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Linda Horowitz

Foto: privat

Ich will alles machen können

Interview mit Linda Paula Horowitz, Dirigentin

Linda Horowitz stammt aus Los Angeles in Kalifornien. Am Scripps College for Women in Claremont/USA wurde sie von 1971 bis 1975 als Pianistin und Dirigentin ausgebildet. Bis 1978 studierte sie an der California State University, Fullerton bis zum Abschluss mit dem Master of Music Degree. 1980 kam sie mit einem Stipendium der Konrad-Adenauer-Stiftung nach Deutschland, wo sie 1983 an der Hochschule für Musik in Frankfurt am Main die Konzertreifeprüfung für Chorleitung und 1986 das Kapellmeisterexamen ablegte.

1986 dirigierte sie für eine Rundfunkproduktion mit dem Radio-Symphonieorchester Hilversum, im selben Jahr folgte ihr Debüt an der Alten Oper in Frankfurt. Mit JoAnn Falletta als Gastdirigentin in Mannheim erlebte sie zum ersten Mal eine Frau am Pult. »Das gab mir großen Auftrieb. Deshalb ist mir bis heute bewusst, dass ich da vorne als Vorbild für junge Musikerinnen stehe. In meiner Generation hat das noch gefehlt, aber ich kann jungen Frauen zeigen, dass sie diese Ausbildung machen können, dass sie Korrepetitorin oder Chordirektorin, Kapellmeisterin und irgendwann auch Generalmusikdirektorin werden können«. (Zitat von Frau Horowitz aus dem Buch »Dirigentinnen im 20. Jahrhundert« von Elke Mascha Blankenburg).

Seit 1993 ist Linda Horowitz Leiterin des Orchesters und des Chores der Akademie für Tonkunst in Darmstadt und gleichzeitig Dozentin für Dirigieren. Sie hält es für ein großes Glück, als Dirigentin in beiden Bereichen - Chor und Orchester - tätig sein zu können und anerkannt zu sein. »Eine solche Kombination gibt es nicht oft«.

Seit fünfzehn Jahren dirigiert sie regelmäßig Opern-Galas in deutschen Theatern, seit 1989 leitet sie den Frankfurter German-American Community Choir. 1987 dirigierte sie ein Jahr lang das Junge Kammerorchester Heidelberg und von 1987 bis 1992 war sie am Theater der Stadt Heidelberg als Chordirektorin und Dirigentin tätig. Am Staatstheater Kassel arbeitete sie von 1992 bis 1995 als zweite Kapellmeisterin. Hier dirigierte sie ausschließlich Musicals und Operetten, während die Kollegen Opern und Sinfoniekonzerte unter sich aufteilten. Sie bekam auch ein Sinfoniekonzert, aber nur, weil Werke von Komponistinnen auf dem Programm standen. Linda Horowitz möchte nicht auf diese Art abgestempelt werden. Sie steht für jede Art von Musik vor dem Orchester und sie möchte alles machen können, europäische und amerikanische Musik, Werke von Komponistinnen und jüdische Musik, die sie besonders liebt.
Ich besuchte Frau Horowitz an ihrer Arbeitsstätte in dem schönen Bau der Akademie für Tonkunst in der Ludwigshöhstraße.

Frau Horowitz, wie sehen Sie die Situation von Frauen in der Musik in Deutschland?

Ich denke, dass immer mehr Frauen in Deutschland im Bereich der Musik in leitende Positionen kommen. Am Theater in Freiburg gibt es eine Generalmusikdirektorin, in Hamburg und Mainz arbeiten Frauen als Dirigentinnen, in Berlin ist eine Frau Intendantin der Oper geworden. Meiner Meinung nach haben Frauen gegenwärtig die besten Chancen aller Zeiten, denn in vielen Städten will man sich offen für die Gleichberechtigung von Frauen zeigen und ernennt schon deshalb gerne eine »Vorzeigefrau«. Vielleicht haben jetzt zum ersten Mal Frauen bessere Chancen als Männer. Wenn eine Frau sich behaupten kann, stehen ihr alle Türen offen.

Haben Dirigentinnen einen anderen, einen weiblichen Stil, der sie von Männern unterscheidet?

Frauen sind oft anders als Männer und es ist Teil unserer Geschichte, dass wir Frauen eher versuchen, Probleme zu schlichten, Kompromisse zu schließen und ohne Demonstration von Macht auszukommen. Wir Frauen bringen eine andere Art Erotik auf die Bühne, das ist ein phantastisches Plus. Für das Orchester ist aber vor allem wichtig, dass eine oder einer das Handwerk beherrscht. Ich habe im übrigen erlebt, dass gerade Musikerinnen im Orchester eine Frau am Dirigentenpult besonders kritisch in den Blick nehmen. Für beide - Frau oder Mann – ist es wichtig, die Arbeit gut zu machen und authentisch zu sein.

Wie sehen Sie die Akzeptanz von Komponistinnen im Opern- und Konzertbetrieb?

Als ich anfing, wurde keine einzige Komponistin gespielt, noch nicht einmal Clara Schumann oder Fanny Hensel-Mendelsohn. Inzwischen sind bahnbrechende Forschungen über Frauen in der Musik gemacht worden und es gibt vor allem in Amerika zahlreiche Dissertationen über Komponistinnen. Ich persönlich habe immer wieder versucht, Werke von Frauen aufzuführen. Aber ich kann nicht in einer Nische bleiben und sagen, ich bin nur für Frauen da. Die Musik von Frauen muss in den normalen Konzertbetrieb integriert werden. Trotzdem ist es wichtig, dass es seit vielen Jahren Musikfestivals für Komponistinnen gibt, damit die Namen dieser Frauen in die Öffentlichkeit kommen und bekannt werden. Ich habe allerdings unlängst in einer bekannten Tageszeitung gelesen, dass in einem neu erschienenen Lexikon über Komponisten wieder so gut wie keine Frauen aufgeführt sind, noch nicht einmal so bekannte wie Fanny Hensel oder Lily Boulanger. Das ist unbegreiflich.

Als meine Tochter vor Jahren Schülerin der Akademie für Tonkunst war, war keine einzige Partitur in ihrem Lehrplan von einer Komponistin. Hat sich hier etwas verändert?

Das hat sich schon gebessert, die Studierenden spielen auch nach Partituren von Frauen und ich selbst achte darauf, dass Noten von Komponistinnen bestellt werden. Das bringt mich auf die Idee, dass ich wieder ein Komponistinnen-Konzert veranstalten könnte. Wann ist nächstes Jahr der Internationale Frauentag – richtig, am 8. März. Vielleicht könnte das etwas werden...

Mit Linda Horowitz sprach Barbara Obermüller

Literatur:
Dirigentinnen im 20. Jahrhhundert von Mascha Blankenburg
Europäische Verlagsanstalt

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