Werden Sie auch eine

MATHILDE

Mit der Wut kam der Mut

Interview mit der Stadtverordneten Barbara Obermüller

Barbara Obermüller (67) ist Mitbegründerin des Kreisverbandes Darmstadt der Feministischen Partei DIE FRAUEN und sitzt als einzige Vertreterin ihrer Partei in der Stadtverordnetenversammlung der Stadt Darmstadt.

Was hat dich denn bewogen, Barbara, politisch aktiv zu werden und dich in die Turbulenzen der Kommunalpolitik zu stürzen?

1992 fing ich an, bei der MATHILDE mitzuarbeiten. Das war mein erster Schritt, mich für die Interessen von Frauen einzusetzen. Politisch interessiert war ich schon immer, aber es fehlte mir der Mut, mich aktiv zu beteiligen. Als im Anschluss an den Frauenstreik 1994 die Feministische Partei DIE FRAUEN einen Gründungsaufruf herausgab, fuhr ich nach Kassel zum Gründungsakt.

Aber das war ja immer noch keine aktive politische Beteiligung. Wie ging es dann weiter?

Ich beobachtete nun natürlich noch aufmerksamer das politische Geschehen in Darmstadt und musste feststellen, dass quer durch alle Parteien die Frauenpolitik nur als Randthema behandelt wurde. Das machte mich richtig wütend, und aus dieser Wut heraus entschloss ich mich mitzumachen, als ein Jahr später der Kreisverband Darmstadt gegündet wurde.
Ich war eine von etwa 20 Frauen und wurde in den Vorstand gewählt. Von 1996 an war ich dann Kreissprecherin.

Welche Veränderung brachte dann die Kommunalwahl 1997 mit sich?

Da wurde es richtig ernst. Ich ließ mich mit zwei weiteren Frauen auf die Liste zur Kommunalwahl setzen und wir erhielten auf Anhieb 1,9 % der Stimmen. Das war ein für uns überraschend gutes Ergebnis, zumal wir mangels Geld nur wenig Wahlwerbung betreiben konnten. Wir hatten keine Plakate, keine Flyer, nur eine Zeitung, die von der Bundespartei finanziert worden war.

Und seit wann bist du nun Stadtverordnete?

Stadtverordnete wurde ich nach der Kommunalwahl im März 2001. Durch das neue Kommunalwahlgesetz ohne Fünf-Prozent-Hürde entstanden vier neue Einpersonenfraktionen (LEU, OS-3, DKP-PDS-offene Liste und DIE FRAUEN) und eine Zweipersonenfraktion UFFBASSE.

Wie fühltest du dich als absolute Einzelkämpferin?

Das war wirklich nicht einfach und ich brauchte anfangs viel Mut, um vor so vielen Leuten zu sprechen. Ich kam in eine mir völlig fremde Welt. Außerdem ist es ein Unterschied, außerparlamentarisch ein Wahlprogramm zu vertreten und Forderungen zu stellen oder als Stadtverordnete konkret Anträge zu stellen, zu begründen und dann noch zu wissen, wie kann das, was ich fordere, auch finanziert werden. Es ist schwer, das dann alles ganz alleine zu vertreten.

Hat es Vorteile, dass es noch mehr dieser Ein- bzw. Zweipersonenfraktionen gibt?

Natürlich, denn es gelang uns, das heißt den Fraktionen OS-3, LEU und DIE FRAUEN, im Mai 2001 die Parteiarbeit aus den privaten Wohnzimmern in eine gemeinsame öffentliche Geschäftsstelle zu verlagern.

Welches deiner Ziele hast du als erstes in Angriff genommen und vielleicht sogar erreicht?

Ich habe mich zuerst für eine Verbesserung der Öffentlichen Kinderbetreuung eingesetzt.
Im Dezember 2001 stellte ich den Antrag, »Gender Mainstreaming« zu etablieren, das heißt alle politischen Entscheidungen unter dem Aspekt zu betrachten, wie sie sich auf Frauen bzw. Männer auswirken. Dieser Antrag wurde einstimmig angenommen.
Es wurde ein konzeptioneller Leitfaden bis 2005 erstellt und eine Referentin zur Einführung von Gender Mainstreaming in allen Ausschüssen bestellt.
Mein Antrag zur Erstellung einer Statistik über Sportförderung, bei der alle Aufwendungen für Sportvereine, Sportstätten usw. unter dem Gesichtspunkt der Ausgewogenheit zwischen männlichen und weiblichen Sportlern untersucht werden sollen, wurde mehrheitlich angenommen, vom Magistrat aber offensichtlich wenig engagiert und dilettantisch bearbeitet. Dagegen habe ich mich gewehrt, bin aber mit meiner Kritik bis jetzt noch nicht erfolgreich gewesen.

Was möchtest du als Nächstes erreichen?

Ich möchte erreichen, dass bei Lesungen des von der Stadt finanzierten Literaturhauses und auch bei der Auswahl für das Buch des Monats Autorinnen stärker präsent sind, zumal es besonders für junge Autorinnen ein Sprungbrett für weiteren Erfolg wäre, wenn sie dort ausgewählt würden. Seit Jahren stammen über 80% der ausgewählten Literatur von männlichen Autoren; Autorinnen sind lediglich so eine Art Dekoration des Ganzen.
Ich möchte mich auch dafür einsetzen, dass bei der Renovierung des Stadions am Böllenfalltor Umkleideräume für beide Geschlechter eingerichtet werden. Ich stehe aber diesem teuren Umbau grundsätzlich sehr kritisch gegenüber. Auffallend ist doch, dass zwar für diese Stadionrenovierung Geld da ist, aber gleichzeitig wichtige Frauenprojekte in der Stadt zum Sterben verurteilt sind.
Dann möchte ich noch erreichen, dass beim Bau des Kongress- und Wissenschaftszentrums im Innenbereich ein Raum für Kinderbetreuung und ein Wickelraum eingerichtet werden. Allerdings habe ich zusammen mit anderen Fraktionen dagegen gestimmt, als die jetzige Konzeption des Kongresszentrums beschlossen wurde, weil ich sie für viel zu teuer halte.

Wie stellst du dir die Zukunft in Bezug auf deine politische Arbeit vor?

Mein Traum ist es, dass bei der nächsten Wahl mehr Frauen in die Fraktion gewählt werden. Dazu bräuchten wir zwei bis drei Prozent der Stimmen.

Dafür drücke ich dir die Daumen und bedanke mich für das Interview.

Die Fragen stellte Christa Berz

zurück

MATHILDE