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posthum entstandenes Ölgemälde von Fanny Mendelssohn-Hensel

Illustration aus:
Ute Büchter-Römer: Fanny Mendelssohn-Hensel
Rowohlt Taschen-buchverlag, Reinbek bei Hamburg 2001.

"… dass man doch aus seiner Familie, seinem eigenen Selbst so schwer sich erhebt!"

Zum 200. Geburtstag von Fanny Mendelssohn-Hensel

Am 14. November 1805 wurde die Komponistin und Pianistin Fanny Mendelssohn geboren. Als ältere Schwester des berühmten Komponisten Felix Mendelssohn-Bartholdy ist sie eine der wenigen Komponistinnen, die von der wissenschaftlichen Forschung nicht überhört werden konnten. Aufgewachsen in der Atmosphäre des klassischen Bildungsbürgertums, kam Fanny Mendelssohn mit Komponisten und Dichtern ihrer Zeit in Kontakt – so etwa mit Clara und Robert Schumann, Franz Liszt, Carl Maria von Weber oder Clemens Brentano. Wenn auch ihr Klavierspiel bewundert wurde, so blieb ihre Erziehung doch der Prämisse unterworfen, dass die eigentlichen Tugenden einer Frau sich im hausfraulichen Bereich entfalten. Während Bruder Felix auf Bildungsreisen war, legte Vater Abraham Mendelssohn der Tochter Bescheidenheit ans Herz: » (…) Die Musik ist für ihn (Felix) vielleicht Beruf, während sie für dich stets nur Zierde (sein kann). (…)du musst dich ernster und emsiger zu deinem eigentlichen Beruf, zum einzigen Beruf eines Mädchens, zur Hausfrau bilden.«

Es fiel Fanny schwer, sich mit dem ihr zugewiesenen Daseinseckchen zufrieden zu geben. Sie schrieb an Freunde: »Dass man übrigens seine elende Weibsnatur jeden Tag, auf jedem Schritt seines Lebens von den Herren der Schöpfung vorgerückt bekömmt, ist ein Punkt, der einen in Wuth, und somit um die Weiblichkeit bringen könnte, wenn nicht dadurch das Übel ärger würde.«

Fanny stand im Schatten dreier Männer – ihres Vaters, ihres Bruders und schließlich des Kunstmalers Wilhelm Hensel, den sie 1829 heiratete und mit dem sie den Gartentrakt des noblen Elternhauses bewohnte. 1830 bekam Fanny einen Sohn – es folgten weitere Fehl - und Totgeburten. Zwischen Küche und Kind gab sie das Komponieren nicht auf. Ihr Bruder lobte ihre Kompositionen und ihr Klavierspiel, lehnte jedoch eine Veröffentlichung ihrer Werke, ebenso wie der Vater, ab. Stattdessen ließ er einige ihrer Lieder im Rahmen einer eigenen Liedersammlung drucken, ohne darauf hinzuweisen, dass sie von Fanny komponiert wurden. Ironisch schrieb Fanny 1843 an den Musikverleger Franz Hauser: »Ein Dilettant ist schon ein schreckliches Geschöpf, ein weiblicher Autor ein noch schrecklicheres, wenn aber beides sich in einer Person vereinigt, wird natürlich das allerschrecklichste Wesen daraus!«

Trotz der ablehnenden Haltung von Bruder und Vater gelang es Fanny Mendelssohn schließlich 1846 im Verlag Bote und Bock »Sechs Lieder für eine Singstimme mit Begleitung des Pianoforte« (op.1) und »Vier Lieder für Pianoforte« (op.2) zu veröffentlichen.

Felix Mendelssohn-Bartholdy feierte inzwischen einige Erfolge. Eine Anekdote berichtet, dass sich, bei einem Empfang im Jahre 1842, die britische Königin von einem seiner Lieder besonders beeindruckt zeigte. Felix konnte nicht umhin zu beichten, es handle sich bei dem Lied um eine Komposition seiner Schwester Fanny.

Am 14. Mai 1847 erlitt Fanny Mendelssohn einen Gehirnschlag. Sie starb einundvierzigjährig. Ihr Bruder Felix, gesundheitlich labil, überlebte seine Schwester nur um ein halbes Jahr. Es liegt ein beachtliches Opus von ihm vor. Ob und in welchem Maß die ältere Schwester Anteil daran tragen mag, darüber muss oder darf spekuliert werden. Was nachweislich musikalisch von Fanny Mendelssohn-Hensel überliefert wurde, weist sie als bedeutende deutsche Komponistin des 19. Jahrhunderts aus.

Es dauerte fast 100 Jahre, bevor die hinterlassenen Werke einer breiten HörerInnenschaft zugänglich gemacht wurden. Und dies nur schleppend. Im Archiv Frau und Musik in Frankfurt am Main liegen vier Schallplatten aus den Jahren 1982, 1984, 1985 und 1986 vor, von denen zwei aus dem Ausland stammen. Die etwa 25 CDs dort stammen aus späteren Jahren. Die erste Veröffentlichung der Partitur von »Il saltarello romano«, die im Archiv Frau und Musik dokumentiert ist, stammt aus dem Jahr 1958 von dem englischen Verlag Elkin & Co. Ltd. Es gab noch einige andere, sehr vereinzelte Veröffentlichungen von Fannys Werken, bis der Furore Verlag in Kassel sich ab 1987 mit Erfolg dafür einsetzte, dass das Werk dieser Komponistin in seiner erstaunlichen Fülle endlich publiziert wurde. Der Dirigentin Elke Mascha Blankenburg ist die Erstaufführung von Fanny Hensels Oratorium in Köln 1984 zu verdanken.

Über das Musik Label »Troubadisc« können Musikinteressierte zum 200. Geburtstag von Fanny Mendelssohn in deren Kompositionen hineinhören. Wer mehr über den Lebenslauf der beeindruckenden Frau erfahren will, dem sei zum Beispiel das ebenfalls zum 200. Geburtstag im Kaufmann Verlag erschienene Buch »Fanny Mendelssohn-Hensel – Aus dem Schatten des Bruders« von Thea Derado empfohlen. An Lektüre zu Leben und Werk der Künstlerin mangelt es nicht.

Charlotte Martin / Barbara Obermüller

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