Werden Sie auch eine

MATHILDE

Tasniem Ibrahim findet, dass das Thema Abbau von Vorurteilen die Grundlage jeder Integrationsdebatte sein müsse.

Foto: privat

Wie erfahre ich Integration?

oder

Mein persönlicher Integrationsprozess

Na ja, das ist eine für mich eher befremdliche Frage. Ich sehe nicht, dass ich mich erst zu integrieren habe, ich bin es. Ich bin nicht fremd oder neu hier, ich bin ein Teil dieser Gesellschaft und ich gehöre hierher.

Ich spreche perfekt Deutsch, Knödel sind die leckerste Beilage der Welt, ich steh‘ auf Herbert Grönemeyer, ich schau‘ für mein Leben gerne Heinz-Rühmann-Filme, Goethes Faust kenne ich fast auswendig, meinem Sohn singe ich deutsche Schlaflieder vor, usw. usw.. Ich habe lediglich Eltern ausländischer Herkunft. Wobei ich alles außerhalb Deutschlands, auch die Herkunftsländer meiner Eltern, als Ausland begreife und nicht als Heimat.

Ich bin nicht zerrissen zwischen zwei Welten, ich profitiere davon, auch andere Kulturen zu kennen als meine eigene, die deutsche, in der ich geboren und aufgewachsen bin. Es erweitert meinen Horizont, meine Kompetenzen in jeglicher Hinsicht verbessern sich, meine Erfahrungswerte steigen enorm und ich laufe mit offeneren Augen und offenerem Herzen durch die Welt. Außerdem beherrsche ich zusätzlich die arabische Sprache, die ich sonst wahrscheinlich nie erlernt hätte.

Aber ich will mich ja nicht dumm stellen, ich habe schon begriffen, dass es auch darum geht, dass ich Muslima bin und so wohl doch zu einer zu integrierenden Minderheit gehöre.
Ich unterscheide mich jedoch von der Mehrheit in äußerst wenigen Dingen: Ich bete fünfmal am Tag, faste im Ramadan, trage ein Kopftuch, esse kein Schweinefleisch und trinke keinen Alkohol.

Ansonsten habe ich Werte wie Gerechtigkeit, Nächstenliebe, Achtung und Respekt gegenüber andereren, Toleranz und Liebe verinnerlicht. Das sind aber nicht rein islamische Werte, sondern ebenso christliche, sowie auch Werte Andersgläubiger und atheistischer Mitbürger.
Sag mir doch mal bitte einer, WO ich mich integrieren soll, und WIE. Vielleicht ist das ja gerade das Problem, dass alle von Integration reden, aber keiner wirklich weiß, was er damit meint.

Ich halte gesellschaftliches Engagement für sehr wichtig, und ich versuche in meinem kleinen Rahmen, das Miteinander in dieser Gesellschaft zu fördern und zu verbessern. Deshalb engagiere ich mich auch in einem Verein, Iman Bildungs- und Freizeitzentrum muslimischer Frauen, in dem ich auch Austausch mit vielen weiteren, bereits von Geburt an integrierten, vorwiegend muslimischen Frauen finde. Wir machen uns Gedanken und Sorgen um Deutschland und wollen dazu beitragen, dass sich Muslimas ihrer Pflichten und Rechte und ihre Verantwortung als Mitglieder dieser Gesellschaft bewusst werden. Wir wollen dazu beitragen, dass Vorurteile, die, meiner Meinung nach, Ausgangspunkt jeglicher Integrationsdebatte sind, abgebaut werden.

Tasniem Ibrahim

zurück

MATHILDE