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Walter Hoffmann

Michael Siebert

Helmut  Klett

Darmstadt vor der OberbürgermeisterIn-Wahl

Was erwartet uns Frauen? - Was wollen Sie für die Bildung tun?

Die -Redaktion hat alle männlichen Kandidaten, die sich um den Oberbürgermeister-Posten bei der Wahl im März 2005 in Darmstadt bewerben, angeschrieben und um Stellungnahme gebeten. Gefragt wurde, was ihr Programm zur »Frauenpolitik« und »Bildungspolitik« beinhaltet. Drei Antworten, von Walter Hoffmann (SPD), Michael Siebert (Fraktion »Offenes Darmstadt) und Helmut Klett (Parteilos), haben wir erhalten und in leicht verkürzter Form dargestellt. Der Kandidat der CDU, Gehrke, ließ uns - aus welchen Gründen auch immer - keine Antwort zukommen. Jörg Dillmann von »Uffbasse«, der erst kurz vor Redaktionsschluss seine Bewerbung bekannt gegeben hatte, entschuldigte sich, aus Zeitgründen keine fundierte Stellungnahme abgeben zu können. Und »mit irgendwelchem Geblubber die LeserInnen langweilen« wollte er nicht. Lesen Sie, was die Darmstädter BürgerInnen nach der Wahl im März 2005 vielleicht erwartet.

Walter Hoffmann:
»Darmstadt gemeinsam bewegen«

Für die SPD kandidiert Walter Hoffmann (51) für den Oberbürgermeister-Posten in Darmstadt. Er möchte sich nach sechs Jahren im Deutschen Bundestag für die Stadt Darmstadt und ihre BürgerInnen einsetzen. Sein Programm sieht in den Punkten »Bildung« und »Frauen« folgendes vor:

Kinder und Familien stehen im Mittelpunkt meiner Politik. Viele BürgerInnen sind erfolgreich im Beruf und möchten gleichzeitig nicht auf eine eigene Familie verzichten. Deshalb setze ich mich für mehr Betreuungsangebote für Kinder unter drei Jahren in Darmstadt ein. Ein wichtiges Ziel ist dann erreicht, wenn für alle Familien ein bedarfsgerechtes, bezahlbares Betreuungsangebot besteht. Ich möchte erreichen, dass Kindertagesstätten flexible Öffnungszeiten, Mittagsversorgung, Nachmittagsbetreuung und variable kurzfristige Zukaufstunden anbieten können, um so den heutigen Erfordernissen der berufstätigen Eltern und Alleinerziehenden bestmöglich Rechnung zu tragen.

Ich glaube, dass die Zukunft unserer Kinder und damit auch die unserer Stadt zu einem Großteil von einer guten Ausbildung unserer Kinder abhängt. Ich halte es für sehr wichtig, auch Kindern im Vorschulalter spielerisch die Möglichkeit zu eröffnen, noch mehr lernen zu dürfen. Ich unterstütze aus diesem Grund kindgerechte Fremdsprachenangebote und die stärkere Einbeziehung naturwissenschaftlicher Elemente in die Programme der Kindertagesstätten. In den Darmstädter Schulen sollen Gebäude- und Raumgestaltung, die pädagogische und technische Ausstattung und die Unterstützung freiwilliger Angebote weiter gefördert werden. Schülerinnen und Schüler brauchen Unterrichtsräume, in denen sie sich wohl fühlen und sie brauchen eine bedarfsgerechte, moderne technische Ausstattung. In unseren Schulen müssen in den nächsten Jahren die Angebote der Ganztagsbetreuung erweitert werden. Der Bund hat den Kommunen für die Jahre 2003 bis 2007 bundesweit insgesamt vier Milliarden Euro für den Auf- und Ausbau der Ganztagsschulen zur Verfügung gestellt. Mit diesen Mitteln und einer breiten Palette an Betreuungsformen und Bildungsangeboten ist es möglich, ein qualitativ hochwertiges Ganztagsangebot zu entwickeln. SchulleiterInnen, LehrerInnen, Eltern sowie die Schülerinnen und Schüler möchte ich aktiv in diesen Prozess einbeziehen. In der Schule und beim Übergang zum Beruf leistet die Schulsozialarbeit wertvolle Hilfestellung. Sie ist ein wesentlicher Baustein zur Prävention und zur Entschärfung von Konflikten in der Schule und im schulischen Umfeld. Die Schulsozialarbeit muss fortgesetzt und auf weitere Schulen in Darmstadt ausgedehnt werden.

Frauenpolitische Förderungsprogramme und Initiativen dürfen in Zeiten knapper Kassen nicht zum Spielball finanzpolitischer Entscheidungen werden. Sie haben eine wichtige gesellschaftliche Funktion, die auch in Zukunft erhalten bleiben muss. Viele der frauenpolitischen Initiativen und Förderangebote sind über mehr als zwei oder drei Jahrzehnte und mit viel ehrenamtlichem Engagement von Frauen für Frauen aufgebaut worden. Sie stellen einen wesentlichen Teil der sozialen Infrastruktur in Darmstadt dar. Daher erteile ich Kürzungen im Bereich der Frauenförderung eine klare Absage. Weitere Informationen sind unter www.walterhoffmann.de zu finden.

Michael Siebert:
»Frauen müssen mehr gefördert werden«

Die Fraktion »Offenes Darmstadt«, bestehend aus »Die Frauen«, »Liste Europa« und »OS/3« stellt Michael Siebert (56) als Kandidaten für die anstehende OB-Wahl in Darmstadt auf. Was Siebert als Oberbürgermeister im Bereich »Frauen« und »Bildung« durchsetzen möchte, stellen wir hier vor:

Die städtischen Reinigungsdienste wurden vor einigen Jahren privatisiert. Dies hat zu teilweise unwürdigen, unter Tarif bezahlten Jobs geführt, die vor allem von Frauen wahrgenommen werden. Auch die Qualität der Reinigungsleistungen hat unter dieser Entscheidung gelitten. Diese Entwicklung muss rückgängig gemacht werden und zur Einrichtung regulärer Arbeitsverhältnisse in einem städtischen Reinigungsdienst führen.

Die ab 2005 gültigen Hartz IV-Regelungen sind zwar formal geschlechterneutral, treffen aber auf bestehende unterschiedliche Beteiligungschancen von Männern und Frauen am Arbeitsmarkt. Wenn Frauen durch verschärfte Regelungen zur Anrechnung von Partnereinkommen aus dem Leistungsbezug herausfallen, besteht die konkrete Gefahr, dass sie auch aus der Arbeitsförderung fliegen. Zudem reduziert die ungute Entwicklung zur Verlängerung der Arbeitszeiten bei den Nochbeschäftigen die Chancen auf zusätzliche Beschäftigungsangebote. Demgegenüber kann in einer kommunalen Initiative genau in die Gegenrichtung – Reduzierung von Arbeitszeiten und Ausbau von Teilzeitarbeit – ein Zusatzangebot von regulären Arbeitsplätzen geschaffen werden, die insbesondere auch Frauen angeboten werden, die aus der Förderung herausgefallen sind. Der Frauenanteil ist gerade in Führungspositionen bei der Stadt gering. In jüngster Zeit gab es wenige Bestellungen von Amtsleiterinnen. Die neuen Frauen nehmen ihre Aufgaben feinfühlig und souverän wahr – eine gute Erfahrung, um auch in diesem Bereich Gleichstellung bei zukünftigen Amtsleitungsbesetzungen durchzusetzen.

Kinderbetreuung in Kitas und Horten kann noch besser auf den Bedarf berufstätiger Frauen / Eltern abgestimmt werden: flexiblere Zeiten, gegebenenfalls auch längere Angebote sowie eine Öffnung für Frauen aus dem Umland, die in Darmstadt arbeiten. Im Bereich Bildungspolitik wünsche ich mir mehr Lehrer, insbesondere für die vielen inzwischen angeschafften PCs in den Schulen oder für Ergänzungsangebote zum Lehrplan – doch das ist leider Landesangelegenheit. Ureigene Sache der Stadt ist die bauliche Ausstattung der Schulen, sind angenehme und pädagogisch anregend gestaltete Schulräume. In den zurückliegenden Jahren hat sich aber ein Sanierungsstau aufgetürmt, der selbst bei zügiger Verausgabung der zurzeit geschätzten 130 Millionen Euro erst bis 2022 abgearbeitet würde. Doch schon heute hängt die reale Investitionstätigkeit weit hinter den Eckwerten des Planes zurück (2005/06 je um rund 4 Mio. Euro).

Hier muss eine Umgewichtung der knappen Haushaltsmittel zu Lasten von überdimensionierten oder unwirksamen Prestigeprojekten wie Kongresszentrum, Bundesligastadion für die 98-er und Nordostumgehung zugunsten der Schulbaumittel durchgesetzt werden. Kommunal kann auch der Landespolitik einer frühzeitigen Selektion von Schülerinnen und Schülern durch die Gestaltung der Schultypen entgegen gewirkt werden. Darüber hinaus sind Ganztagsschulen auszubauen, von denen nicht nur die Lernenden, sondern insbesondere auch berufstätige Frauen profitieren. E-mail: operate@os-3.de

Helmut Klett:
»Quotenfrauen sollten eigentlich begraben werden«

Helmut Klett, Freiberuflicher Architekt, tritt ohne Mitarbeiterstab oder Partei zur Oberbürgermeister-Wahl im März 2005 an. Seine Gedanken und Vorstellungen zur »Frauenpolitik« gründen sich nach eigener Aussage auf Lebenserfahrung, Medienberichte, Schriften und Diskussionen mit Menschen aus seinem Umfeld:

Die Frauenbewegung stellt nunmehr eine konkrete politische Macht dar. Eine beliebte Männerstrategie ist es, Frauen nach außen hin aus Angst vor Wählerverlusten Recht zu geben, innerlich aber keineswegs davon überzeugt zu sein und deshalb konkret etwas völlig anderes zu machen. Die Frauenbeauftragte, die inzwischen zu einer Personalentscheidungsmacht geworden ist, halte ich zum Beispiel nicht mehr für zeitgemäß. Die Frauen sind inzwischen so selbstbewusst und zielstrebig, dass die »Quotenfrau« mit all ihrem negativen Image eigentlich begraben werden sollte. Meine Hoffnung, dass mit der Frauenbewegung sich eine echte und vielleicht gar revolutionäre Gegenbewegung zum Patriarchat mit neu definiertem sozialem Wertesystem in unserem Land etabliert, hat sich nicht erfüllt. Vielmehr sehe ich eher eine Adaption dieser Werte mit der Intention, daran gleichwertig teilhaben oder davon profitieren zu können. Die wahren Probleme liegen heute zunehmend in der Verarmung von Familien und alleinerziehenden Müttern. Frauenbüros als Beratungsstelle für Hilfesuchende sind in unserer derzeitigen gesellschaftlichen Verfassung unentbehrlich. Eine volkswirtschaftliche und soziologische Analyse über das »Warum« und wie das eventuell zu ändern wäre, würde aber den Rahmen dieser Ausführungen sprengen. Nur so viel, in einer Gesellschaft, in der ein Werbespruch wie »Geiz ist geil« = »Habgier ist toll« derartig erfolgreich ist, muss etwas faul sein.

Ein weitere riesige Aufgabe ist die Integration und gleichzeitig der Schutz von hier lebenden Mädchen vor ihren »Patriarchen«, Mädchen also, die aus einem anderen Kulturkreis kommen oder entsprechend dieser Kultur erzogen wurden und werden. Ernsthaft würde ich auch über ein Kopftuchverbot für Mädchen bis 16 nachdenken. Diese Kleidung steht nun einmal für eine gewisse Geisteshaltung. Ob junge Mädchen die Reife der Selbstbestimmung hierüber besitzen, wage ich zu bezweifeln. Vielmehr werden sie dadurch stigmatisiert und es bleibt ihnen aus Gründen der Selbstachtung fast nichts anderes übrig als dieses Kleidungsstück »freiwillig« zu tragen.

Gewalt gegen Frauen, Kinder (und Männer) gibt es sicher immer – und wir werden das auch nicht abstellen können. Wir können diese Gewalt durch Gesetze etwas zähmen und die Auswirkungen durch entsprechende Einrichtungen mildern. Deshalb sind Frauenhäuser eine unverzichtbare Einrichtung. So weit wie möglich würde ich aber Regressforderungen für die Unterbringung an die Verursacher stellen.

Was ist mit den berufstätigen Frauen, Kindergarten- und Ganztagsbetreuung, höre ich Sie fragen. Sie wissen alle, dass wir eine mehr als angespannte Haushaltslage haben und Prioritäten gesetzt werden müssen. Versprechungen sind leicht zu machen, die Realisierung ist schnell wegen Geldmangel vom Tisch gewischt. Bei Kindergarten- und Ganztagsbetreuung stecken wir ja schon tief in der Bildungspolitik.

Bildung ist eine unverzichtbare Grundlage jeder zivilen Gesellschaft, in einer Demokratie erst recht und muss allen zugänglich sein. Die Einflussmöglichkeiten eines OB im Bildungsbereich sind relativ gering. Sicher ist, dass die Kindergartenbetreuung und das dort Vermittelte verbessert werden muss. Da bin ich ganz klar für Staffelbeiträge, je nach Einkommen und Lebenssituation von null auf einen erklecklichen Betrag. Zu bedenken gebe ich jedenfalls den Befürwortern der Ganztagesschule, ob wir nicht hier den Müttern und Vätern eine ungeheure Einflussgröße auf die individuelle Erziehung aus der Hand nehmen und eine staatliche Einheitserziehung mit all ihren Gefahren bekommen. Die Ganztagesbetreuung sollte freiwillig sein und sich als Muss möglicherweise an den Leistungen und am Verhalten der Schüler orientieren. Eventuell wäre ein Weg auch die Einbeziehung von Sportvereinen und Hobbyclubs, um eine nahezu ganztägige Betreuung wenigstens anbieten zu können. Jedenfalls glaube ich nicht, dass unsere Erziehung und Bildung sich automatisch mit mehr Geld hineinpumpen verbessert, die Qualität muss stimmen.

Als Architekt habe ich gelernt, komplexe bauliche, technische und soziale Zusammenhänge schnell zu erfassen. Ich denke, das wird mir auch helfen, die Aufgaben eines OB im Interesse aller Bürger wahrzunehmen. Allwissend bin ich nicht, aber jederzeit bereit dazuzulernen. Unter helmut.klett@web.de können Sie mich erreichen:

Helge Ebbmeyer / Susanne Kagerbauer

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