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Fotos: Susanne Kagerbauer

Eine frauengerechte Stadt ist eine menschengerechte Stadt

Daniela Wagner (47), von der Partei »Die Grünen«, Magistratsmitglied und Dezernentin der Stadt Darmstadt mit den Zuständigkeiten Schule, Wohnungswirtschaft, Frauen, Interkulturelle Angelegenheiten und Umwelt, kandidiert für die Wahl im März 2005 als Oberbürger-meisterin der Stadt Darmstadt. Wagner wurde 1985 erstmals in die Stadtverordnetenversammlung und 1987 in den Hessischen Landtag gewählt. Seit 1994 gehört die Oberbürgermeister-Kandidatin dem Darmstädter Magistrat an. Zu dem, was sie als potenzielle Oberbürgermeisterin im Bereich Frauen und Bildung umsetzen will, wurde Daniela Wagner befragt.

 

In bisher veröffentlichten Pressemeldungen zu Ihren Plänen, die Sie als Oberbürgermeisterin umsetzen möchten, haben wir nichts zum Stichwort Frauen gefunden.

Das liegt daran, dass die Presse nur Auszüge aus einer Rede veröffentlicht und dabei Frauenangelegenheit außer Acht gelassen hat. Natürlich ist ein Schwerpunkt meiner Arbeit der Bereich Frauen. Ich halte es da mit der früheren Leiterin des Frauenbüros, Traudl Baur, die einmal sagte: »Eine frauengerechte Stadt ist eine menschengerechte Stadt«. Also setze ich mich für eine frauengerechte Stadt ein, das fängt bei Frauen-Parkplätzen oder Wickelräumen an und geht über frauengerechtes Wohnen bis in die städtische Wirtschaftspolitik.

Können Sie das konkretisieren. Seit 1994 gehören Frauenangelegenheit zu Ihrem Bereich, was wurde seitdem umgesetzt?

In der Vergangenheit gab es eine eher männlich geprägte Stadtplanungspolitik, das bezeichne ich als eine »Politik durch die Windschutzscheibe«. Ich habe mich sehr im Bereich »Mobilitätspolitik« für Frauen eingesetzt. Das heißt, der ÖPNV-Verkehr wurde sehr gestärkt, da Untersuchungen ergeben haben, dass die Hauptnutzergruppe von öffentlichen Verkehrsmitteln Frauen sind.
Einen Erfolg kann ich auch bei der Obdachlosen-Unterbringung verzeichnen. Auf meine Anstrengungen hin wurden 1998 Extra-Unterkünfte für obdachlose Frauen eingerichtet. Frauen verstecken im Gegensatz zu Männern eher ihre Obdachlosigkeit, verschaffen sich Schlafmöglichkeiten durch Wohnungs-Prostitution. Das heißt, sie gehen mit Männern in deren Wohnungen und bezahlen für die Übernachtung mit ihrem Körper. Die Unterkunft mit 15 Plätzen für obdachlose Frauen wird vom Diakonischen Werk betreut, das auch begleitende Angebote für die Frauen macht. Die Einrichtung hat sich bewährt, die Frauen nehmen die Angebote an. Sie stabilisieren sich, haben zum Teil wieder eigene Wohnungen und Arbeitsstellen.

Haben Sie dazu Zahlen, wieviele obdachlose Frauen gibt es in Darmstadt und Umgebung?

Die offiziellen Zahlen sprechen von etwa 120 Obdachlosen, von denen etwa 20 Prozent Frauen sind. Die Dunkelziffer dürfte aber nochmal 120 obdachlose Menschen betragen.
Übrigens sind die Aufwendungen für Obdachlose »Freiwillige Leistungen« der Stadt, keine gesetzlich vorgeschriebenen. Und ich bin eine derjenigen, die den Bereich Freiwillige Leistungen in dieser Stadt sehr erwei-tert hat. Das Regierungspräsidium sieht das nicht gerne, es würde lieber auf dem Gebiet einiges einsparen.

Welche Projekte haben Sie in den vergangenen Jahren noch realisiert?

Ganz viel wurde auch beim »Interkulturellen Büro« in Gang gesetzt. Dies ist nebenbei ebenfalls eine freiwillige Leistung und nicht durch Gesetz abgesichert. Wir haben uns sehr angestrengt, Frauen und speziell ältere Frauen aus anderen Kulturkreisen aus ihrer Isolation zu holen. Zu diesem Zweck wurde der eingetragene Verein »Magnolia« gegründet, der von der Stadt gefördert wird. Magnolia bietet unter anderem Sprachkurse und Beratungen für Frauen aus anderen Kulturkreisen an.
Wir haben viel für frauengerechtes Wohnen getan durch verschiedene alternative Wohnprojekte, die beispielsweise in Kranichstein entstanden sind. Wohnungen für alleinerziehende Mütter oder ältere Frauen.
Heute ist ein Beitrag im Darmstädter Echo darüber erschienen, dass die FDP-Fraktion angesichts leerer Stadtkassen einen Streichungskatalog vorgelegt hat. Für verzichtbar werden das Interkulturelle Büro, das Seniorenbüro und das »Frauenbüro« gehalten!
Gerade das Frauenbüro streichen zu wollen ist lächerlich, denn das ist nach dem Gesetz gar nicht möglich. Im Gegensatz zu den freiwilligen Leistungen ist das Frauenbüro durch das Gleichstellungsgesetz abgesichert. Und zu sparen gibt es dort auch nichts, denn das Darmstädter Frauenbüro ist vom personellen Stand her am unteren Limit.

Was ist mit den Frauenprojekten in Darmstadt, denen Roland Koch die Landesmittel gestrichen hat? Können Sie da etwas tun?

Das ist ein großes Problem, im städtischen Etat fehlen 2005 rund 100 Millionen Euro. Wir sind vom Regie-rungspräsidium angewiesen, den Haushalt zu konsolidieren. Die Stadt Darmstadt kann nicht alles übernehmen. 56 Prozent der Frauen, die sich an Sefo und Wildwasser wenden, kommen aus dem Landkreis. Dann müsste der Haushalt so gestaltet sein, dass die Verluste im städtischen Etat durch Landesmittel ausgeglichen werden.

Aber zu Ihrem Bereich gehört doch auch die Bildung und gerade das Sefo verbindet Frauenarbeit mit Bildungsarbeit!

Wir haben das Sefo schon im Auge. Ich möchte das Sefo gerne bei der Wirtschaftsförderung/Beschäftigungsförderung und bei frauenfreundlichen Arbeitsplätzen mit einbinden. Betreuung, Bildung, Erziehung, Frauen, das sind meine Kernkompetenzen, darauf will ich mich konzentrieren.

Wie soll das gehen, wenn es so an Geld mangelt?

Ich setze viel Hoffnung auf Hartz IV. Die freiwerdenden Gelder aus der Sozialhilfe können in einem langsamen Prozess umgelenkt werden in den Bereich Betreuung. Es gibt jetzt das »Tagesbetreuungsausbaugesetz«, das beinhaltet, dass zum Beispiel niemand davon abgehalten werden darf, eine Arbeitsstelle anzunehmen, weil er Kinder erziehen muss.
Glücklicherweise haben wir in Darmstadt schon eine sehr gute Deckung, das heißt ein vergleichsweise dichtes und auch vielfältiges Netz an Kinder-Betreuungseinrichtungen. Der Versorgungsgrad liegt bei den unter Dreijährigen bei etwa 7,4 Prozent, den 3- bis 6,5jährigen bei etwa 92,9 Prozent und bei den 6,5- bis 12jährigen bei etwa 17,7 Prozent im gesamtstädtischen Durchschnitt. Es ist geplant, dass der Bauverein vier weitere Kitas baut, die die Stadt dann anmietet. Das wurde von mir als zuständige Dezernentin und Mitglied im Vorsitz des Bauvereines beeinflusst.
Die wichtigsten Ziele sind aus meiner Sicht die enge Verzahnung von Bildungs- und Betreuungsangeboten. Das bedeutet für eine Oberbürger-meisterin beispielsweise, innovative Unternehmen nach Darmstadt zu locken und anzusiedeln. Innovative Firmen, die im Bereich der Umwelttechnik und der Ressourceneinsparung tätig sind. Dazu muss die Stadt natürlich attraktive Standortvorteile bieten. Das ist kommunale Wirtschaftsförderung.

Was kann die kommunale Wirtschaftsförderung für Frauen tun?

Eben wenn sie innovative Unternehmen nach Darmstadt holen kann, die bereit sind, frauenfreundliche Arbeitsplätze anzubieten. Das kann wiederum junge Familien nach Darmstadt ziehen, die sich dann hier niederlassen und Steuern zahlen. Die Stadt muss dann dafür sorgen, dass attraktive Wohnmöglichkeiten und ein attraktives Wohnumfeld geschaffen werden.

Was tun Sie im Bereich Bildung?

Bildung ist eigentlich keine kommunale Aufgabe, Bildung und Schule sind Landesaufgaben, die Stadt ist nur der Träger. Wir haben ein sechs Millionen schweres Schulsanierungsprogramm begonnen, die Altlastensanierung an den Schulen wurde abgeschlossen.
Wir versuchen weiter wiederum im Rahmen Freiwilliger Leistungen etwas zu tun. Und ich kann mit Stolz sagen, das, was wir tun, ist alles auf meinem Mist gewachsen. Vor drei Jahren haben wir das Programm »Familienfreundliche Schule« für elf Schulen, für die wir 250.000 Euro im Jahr bereitstellen, gestartet. Das sind Investitionen für die Zukunft, für Schulen mit Ganztagsbetreuung. Das bedeutet Schulsozialarbeit, Nachmittagsangebote in der Schule zur Entlastung der Familie, Ganztagsangebote nach Maß an allen weiterführenden Schulen. Es gibt eine Verzahnung mit Musikschulen oder Sportvereinen, Angebote, die die SchülerInnen nach dem Unterricht wahrnehmen können. Wir widmen den SchülerInnen mehr Zuwendungen, mehr Aufmerksamkeit.

Gibt es weitere Pläne bei der Bildung?

Ja, ich engagiere mich für eine Internationale Vorschule, Internationale Kindertagesstätte und Internationale Schule. Die Internationale Schule soll in eine bestehende Schule integriert werden und ich denke da an die Lichtenbergschule.
Bei all den Vorhaben und Projekten schwebt mir vor, den Menschen mehr Zeit für andere Dinge zu geben, mehr Angebote für eine menschengerechte Stadt machen zu können. Das ist aber auch nur möglich, wenn die Mittel dafür da sind, die Stadt mehr Einnahmen hat. Früher gehörte die Stadt Darmstadt nach dem Länderverteilungsschlüssel zu den »Gebenden«. Rückzahlungen an die Telekom und für Abwassergebühren haben sie jetzt zu einer »Nehmenden« gemacht.
Ich kann versichern, dass ich auch in Zukunft für die vielen Freiwilligen Leistungen, die ich in Gang gebracht habe, kämpfen werde. Ich wurde von den »Grünen« für den Oberbürgermeisterposten nominiert, ich kandidiere für die Grünen und ich möchte eine Oberbürgermeisterin für alle BürgerInnen dieser Stadt sein.

Susanne Kagerbauer und Helge Ebbmeyer haben das Interview geführt.

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