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Christel Sprößler, Bürgermeisterin der Gemeinde Roßdorf

Foto: privat

»Zuhören, verstehen, handeln«

 

Unter diesem Motto kümmert sich Christel Sprößler (Jahrgang 1968) seit dem 1. Oktober 2003 als Bürgermeisterin um die Belange der Gemeinde Roßdorf.

 

Frau Sprößler, Ihr beruflicher Werdegang begann ja in der freien Wirtschaft. Wie kamen Sie zur Politik, gab es da ein einschneidendes Erlebnis?

Nein, das war eher ein schleichender Prozess. Ich bin vor ungefähr zehn Jahren von unserem damaligen Bür-germeister Alfred Jakoubek angesprochen worden, ob ich mir vorstellen könnte, in der Politik aktiv zu werden und in die SPD einzutreten. Und mit dem Eintritt in die Partei kamen dann immer weitere Anfragen. Es wurden damals junge Frauen gesucht, die sich politisch engagieren wollten, und so kam ich in die Gemeindevertretung. Ich fühlte mich als junge Frau sehr geehrt, dass man mich fragte, und sah es als meine Bürgerpflicht an, mich einzubringen. So arbeitete ich mich nach und nach in die Politik ein. Ich übernahm dann das Amt als Vorsitzende für den Ausschuss Sport, Kultur und Soziales. Mit dem Ende der Amtszeit unseres Bürgermeisters Manfred Pfeiffer wusste ich, wenn man mich fragt, ob ich für das Amt zur Verfügung stehe, würde ich sofort „Ja“ sagen. Es erschien mir die per-fekte Kombination von beruflicher Herausforderung und gesellschaftlichem privaten Engagement. Während meiner Arbeit in der freien Wirtschaft engagierte ich mich in meiner Freizeit in der Politik und führte einen Verein (Frau Sprößler spielt Akkordeon aus Leidenschaft und ist Vorsitzende des Vereins, Anm. d. Red.). Mit dem Amt der Bürgermeisterin konnte ich alles miteinander verbinden.

Frau Sprößler, Sie sind mit 36 Jahren Bürgermeisterin. Würden Sie sich als wagemutig bezeichnen?

Ja, es ist mutig, nicht waghalsig, aber wagemutig! Aus einer solchen Position brauchst du Stärke, Kraft und Mut für unkonventionelle Entscheidungen, um ab und zu in andere Rich-tungen zu denken, ohne Rücksicht auf persönliches Ansehen Dinge anzusprechen und voranzubringen. Wenn du nicht mutig bist, wirst du als Bürgermeisterin kein Profil entwickeln. Als ich mich zur Wahl stellte, empfand ich mich gar nicht als mutig, erst im Lau-fe der Zeit wurde mir klar, was diese Entscheidung wirklich bedeutete. Aber ich würde mich wieder so entscheiden.

Helfen Ihnen Ihre Ausbildung und die Erfahrung in der freien Wirtschaft bei Ihren jetzigen Aufgaben als Bürgermeisterin?

Ja, absolut! Ich habe jeden Tag unterschiedliche Dinge zu tun. Ich muss konzeptionell und konsequent arbeiten und täglich ein hohes Pensum erledigen. Ich achte sehr darauf, dass nichts liegen bleibt. Denn wenn etwas bei mir liegen bleibt, dann stockt die ganze Verwaltung. Ich möchte ein hohes Tempo fahren und dafür kommt mir meine frühere Tätigkeit zugute. Und dass ich nicht aus der Verwaltung komme, ist kein Nachteil. Im Gegenteil, das ganze Rathaus ist voll von kompetenten Verwaltungsleuten. Meine Aufgabe ist, die Gemeinde voranzubringen und meine MitarbeiterInnen müssen mich dabei unterstützen und darauf achten, dass ich mich im Rahmen der Möglichkeiten befinde.

Was bedeutet für Sie erfolgreich zu sein als Bürgermeisterin?

Erfolgreich zu sein bedeutet für mich, Entscheidungen herbeizuführen, die von einer großen Mehrheit getragen werden, und kontinuierlich um die beste Lösung zu ringen. Ich möchte, dass wir immer wieder die Dinge, die wir tun, auf den Prüfstein stellen. Ein Beispiel: Vor zwanzig Jahren wurde in Rossdorf der Jugendclub ins Leben gerufen. Das war zur damaligen Zeit eine sehr innovative Einrichtung und nur wenige Gemeinden konnten etwas Ähnliches aufweisen. Wenn wir aber nicht stetig über-prüfen, ob das Konzept von damals immer noch das richtige ist, dann sind wir irgendwann nicht mehr die Num-mer eins. Wir dürfen nicht stillstehen, wir müssen uns weiterentwickeln mit den Möglichkeiten, die uns zur Ver-fügung stehen. Das zu erreichen, mit einer großen Übereinstimmung in der Politik und bei den Menschen, das bedeutet für mich Erfolg.

Frau Sprößler, wie überprüfen Sie Ihren Erfolg?

Ich bin sehr aufmerksam und verfüge über sehr sensible Antennen. Ich glaube, das sind typisch weibliche Eigenschaften, die mir da sehr zugute kommen. Wenn ich eine Idee habe, dann beschäftige ich mich sehr lange damit. Ich spreche über meine Gedanken in unterschiedlichen Situationen und bekomme von den Menschen Rückmeldungen. Diese Anregungen nehme ich auf und interpretiere sie für mich. Außerdem versuche ich bei Entscheidungen, andere mit einzubeziehen, die Betroffenen mit ins Boot zu holen und so dazu beizutragen, dass Entscheidungen von allen getragen werden. Ich sehe es als politische Aufgabe, die jeweiligen Zielgruppen mit einzubeziehen und im Vorfeld Meinungen einzuholen. Ich frage und höre hin. Es geht mir darum, dass wir uns die Dinge genau ansehen und dass wir dann gemeinsam, unter Abwägung aller Information, die wir zur Verfügung haben, die beste Entscheidung treffen.

Wo liegen Ihre Stärken?

Eine meiner Stärken ist sicher, dass ich sehr diszipliniert bin. Ich bereite mich immer gut vor, schaffe mein tägliches Arbeitspensum und versuche, alle Fragen schon im Vorfeld zu beantworten. Außerdem kann ich gut mit Menschen umgehen.

Frau Sprößler, Ihr Arbeitsgebiet ist sehr umfangreich. Wie gehen Sie an diese unterschiedlichen Aufgaben heran, gerade auch in den Bereichen, die fremd für Sie sind?

Ja, das ist natürlich am Anfang schwierig! Fragen, fragen, fragen! Ich hatte durch Unterstützung meines Arbeitgebers die Möglichkeit, ein halbes Jahr vor Amtsantritt alle Bereiche genau kennen zu lernen. Ich saß bei allen MitarbeiterInnen in der Verwaltung mit am Schreibtisch, hospitierte bei den Bürgermeisterkollegen in der Region, besuchte Seminare und machte eine Ausbildung zur Standesbeamtin. Ich habe versucht, mich möglichst breit im Vorfeld aufzubauen, denn mir war klar: wenn ich auf dem Stuhl sitze, muss ich wissen, was los ist. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass ich nur mit Kompetenz die Anerkennung bekomme, die ich mir wünsche. Als Bürgermeisterin habe ich drei Berufe - Verwaltungschefin, Repräsentantin nach Innen und Außen und schließlich Politikerin. Intensiv vorbereiten musste ich mich nur auf den ersten, denn die Verwaltung musste ich kennenlernen, und das habe ich gemacht und mir große Anerkennung dafür erworben.

Eine Ihrer beruflichen Aufgaben ist die Politik. Gender Mainstreaming ist aktuell politisch in aller Munde. Ist das ein Thema in der Gemeindepolitik?

Nein, bisher wurde keine politische Entscheidung darüber getroffen. Wir haben das Selbstverständnis, ohnehin danach zu leben. Es wurde darüber diskutiert, ob es als notwendig anzusehen ist, Gender Mainstreaming als Grundsatz all unserer Entscheidungen einzubinden. Ob eine politische Ent-scheidung dazu nötig ist oder ob wir es tun, weil wir es für richtig halten. Dadurch, dass ich als Frau auf dem Bürgermeisterstuhl sitze und es auch in allen anderen Bereichen sehr enga-gierte Frauen gibt, fühlen wir uns sehr gut vertreten. Wir versuchen natürlich, alle Entscheidungen, die wir treffen auch daraufhin zu überprüfen, ob sie im Sinne des Gleichbehandlungsgedankens tragfähig sind oder nicht. Eine politische Grundsatzentscheidung, wie sie in anderen Gemeindevertretungen getroffen wurde, haben wir für uns als nicht notwendig erachtet. Wir hatten in der Vergangenheit einen sehr engagierten Agenda-Prozess, der sich auch in Zukunft fortsetzt, und da wurde und wird auf Gleichberechtigung und Gleichbehandlung geachtet.

Frau Sprößler, bei Ihren vielfäligen Aufgaben und Verpflichtungen, bleibt da noch Zeit fürs Private?

Die Zeit habe ich mehr als vorher. Ich arbeite am Ort, bin ausgeglichener als früher und habe mehr Spaß am Leben. Ich bekomme gute Rückmeldungen, die ganz wichtig für mich sind. Meine freie Zeit ist nicht regelmäßig, ich habe ganz unterschiedliche freie Phasen und entsprechend ist der Lebensrhythmus angepasst. Außerdem habe ich die Freiheit, nach eigener Entscheidung nach Hause zu gehen; ich bin meine eigene Herrin. Ich empfinde es als deutliche Verbesserung, denn wenn ich zu Hause bin, bin ich fertig und habe nicht noch tausend Verpflichtungen.

Sprechen Sie mit Ihrem Mann über Ihre Arbeit, besprechen Sie anstehende Entscheidungen?

Ich spreche mit meinem Mann, um die Dinge zu verarbeiten. Mein Mann ist Physiker und denkt sehr analytisch. Ich bin eher ein emotional gesteuerter Mensch. Durch den Austausch bekomme ich noch einen anderen Blick auf die Dinge, und das ist sehr gut.

Zum Abschluss die Frage: Wo liegen Ihre beruflichen Ziele in der Zukunft?

Ich fühle mich wohl, wo ich bin. Bürgermeisterin zu werden war für mich die beste Entscheidung, die ich treffen konnte. Ich bin froh, dass ich es geschafft habe. Hier möchte ich bleiben, denn meine Arbeit macht mir Spaß.

Das Interview mit Christel Sprößler führte Heidi Schwab

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