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Tenley Albright: Von den Stufen zum Skalpell

"Eiskunstlauf ist Ausdruckskunst"

    • "Wagen Sie es, anders zu sein als die anderen; bleiben Sie sich treu. Machen Sie sich keine Gedanken, was andere von Ihnen halten; denken Sie lieber darüber nach, was für Sie zählt und was Sie im Leben wagen wollen." Tenley Albright

Tenley Emma Albright wurde am 18. Juli 1935 in Newton Centre, Massachusetts, geboren. Im Alter von acht Jahren stand sie zum ersten Mal auf Kufen – auf einer zugefrorenen Fläche im Garten. Auf die Eisbahn durfte sie nur einmal im Monat, aber immer, wenn sie etwas Neues ausprobiert hatte, wollte sie es besser und besser machen. Als sie elf Jahre alt war, erkrankte sie an Kinderlähmung. Niemand wusste, ob sie je wieder laufen können würde. Noch heute erinnert sie sich an ihre Angst, als eine Gruppe von Ärzten, Schwestern und Medizinstudenten um sie herumstand, und man ihr die lange Nadel für die Rückenmarkpunktion zeigte. »Könnte jemand bitte meine Hand halten?« fragte sie. Die Leute um sie herum waren so erstaunt, dass es eine ganze Weile dauerte, bis jemand zu ihr trat. Aber Albright hat den Vorfall nie vergessen und in ihrer Zeit als Ärztin immer dafür gesorgt, dass den PatientInnen jemand zur Seite stand.

Die kleine Tenley hatte Glück und lernte wieder laufen. Das Wissen über Kinderlähmung war zu dieser Zeit noch nicht besonders groß. Ihren Eltern wurde von den Ärzten gesagt, dass andere Kinder vermutlich aus Angst vor Ansteckung nicht mehr mit ihrer Tochter spielen würden. Um die geschwächten Muskeln zu kräftigen, sollte sie die Sportart betreiben dürfen, die sie schon vor der Erkrankung am liebsten gehabt hatte: Eislaufen.

Von da an trainierte sie regelmäßig. Beim Üben einer Sitzpiroutte fiel sie so oft hin, dass sie mehrere Trainingshosen ruinierte und ihre Mutter meinte: »Warum versuchst du nicht etwas anderes?« Aber Albright gab nicht auf. »Das Gefühl, wenn man schließlich nicht mehr hinfällt und die neue Figur beherrscht, das ist so wunderbar, dass man es immer wieder spüren möchte.«

    • "Was immer du auch tun willst, tu es. Lass Dir von niemanden einreden, es sei nicht wichtig." Tenley Albright

Ihr Ehrgeiz trieb sie von Jugendwettbewerb zu Jugendwettbewerb und die Leiter des Erfolgs hinauf. Schon morgens um fünf stand sie in ihrer Schulzeit auf der Bahn, weil sie dann das Eis für sich hatte. »Wenn man eine Kleinigkeit auf dem Eis gelernt hat, will man die nächste lernen. Man macht einen vereinsinternen Test, und dann noch einen und noch einen. Und dann darf man an einem kleinen Wettbewerb teilnehmen. Und so geht das immer weiter, Schritt für Schritt.«

Mit dreizehn wurde sie zweite bei den US-Damenmeisterschaften, mit vierzehn Jugendmeisterin der USA. Die US-amerikanische Meisterschaft holte sie sich zum ersten Mal mit sechzehn. Ein Jahr später, 1952, startete sie für die USA bei den Olympischen Spielen in Oslo und gewann die Silbermedaille. 1953 wurde sie als erste Amerikanerin Weltmeisterin im Eiskunstlauf. Von 1952-1956 hatte ihre Konkurrenz im Kampf um den nationalen Meistertitel der USA im Eiskunstlaufen der Damen das Nachsehen.

Das besondere an ihren Darbietungen war, dass Albright aneinandergereihte Doppelsprünge so beherrschte, wie es zu ihrer Zeit kaum eine andere Frau und auch nur sehr wenige Männer vermochten. Die Krönung von Albrights Karriere sollte bei den Olympischen Winterspielen in Cortina d’Ampezzo folgen: Sie verletzte sich in der Vorbereitung - ein Schlittschuh hatte ihr am Knöchel die Haut und Gefäße bis auf den Knochen durchtrennt. Ihr Vater wurde eingeflogen und flickte sie wieder zusammen. Sie ging an den Start und gewann die Goldmedaille.

Albright wollte nie Eislaufprofi werden. »Eiskunstlauf ist Ausdruckskunst«, meinte sie. Jeden Abend dasselbe Programm vorzuführen, entspräche nicht ihrer Vorstellung dieser Sportart.

Mit einundzwanzig schloß Albrigt ihr Studium am Radcliffe College ab und besuchte die Medizinische Fakultät der Universität Harvard. Sie erfüllte sich nach dem Eislaufen einen zweiten Kindheitstraum und wurde Chirurgin, wie ihr Vater.

Auf die Frage, ob sie Parallelen zwischen ihrem Sport und ihrem Beruf sieht, meinte Albright in einem Interview 1991: »Zu der Zeit, als ich Wettkämpfe bestritt, liefen wir draußen. Ich wusste nie, ob ich in einem Schneesturm oder im Regen laufen würde. Ich habe gelernt, das Unerwartete zu erwarten.« Albright lebt heute in Brookline im Bundesstaat Massachusetts. Sie ist verheiratet und hat drei erwachsene Töchter.

Andrea C. Busch

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