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MATHILDE

Maria & Eva mit ihren jeweiligen »Früchten«

Abb. aus: Eva Schirmer: Eva-Maria. Rollenbilder von Männern für Frauen, Offenbach 1988

Eva und Maria:

Sündige Frau – reine Heilige

Zwei Varianten weiblicher Unfreiheit

Von allen Plakatwänden schauen uns (halb)-nackte Models an, meist weiblich, die unseren Blick vernebeln. Wir begegnen jungen Frauen in kurzen Tops, die knallenge Hose verdeckt grad mal so die Pobacken, der schwabbelige Bauch darf die Sonne schauen, schließlich war der Piercing- Schmuck teuer genug und muss gezeigt werden. Der Busen wurde hochgepuscht und vergrößert, assoziiert eine stillende Mutter. Geschlechtsmerkmale werden betont in einer Welt, der das Interesse an Nachkommen verloren geht. Die anderen Frauen gehen in langen, dunklen Mänteln, die Haare sauber unter dem Tuch versteckt. Der Gegensatz kann deutlicher nicht sein, erinnert uns an die Dualität der Figuren Eva und Maria im christlichen Mythos, die sündige Verführerin und die heilige Jungfrau.

Ob Frau sich verhüllt oder Bein und Bauch unterm vermeintlich selbst gewählten Modediktat freilegt, der männliche Blick, der auf ihr ruht, ist immer derselbe: Hure und Heilige sind die uralten Bilder, die das patriarchalische Gedankengut auch unserer Kultur prägen. Und wenn die eine bei Tag verschleiert sein soll, so soll sie doch nachts willfährig die Verführung wahr machen, die das nackte Fleisch der anderen auf der Straße, in Werbung und Pornos, vorführt. Jede Kultur hat ihren eigenen Mythos, der von der Entstehung der Menschen und dem früheren Zusammenleben der Geschlechter Zeugnis gibt. Den meisten von uns, die hier leben, ist der christlich-abendländische Mythos vertraut und wird daher näher beleuchtet.

Frauen sind schön, verführerisch – aber sündig?
In der Schöpfungsgeschichte des Abendlandes war Eva die Verführerin mit dem Apfel, die mit der Schlange schwätzte und Adam den Apfel hinhielt, nachdem sie in denselben gebissen hatte. Daraufhin mussten die beiden aus dem Paradies fliehen. War sie es, die Adam verführte, als sie ihm den Apfel reichte? Oder waren sie nicht eher gleichberechtigt und es war seine freie Entscheidung, von dem Apfel zu essen? Einige feministische Theologinnen gehen davon aus, dass Eva eine Fruchtbarkeitsgöttin in älteren matriarchalischen Mythen darstellte. Eva Schirmer schreibt dazu: »Gerade diese Attribute – die Schlange, der Baum mit den Früchten – weisen auf eine alte Göttin hin. In den Mythen der Völker umher gibt es die Göttin in Verbindung mit dem Lebensbaum, dessen Früchte sie vergibt und ihrem Helden damit ewiges Leben verleiht.« Im Urtext der Genesis ist nicht von Verführung die Rede, Adam wird lediglich passiver dargestellt als Eva. Erst nachdem der Text oft abgeschrieben, übersetzt und ausgelegt wurde, bekam er eine mehr und mehr patriarchalische Färbung.

Nach der Vertreibung aus dem gemütlichen Paradies der Urzeit in die raue Welt der patriarchalischen Religionen auf Erden war Eva gehalten, sich zu verhüllen, ihre Schönheit zu verbergen, nur noch dem zu offenbaren, der willens war, mit ihr Nachkommen zu zeugen.

Die spätere christliche Kirche fand viele Wege, schöne Frauen zu verdammen und als Hexen zu verbrennen, besonders wenn sie sich möglichen Ehepartnern verweigerten und lieber unabhängig bleiben wollten. Auch heute ist dieses Denken aktuell, beispielsweise in dem Kultfilm der siebziger Jahre »Alexis Zorbas«, der auf Kreta spielte, bekommen wir zu sehen, was einer schönen Frau droht, die keinen Mann des Dorfes an sich heran lässt. Sie gehört gesteinigt und getötet.

Auch eine spätere Eva-Darstellerin, Loreley, eine beliebte, berühmte deutsche Sagenfigur, saß halb entblößt mit langen offenen Haaren, singend auf dem Felsen oberhalb der Klippen, gegen die jeder Mann, der ihr lauschte, verzaubert in den Tod gerissen wurde. Hier (ver)führen blonde, lange Frauenhaare und süßlicher Gesang Männer ins Verderben. Mann lerne, es kann nichts Gutes bedeuten, einer schönen Frau zu folgen. Es sei denn, Mann bezwingt sie, Mann gewinnt Macht über sie, sonst wird sie zur Hexe, zur Teufelin gemacht und bestraft. Also muss die junge Frau (Jungfrau) ihre Schönheit verbergen, um sie nach der Heirat, einst unter die Haube gebracht, nur diesem einen Mann, ihrem Gebieter, zu offenbaren.

Kommen wir zur heiligen Maria. Sie war 13 oder 14 Jahre alt, als sie schwanger wurde. In der Antike wurden junge, heiratsfähige Mädchen Jungfrauen genannt. Später erst wurde der Begriff Jungfrau umgedeutet zu einer sexuell unberührten Frau. Im Neuen Testament ist keine ausdrückliche Rede von unbefleckter Empfängnis, keine Rede von sündigem vorehelichem Sex. In den matriarchalischen Mythen wurde die Geburt eines Königs durch eine Jungfrau eingeleitet. Jungfräulichkeit kennzeichnet hier ihren Status als autonome Frauen, die keine Ehefrauen waren, auch nicht die eines Gottes.

Auch bei den Juden kam damals keiner auf die Idee, dass es sich um jungfräuliche Geburt im biologischen Sinne handeln könnte, ganz im Gegenteil »gab es eine Art ‘Ausnahmegenehmigung’ für Juden, mit ihren Verlobten zu schlafen, um jüdische Nachkommenschaft zu sichern, da die Römer das Recht der ‘ius primae noctis’ (das Recht der ersten Nacht) für sich in in Anspruch nahmen.«

Eine asexuelle Maria war nicht denkbar. Erst im Laufe der geschichtlichen Entwicklung des abendländischen Christentums zur vorherrschenden patriarchalischen Religion wurde Sex zur Sünde und Maria zur Heiligen erkoren.

Soweit der für uns geltende christlich-abendländische Mythos, der zwar noch Wirkung zeigt, aber heute in unserer globalisierten westlichen Welt wird die Verführerin hervorgehoben: Frauenkörper werden vermarktet. Frauen werden zu Evas gemacht, ob sie wollen oder nicht, sie werden nicht gefragt. Das bringt die Männer wieder in Aufregung, in Erregung, aber besonders die Fundamentalisten, da sie ihre Sexualität unterdrücken, macht sie das besonders an. Der Trick mit der Verhüllung der eigenen Frauen erhöht die Empörung, denn diese sollen wie die christliche Figur Maria sein, keusch verhüllt und gebärfreudig. Die anderen dienen der Be-Lustigung, als Freiwild für sexuelle Ausschweifungen und erste Erfahrungen. Sexfilme werden heimlich gern geschaut und letztendlich bietet das Internet Fleischbeschau ohne Ende, der Markt boomt.

So finden wir die Frauenfeindlichkeit in allen patriarchalischen Religionen wieder. Im Christentum regen sich immerhin die Feministinnen mit ihrer Kritik. Teilweise wird zugegeben, dass die Hexenverfolgung ein Verbrechen war. Frauen werden gleiche Rechte zugebilligt. Andere Glaubensrichtungen und Sekten sind weiterhin autoritär strukturiert, erlauben weder Kritik von innen geschweige denn von außen, am wenigsten von Frauen.

Mir als Feministin ist wichtig, die Polarisierung der sündigen Frau und der reinen Heiligen aufzuheben. Wir Frauen wehren uns gegen eine Vermarktung unserer Körper und jegliche Etikettierung.

Wir sind wie wir sind mit unserem Körper und unserem Verstand, und wir sind schön. So wie die Frauen der siebziger Jahre proklamierten: »Mein Bauch gehört mir«, so können und müssen wir heute sagen: »Wir bestimmen selber, wie wir mit unserem Körper umgehen, was wir denken, wie viel Kinder wir gebären und wen wir lieben«.

Gundula Pause

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