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Silke Lautenschläger, geboren 1968 in Darmstadt, studierte Rechtswissenschaft an der Universität Mainz und arbeitete bis 2001 als Rechtsanwältin.
Ihre politische Karriere begann sie 1993 als Kreisvorsitzende der Jungen Union Darmstadt-Dieburg.
Im April 1999 wurde sie Mitglied des Hessischen Landtags.
Die Hessische Sozialministerin (seit August 2001) ist verheiratet, hat zwei Kinder und lebt mit ihrer Familie in Modautal/Odenwald.

 

Silke Lautenschläger, Dicke Kinder, Fischer Taschenbuch Verlag, ISBN 3-596-16512-1, ca. 7,90 €

Hessen in der "Fettkrise"? Dicke Kinder müssen nicht sein!

Silke Lautenschläger, geboren 1968 in Darmstadt, studierte Rechtswissenschaft an der Universität Mainz und arbeitete bis 2001 als Rechtsanwältin. Ihre politische Karriere begann sie 1993 als Kreisvorsitzende der Jungen Union Darmstadt-Dieburg. Im April 1999 wurde sie Mitglied des Hessischen Landtags. Die Hessische Sozialministerin (seit August 2001) ist verheiratet, hat zwei Kinder und lebt mit ihrer Familie in Modautal/Odenwald.

 

Silke Lautenschläger im Interview über ihr neues Buch: Dicke Kinder. Auf die Pfunde - fertig - los!

Was hat Sie veranlasst, den Ratgeber: »Die dicken Kinder« zuschreiben?

Wir machen ja jedes Jahr die Schuleingangs-Untersuchungen, und ich bin oft in Kindergärten unterwegs. Die Daten zeigen eben, dass Adipositas, also auch Fettsucht, inzwischen bei Kindern immer mehr zunimmt. Wir haben Nachricht, dass der Altersdiabetes, der so heißt, weil er eben früher nur ältere Menschen betroffen hat, immer stärker bei Kindern auftritt. Da habe ich mich dann entschieden, in Ge-sprächen, natürlich auch mit einem Verlag, dass man versuchen muss, das Thema Ernährung, Bewegung, Essen, überhaupt: »Wie gehen wir damit um?«, wieder stärker in den Mittelpunkt zu rücken.

Ist das nicht Sache der Eltern, der mündigen Bürger? Warum diese Einmischung der Politik in die Privatsphäre der Bürger?

Es geht da überhaupt nicht um Einmischung, sondern es ist ja eine Frage, wie geht man damit um, wie rücken wir es ins Bewusstsein? Nehmen wir es hin, dass gerade Kinder schon so frühzeitig Gesund-heitsschäden haben? Gerade wenn man mit Kindern spricht, die Adipositas haben, dann sieht man, dass die auch eine ganze Menge Probleme haben, sich alleine fühlen, psychologisch alleine in der Klasse sind, Druck ausgesetzt sind. Also ist das schon ein gesamtgesellschaftliches Thema, das sich aber tatsächlich überall wieder verankern muss. Das ist das Wichtige: wir machen keine Vorschriften.

Warum wird der veränderte Lebensstil wichtig für die öffentliche Debatte?

Haben wir in Hessen spezielle Probleme? Wir haben in Hessen keine speziellen Probleme. Aber wir sehen zum Beispiel, dass es im Bereich der Migranten deutlich mehr Kinder mit Adipositas gibt. Ich den-ke, man soll sich um ein Problem kümmern. Deswegen ist es mir wichtig, dass in der breiten Öffentlichkeit das Thema bewusst wird.

Sie haben es schon angesprochen: welche Schichten sind beim Blick auf die Familiensituation besonders betroffen?

Insgesamt ist es unterschiedlich. Aber z.B. Migranten sind nochmals besonders betroffen. Wir sehen natürlich insgesamt im Kindergarten, dass die motorischen Fähigkeiten schon nachlassen. Das hat jetzt nicht nur etwas mit Übergewicht zu tun, sondern die Frage von Bewegung, von Koordination, Bildung und so weiter spielt natürlich überall dort schon eine ganz ent-scheidende Rolle. Das muss man deshalb auch sehr breit angehen um zu versuchen, auf der einen Seite die Eltern zu erreichen in den Einrichtungen, aber auch noch Aufklärungsarbeit zu machen, z.B. mit den Krankenkassen.

Warum werden Kinder - wie Erwachsene dicker? Was sind die Ursachen?

Es sind sicherlich eine ganze Menge von Ursachen, vielleicht auch der fortgeschrittene Wohlstand, dass man irgend-wann nicht mehr auf normale Produkte gesetzt hat, die Grundnahrungsmittel selbst nicht mehr verwendet, sondern dass es jetzt vieles fertig gibt. Aber auch der Fernsehkonsum hat deutlich zugenommen.

Kann man die Ursachen abstellen?

Abstellen nun gerade nicht. Da kann man sich nicht einmischen, sondern kann nur darüber reden und Empfehlungen ge-ben und Menschen nicht damit allein lassen.

Wie wollen Sie Eltern und Kinder motivieren, gesünder zu essen? Wie wollen Sie diese erreichen?

Also bei den Kindern ist es ganz spannend. Die wollen gar nicht gesund essen, die wollen, dass es ihnen schmeckt und Freude macht. Wenn wir jetzt momentan in die Kindergärten mit unserer Kampagne »Durch dick und dünn« gehen, haben wir Ernährungsberater mit, die einfach mit den Kindern ein Frühstück zubereiten, mit Gemüse, mit Obst, mit Teig, woraus Bröt-chen gebacken werden. Dann denken die Kinder keine fünf Minuten über Gesundheit nach, sondern es macht ihnen Spaß, sie raten mit und sagen, was ist denn das? Wie können wir das machen? Und ich glaube, diese Freude am Erleben muss man erwecken und - dann schmeckt es auch.

Es gibt in Ihrem Buch auch »gesunde« Rezeptvorschläge und Ratschläge. Wie wollen Sie aber ärmere Familien, das ist ja die Zielgruppe, wie wollen Sie Familien mit Migrationshintergrund erreichen?

Da gehört immer wieder die Ansprache dazu. Man muss immer wieder bewusst machen, dass Fast Food zu konsumieren teurer ist, als Grundnahrungsmittel selbst zu verwenden. Es ist nicht der billigere Weg, Fertigsuppen zu kaufen und es nicht mehr selber machen oder nur noch von Fast food zu leben. Es sind natürlich immer ganz viele Bereiche gefragt: Kann die Erzieherin im Kindergarten die Eltern erreichen, kann sie ihnen Hinweise geben? Bekommen die Kinder überhaupt ein richtiges Essen mit in den Kindergarten? Ist es etwas, wo gesund drauf steht, aber nichts Gesundes drin ist? Das sind so Kleinigkeiten, wo man an jeder Stelle arbeiten muss. Im übrigen macht die Türkisch-Deutsche Gesundheitsstiftung, die ihren Sitz in Hessen hat, eine Aufklärungskampagne, bei der ich die Schirmherrschaft übernommen habe, so dass dort Migranten selbst untereinander in Kontakt treten. Wir brauchen viele mit im Boot.

Das Interview führte Uschi Geiling

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