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Elizabeth Taylor in Butterfield Eight (1960)
Umschlagbild des besprochenen Buches
(Literaturangabe siehe unten)

Marie Desmares Champmeslé (1642-1698)
als Hermione in Racines Andromache (1670)
aus: Die Schauspielerin - eine Kulturgeschichte, S.78
(Literaturangabe siehe unten)

Schauspielerin - ein Beruf wie jeder andere?

Denken wir an bekannte Schau- spielerinnen, wie Marlene Dietrich, Greta Garbo, Marilyn Monroe oder Elisabeth Taylor, assoziieren wir Rampenlicht, Ruhm und Prominenz, hohe Gagen und Medienpräsenz. Das hat sich in der Vergangenheit ganz anders dargestellt, denn Frauen hatten auf der Bühne nichts zu suchen und weibliche Rollen wurden während mehr als zweitausend Jahren ausschlieülich von Männern gespielt. Auch die Kirche grenzte Frauen - wegen angeblicher Verführung zur Unzucht - für Jahrhunderte von der Schauspielerei aus. Diese Ausgrenzung galt auch später für Passionsspiele und für das Singen in der Kirche, zum Teil bis ins 18. Jahrhundert.

Anhand von Abbildungen auf antiken Vasen können wir annehmen, dass bei den Anfängen des Theaters in der Frühgeschichte Frauen beim Demeterkult oder bei Festen als Darstellerinnen und Tänzerinnen mitwirkten, aber seit der Entstehung des klassischen griechischen Theaters waren sie auf der Bühne nicht mehr präsent. Im alten Rom wurde die Schauspielerei auf Sklaven – und auch Sklavinnen – übertragen. Allerdings spielten die Frauen nicht im klassischen Drama, sondern in derben Stücken, deren Pointe die Entblöüung des Körpers war. Sie taten das nicht freiwillig, Dokumente aus dieser Zeit belegen die »Unlösbarkeitsklausel« auf Lebenszeit vor allem für schöne Sklavinnen.

Die Commedia dell'Arte in Italien in der 2. Hälfte des 16. Jahrhunderts war die Geburtsstätte der europäischen Schauspielerin. Die Öffnung der Theater in dieser Zeit als Berufsfeld für Frauen – alle anderen Kunststätten blieben ihnen weiterhin verschlossen – hing auch damit zusammen, dass die sakrale Vorherrschaft der Kirche schwächer wurde und das Theater eine geringe Reputation hatte. Schauspieler und Schauspielerinnen gehörten bis ins 18. Jahrhundert zu den »unehrlichen Leuten« und hatten in der Regel kein BürgerInnenrecht. In England wurden bis in die Mitte des 17. Jahrhunderts alle Frauenrollen ausschlieülich mit Männern besetzt, in Frankreich und Spanien ist die Mitarbeit von Schauspielerinnen schon um 1580 belegt. Die deutschen Bühnenkünstlerinnen konnten sich erst im 18. Jahrhundert etablieren, die feindliche Haltung auch der protestantischen Kirche wirkte besonders hemmend. Die Schauspielerin Catharina Elisabeth Velten, die auch die erste Prinzipalin einer Theatertruppe war, verfasste 1701 die erste deutsche Streitschrift zur Verteidigung des Theaters.

An den Fürstenhöfen lebten Schauspielerinnen zumeist als Fürstenmätressen. Manchen gelang es, Ruhm und Vermögen zu erwerben, wie Caroline Jagemann (1777-1848) in Weimar, die sich auch gegen Goethe durchsetzte, dessen Despotismus als Theaterdirektor sie verabscheute. Zahllose Namenlose spielten auf dem Marktplatz oder auf Vorstadtbühnen und lebten oft in bitterster Armut, vor allem wenn sie alt wurden. Im achtzehnten Jahrhundert leiteten einige Prinzipalinnen mit Erfolg eine Theatertruppe. Sie achteten streng auf die Wohlanständigkeit ihrer weiblichen Mitglieder. Die letzte von ihnen, Caroline Neuber (1697-1760) schrieb auch selbst Stücke.

Ende des 19. Jahrhunderts lebten Schauspielerinnen unter Bedingungen, die wir uns heute kaum mehr vorstellen können. Die Gage war erbärmlich, trotzdem musste die Schauspielerin jeden verfügbaren Pfennig für Kostüme und Friseur ausgeben. Denn das war ihre eigentliche Aufgabe in jener Zeit – sie musste elegant sein und der Mode die Richtung weisen. Den männlichen Kollegen wurden die historischen Kostüme von allen Theatern gestellt. Frauen im Theater standen deshalb stets am Rande der Prostitution. Dennoch drängten viele junge Frauen aus dem Kleinbürgertum in diesen Beruf, in der Hoffnung, ein eigenständiges Leben führen zu können und vielleicht berühmt zu werden. Erst nach der Jahrhundertwende änderte sich langsam die Situation der Schauspielerinnen, die Anschluss an die Frauenbewegung fanden. Es entstanden Kostümzentralen, in denen Kostüme für wenig Geld geliehen werden konnten.

Im 20. Jahrhundert wurde die Schauspielerin zunehmend von der Gesellschaft toleriert. In der Geschichte der Tanzkunst revolutionierte Isadora Duncan das klassische Ballett mit dem Ausdruckstanz, um den Tanz wieder auf den »heiligen Tanz der Frauen« aus vorpatriarchaler Zeit zurück zu führen. Mary Wigman folgte auf diesem Weg der kraftvollen, dynamischen Bewegungsform im Tanz.

Der Film begann seinen Siegeszug und die ersten Filmstars wurden berühmt, zunächst im Stummfilm. Während der Hitlerdiktatur in Deutschland emigrierten viele Schauspielerinnen, vor allem wenn sie Jüdinnen waren. Diejenigen die blieben, passten sich an und verkörperten das vom Staat vorgegebene Rollenbild der opferbereiten Frau, deren Emanzipation beim Mann endet. Bei dem Beruf der Schauspielerin von heute hat sich ein krasser Wandel vollzogen. Eine neue Wertung ist mit der Errichtung von Schauspielschulen eingetreten. Schauspielerinnen erhalten allerdings niedrigere Gagen als ihre männlichen Kollegen und die inszenierten Frauengestalten sind häufig das Ergebnis männlicher Weiblichkeitsprojektionen.

Zunehmend gibt es jedoch Regisseurinnen, Produzentinnen und auch Dramatikerinnen, die andere Inhalte in den Film und auf die Bühne bringen.

Barbara Obermüller

Literatur:
Die Schauspielerin – eine Kulturgeschichte, Hg Renate Möhrmann,
Insel Verlag Frankfurt/Main 2000

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