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Gemeinsam statt einsam

Wie wohnen und leben Frauen, wenn sie selbst planen und bestimmen? Im folgenden werden drei Wohnprojekte von und für Frauen vorgestellt.

In einer Gemeinschaft zu leben, bedeutet, auch das Gemeinsame im Blick zu haben. Verkriechen kann frau sich auch im anonymen Hochhaus. Zur Gemeinschaft gehören Kooperation, Zusammenarbeit, gegenseitige Hilfe, Unterstützung und Schutz. Welche Visionen leiten Frauen, sich in großen Wohngemeinschaften zu organisieren?

  • Gemeinschaftlichkeit pflegen, aber Rückzugsmöglichkeiten vorsehen.
  • Eine eigene Wohnung haben, aber Gemeinschaftsräume für gemeinsame Aktionen
  • Bewegungsräume für gemeinsames Tanzen, Turnen und Yoga
  • Frauen wollen Sicherheit, Treppenaufgänge, die von außen nicht einsehbar sind. Beim Gang in den Keller nicht fremden Männern begegnen. Sich im ganzen Haus wohlfühlen.
  • Einen Garten, der von Fremden nicht betreten werden kann.
  • Barrierefreiheit, damit auch gehbehinderte Frauen sich frei bewegen können.
  • Keine langen Wege, um Freundinnen zu treffen, abends nicht aus dem Haus gehen zu müssen, um gemeinsam mit anderen zu plaudern.
  • Räumlichkeiten zur gemeinsamen Kinderbetreuung.

Der Wunsch nach gemeinsamen Wohnen ist nicht frauenspezifisch, vieles von dem oben genannten ist für Frauen und Männer, Singles und Familien, Jung und Alt wünschenswert. Das Bedürfnis nach Sicherheit ist bei Frauen aus verständlichen Gründen stärker ausgeprägt, der Wunsch nach Gemeinschaft ist allen gemeinsam.

Wir freuen uns riesig, dass der Traum wahr wird!

Am Anfang trafen einige Frauen aufeinander und hatten eine Vision: Sie wünschten sich, ein gemeinschaftsorientiertes Wohnprojekt für Frauen zu initiieren. Sie reisten zu alten und neuen Wohnprojekten, auch zu den wunderbaren mittelalterlichen Wohnhöfen der Beginen in Belgien. Der Eindruck der Beginenhöfe war so nachhaltig und deren Geschichte so spannend, dass alle einig waren, der Verein sollte »BeginenWerk« heißen.

Für die Berliner Gruppe der modernen Beginen ist nun endlich der Grundstein gelegt für ein gemeinschaftliches, innerstädtisches Wohnprojekt in einem schönen Haus in grüner Lage, nah am Landwehrkanal in Kreuzberg, geplant von Frauen für Frauen. In Fußnähe sind eine Reihe anderer Frauenprojekte wie zum Beispiel die Schokofabrik, das größte Frauenzentrum Deutschlands. Zur Zeit sind es 31 Frauen zwischen 32 und 72 Jahren, die sich Eigentum in dem großen Haus mit 52 Wohnungen erworben haben. Noch sind etwa 20 Wohnungen verschiedener Größen zu vergeben, alle mit Aufzug und Balkon oder Loggia.

Sich im ganzen Haus wohl zu fühlen ist die Vision. Eine Architektin hat interaktiv geplant, schrittweise die unterschiedlichen Lebensmuster der engagierten Frauen einbezogen. Die übliche Hierarchie der Wohnaufteilung: Wohnzimmer, Schlafzimmer, Kinderzimmer, hat hier keinen Platz. Etwa ein Zehntel der Räumlichkeiten wollen die Bewohnerinnen für gemeinsame Aktivitäten nutzen. Jede Frau hat mitgestaltet, ihre Wünsche geäußert, die Expertin hat sie umgesetzt in ein großes innovatives Wohnprojekt, das den Bedürfnissen der Frauen gerecht wird.

Gebaut wird nur mit gesundheitsverträglichen Baumaterialien, die moderne Energie- und Wasserversorgung wird sparsames Wirtschaften ermöglichen. Barrierefreiheit ist selbstverständlich.

Eine Stiftung »FrauenRäume« ist noch im Aufbau, um Frauenorte als solche dauerhaft zu sichern. Damit sollen selbstbestimmte gemeinschaftsorientierte Wohn- und Lebensformen von Frauen gefördert werden. Das Eigentum soll langfristig in Frauenhand bleiben.

  • BeginenWerk e.V., Jutta M. Kämper
    Bergmannstr. 68 10961 Berlin
    Tel.u.Fax 030-615 91 77
    info@beginenwerk.de
    www.beginenwerk.de

WohnSinn in Darmstadt

WohnSinn ist ein Projekt, das Frauen in besonderem Maß anspricht. In Darmstadt haben Familien, Paare und Singles ihre Träume verwirklicht. Seit Mitte 2003 wohnen sie bereits gemeinsam im Kranichsteiner Neubaugebiet K6 in einem dreistöckigen Passivhaus, das in Hufeisenform einen Innenhof einschließt mit vielen Blumen, Bäumen und Spielmöglichkeiten. In 39 Wohneinheiten finden sich hier mehr Frauen als Männer, Haushalte mit niedrigem und mit höherem Einkommen, Familien und Alleinerziehende, AusländerInnen und Behinderte, eine bunte Mischung aus Jung und Alt. Durch die Gründung einer Genossenschaft wurde es möglich, dass alle Bewohnerinnen und Bewohner, egal ob sie in Eigentums- Miet- oder Sozialwohnungen wohnen, das gleiche Stimmrecht besitzen.

Das Gebäude umfasst zehn Prozent Gemeinschaftsräume, einen schönen Garten, Dachterrasse, zwei Gästezimmer und ein Gästeappartement, alle barrierefrei. Die Straßenbahnanbindung ist hervorragend, nur die Infrastruktur lässt noch Wünsche offen, kleine Geschäfte fehlen.

Unsere Webmistress Margret Simon pflegt auch die Webseiten von WohnSinn. In den zwei Jahren, die angefüllt waren durch ständige Auseinandersetzung mit der für sie völlig neuen Situation und den dadurch entstandenen Herausforderungen, hat sie viel gelernt. Wichtig findet sie, dass alle Toleranz lernen und üben. Der Gewinn, nicht allein zu sein, liegt auf der Hand. Im Haus ist immer Bewegung, es gibt Veranstaltungen, Feste, Hausgemeinschaftstreffen, kollektive Verschönerungsarbeiten in den Gemeinschaftsräumen, eine Menge zu tun. Doch auch Rückzug ist möglich. Jede und jeder entscheidet, wann sie oder er Ruhe braucht.

Im zweiten, noch im Bau befindlichen Wohnprojekt mit insgesamt 34 Wohnungen, "WohnSinn 2", gibt es noch Platz für Alleinerziehende, Familien mit Kindern und für eine Wohngemeinschaft, sowohl in Miet- als auch in Sozialwohnungen. Auch Investorinnen werden weiterhin gesucht.

InteressentInnen können sich direkt wenden an:

Lesben gestalten ihr Alter – SAFIA e. V.

Ans Alter zu denken, bevor die Knochen und Muskeln versagen, ist nicht beliebt, macht aber Sinn. In der Regel pflegen Frauen ihre Ehegatten bis zu deren Tod, denn diese sind meist älter und haben kürzere Lebenserwartung. Wenn sie schließlich selbst Hilfe brauchen, landet frau in einem der üblichen Altenheime, wo sie in die Ecke gesetzt wird und in Passivität verschimmelt, entmündigt bei Liedergesang und Bastelei. Männer sind zwar in der Minderheit, dennoch oft exponiert.

Was passiert mit lesbischen Frauen, wenn sie alt werden? Im Altersheim auch männlichen Pflegekräften ausgesetzt zu sein, ist keine aufbauende Perspektive. Dann doch lieber aktiv ins lesbische Altersprojekt, das von Frauen verwaltet und gestaltet und wird, wo Frauen sich selbst versorgen, statt Däumchen drehen. Was liegt näher, als rechtzeitig Gleichgesinnte aufzuspüren und gemeinsam zu planen.

Anke Schäfer, die Initiatorin des Vereins SAFIA e. V., suchte beim Lesben-Pfingst-Treffen 1983 erstmals Kontakt zu Lesben über 40, um für ihre eigene Zukunft ein lesbisches Altersheim zu gründen. »Ich wusste damals schon, dass ich im Alter nicht allein sein wollte; an die ideale Zweierbeziehung glaubte ich aber auch nicht mehr - so viel Lebenserfahrung hatte ich ja nun schon.« Das war die Geburtsstunde von SAFIA, die Abkürzung von »Selbsthilfe alleinlebender Frauen im Alter« im Untertitel »Lesben organisieren ihr Alter«, damit es keine Missverständnisse gibt.

Mittlerweile sind vierhundertundachtzig Frauen in diesem Verein. Wie Anke kommen viele aus der aktiven Frauen- und Lesbenbewegung und sehen in SAFIA die Fortsetzung ihrer feministischen Arbeit und Utopie. Viermal jährlich treffen sie sich. Sie feiern, knüpfen Kontakte und spinnen an Zukunftsperspektiven.

Es existieren schon mehrere kleine Wohnprojekte, in denen Frauen ihre Vision verwirklichen können. Neben der Stiftung »Sappho Frauenwohnstift«, die dazu beiträgt, dass Wohneigentum von SAFIA in Lesbenhänden bleibt, gibt es ein Netzwerk von Ärztinnen und Pflegerinnen. Im Fall der eigenen Pflegebedürftigkeit ist es wichtig, dass Frauen von Frauen gepflegt werden. Auch in normalen gemischten Altersheimen kommt es immer wieder vor, dass Frauen von männlichem Personal missbraucht werden. Oder alte Ängste entstehen neu beim Anblick des Pflegers, besonders wenn Frauen in der Kindheit vergewaltigt wurden.

Im kommenden Jahr blickt SAFIA auf 20 Jahre zurück. Es wird ein großes Fest geben. Anke, die Gründerin, tritt heute als Clownin und Pantomime auf. Nach einem arbeitsreichen Leben macht sie mittlerweile am liebsten das, was Spaß macht.

Gundula Pause sprach mit verschiedenen Frauen in den Wohnprojekten

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