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’Über Fett spricht man nicht, das ist so PEINLICH!‘ – Sie tut es sehr wohl, und sie weiß, wovon sie spricht, unsere MATHILDE- Sportkorrespondentin Andrea C. Busch.

Foto: Thomas Gelfort

Spaß am Sport in XXL?

Warum Sporttreiben für dicke Menschen seine Tücken hat

Der Gesundheitsmarkt boomt. Jahrelang hat man uns Dicken FdH (=Friß die Hälfte) gepredigt und uns mit der Brigitte 800-Kalorien-Diät gequält (’Reiben Sie drei Haselnüsse über ein halbes Magerjoghurt‘). Jetzt endlich hat auch die Forschung erkannt, was wir Dicken schon lange wissen: Diäten bringen uns nicht weiter, weil der Körper auf Sparflamme schaltet und nach Beendigung der Diät die mühsam leer gehungerten Depots wieder auffüllt. Es könnten ja schlechte Zeiten kommen. Die schlimmste Zeit abstruser Diäten scheint mit derm Abebben der Kohlsuppewelle nun endlich vorüber, und alle arbeitslosen Ernährungsberater haben irgendwo ein Pöstchen gefunden, auf dem sie uns Übergewichtigen ein schlechtes Gewissen machen können. Da Diäten also nichts helfen und irgendwas gegen diese unästhetischen Dicken unternommen werden muss, sollen wir jetzt unsere Pfunde beim Sport verlieren. (Wie günstig, dass in den letzten Jahren auch genug Diplom-Rumscheucher ausgebildet wurden!)

Wir werden in ’Bauch, Beine, Po‘-Kurse geschickt, zum ’Schwitzfit‘ und ins ’Fat-Burning‘. Diese Kurse werden fast ausschließlich von Frauen belegt – Männer scheinen weniger masochistisch veranlagt – und werden geleitet von zarten kleinen Persönchen, die mit Ach und Krach fünfzig Kilo wiegen und die im bauchfreien Trainingsoutfit stolz ihr Waschbrett präsentieren. Diese Hungerhaken spulen vor der Gruppe ihr Trainingsprogramm ab und interessieren sich nicht dafür, ob ihre Opfer die Übungen denn überhaupt zu Stande bringen. Auf den Bauch sollen wir uns legen und dabei tief einatmen. Wir sollen im Stehen die Hände neben den Füßen auf den Fußboden legen, obwohl einige von uns ihre Füße schon lange nicht mehr gesehen haben. Auf dem Rücken liegend wie ein Käfer sollen wir uns entspannen, indem wir die Knie zur Nasenspitze ziehen. Von der ’Weichteilsperre‘, die uns an Bauch, Po und Oberschenkeln klebt, uns den Weg versperrt und Atemnot verursacht, haben sie keine Ahnung. Spricht man sie darauf an, sind sie unangenehm berührt und winden sich wie der sprichwörtliche Aal. Über Fett spricht man nicht, das ist so PEINLICH!

Dabei können auch dicke Menschen durchaus körperlich fit sein. Die Hamburger Trainerin Dörte Kuhn1, selbst übergewichtig, hat ’Big Gym‘ erfunden und entwickelt Fitnessprogramme für Dicke. Ihre Kurse sind für Teilnehmerinnen ab Damenkleidergröße 46. Spaß an der Bewegung steht im Vordergrund, denn nur, wer sich gern bewegt, wird es immer wieder tun. Und als dicker trainierter Mensch ist es ein besonderes Vergnügen, lässig die Treppe raufzugehen und die anderen zu überholen. Spezielle Sportangebote für Übergewichte, also ’Fitness XXL‘ oder ’Big Gym‘, sind jedoch selten. Im ganzen Landkreis Darmstadt-Dieburg habe ich eines gefunden - beim Turnverein Babenhausen. Meine Versuche, auch in Darmstadt verschiedenenorts ein solches Training anzuregen, wurden kommentiert mit ’Ach nö‘, ’Wir haben niemanden, der sich damit auskennt‘ (Sowas kann man lernen!) und ’Sollten wir da nicht auch gleich eine Ernährungsberatung mit anbieten?‘

Nein. Ein Sportangebot für Dicke, das auf die körperlichen Voraussetzungen eingeht, würde völlig genügen. Damit uns in Zukunft der Spaß in XXL zum Sport treibt. Und nicht das schlechte Gewissen.

Andrea C. Busch

Mehr über Dörte Kuhn und ihr Konzept ’Big Gym‘ erfahren Sie in einer der nächsten Ausgaben der .

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