der »Mann und Weib nebeneinander, ebenbürtig, gleichberechtigt [sind]– das Weib gekräftigt, der Mann gemildert, beide zum werdenden Typus der Vollmenschlichkeit veredelt.«

Bertha von Suttner starb 71jährig am 21. Juni 1914

Agnes Schmidt

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