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Feindselige Frauen?

Eine Studie über die Frage, ob und warum Frauen fremdenfeindlicher sind

Frauen sind friedfertig, mitfühlend und hilfsbereit, so das klassische Idealbild. Im Kulturgut wird dieses Bild durch Mythen von mildtätigen Frauen und Stifterinnen wie der heiligen Elisabeth, Mutter Theresa oder Lady Di getragen. Die meisten Frauen glauben selbst, diesem Bild zu entsprechen. Das bestätigt auch eine aktuelle Studie: danach schätzen sie sich selbst als einfühlsamer und weichherziger ein, als Männer dies tun. Dieses positive Bild wird jedoch durch das negative Klischee getrübt, nach dem Frauen oft hinterhältig und der üblen Nachrede verdächtig sind.

Wie menschenfreundlich oder -feindlich sind Frauen jenseits dieser Stereotypen?

Mit Hilfe der GMF-Studie können unterschiedliche Verhaltensmuster im Syndrom der gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeit von Frauen im Vergleich zu Männern festgestellt werden. Aversionen und das Gefühl, von Muslimen bedroht zu sein, sind bei Frauen überdurchschnittlich ausgeprägt. Frauen sind im Ver-gleich zu Männern signifikant fremdenfeindlicher, rassistischer und islamophobischer. D.h., ihre Feindseligkeit richtet sich mehr als die von Männern gegen Ausländer, Andersfarbige und Muslime. Andererseits sind Männer antisemitischer und heterophober als Frauen. Ihre Feindseligkeit richtet sich, mehr als die von Frauen, gegen Juden, Homosexuelle und Behinderte (s. Abb. 1). Insgesamt wendet sich die Feindseligkeit von Frauen gegen Gruppen, die von außerhalb der eigenen, deutschen Gesellschaft kommen, gegen Zuwanderer und Fremde.

Eine weitere Untersuchung hat ermittelt, welche Frauen besonders feindselig sind. Unter ihnen konnte eine Gruppe ermittelt werden, die fremdenfeindlichen, rassistischen und islamophobischen Aussagen im Vergleich zu allen anderen Frauen und Männern sehr häufig zustimmen. Es sind die niedriger qualifizierten Frauen aus Ostdeutschland (ca. 6 Prozent der Bevölkerung, s. auch Abb. 2). Einiges spricht dafür, dass die Gruppe der niedriger qualifizierten ostdeutschen Frauen besonders von Desintegration bedroht und betroffen sind. Man denke nur an den dramatischen Arbeitsplatzabbau nach der Wende, unter dem besonders ostdeutsche Frauen litten. Die Langzeitarbeitslosigkeit geht ebenso zu Lasten der niedrig Qualifizierten und der ostdeutschen Frauen. Sie nimmt ihnen einen wesentlichen Anerkennungsbereich, der sie zudem in ihrem gesellschaftlichen Status drückt (Abstieg). Hinzu kommt die tiefgreifende Ungewissheit und Verunsicherung, die vom derzeitigen gesellschaftlichen »Umbau« (Umbruch) herrührt; Die Stichworte lauten: Globalisierung und Veränderung der Sozialsysteme sowie der Arbeitsmärkte.

Ob und warum Frauen fremdenfeindlicher sind, wurde bislang wenig diskutiert. Nach Meinung der Forscher spricht vieles für die These von der »Angst vorm schwarzen Mann« als Erklärung. Die Forschungsergebnisse korrigieren dies jedoch und sprechen eher für eine unkonkrete, diffuse Bedrohung durch fremde Männer. Bei den ostdeutschen Frauen kommt noch die Betonung ihres Nationalstolzes hinzu. Als Verliererinnen der Einheit richtet sich ihre Wut mehr als die anderer Frauen gegen diejenigen, die von »außen« kommen: gegen Fremde, gegen vermeintliche Konkurrenten. »Deutsch-Sein« kann ihnen immerhin niemand nehmen.

Wilhelm Heitmeyer und Beate Küpper weisen am Ende ihrer Untersuchung jedoch darauf hin, es gebe keinen Grund, einen neuen Mythos »Feindselige Frau« zu beschwören. Man müsse die Feindseligkeit von Personen immer im Zusammenhang mit ihrer sozialen Lage und der Umwelt sehen, in der sie leben. »Die Feindseligkeit von Frauen verweist darauf, dass die Umsetzung eigener Lebensentwürfe für Frauen unter den gegebenen strukturellen Bedingungen immer noch anders ist als für Männer.« D.h., Ursachen der festgestellten Defizite sind nach wie vor die ungleichen Lebensbedingungen der Geschlechter.

Ursula Geiling

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