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Scham über die Notlage

Frauenübernachtungswohnhaus Darmstadt

Im Frauenübernachtungswohnheim des Diakonischen Werkes in Darm- stadt wohnen zur Zeit sechzehn Frauen und ein Baby. - Ein weiteres Baby wird täglich erwartet.

Vor knapp fünf Jahren wurde das Frauenübernachtungswohnheim mit fünfzehn Plätzen und zwei Notbetten eröffnet. Seit dieser Zeit ist der Bedarf ständig gestiegen. Das Haus ist meist voll belegt, zusätzliche Notbetten in Wohnzimmer oder Aufenthaltsraum sind keine Seltenheit. Dass es so viel wohnungslose Frauen gibt, ist kaum im Bewusstsein der BürgerInnen. Mit dem Begriff »Obdachlose« verbinden wir eher Männer. Obdachlose Frauen sieht man in der Öffentlichkeit nicht. Und doch gibt es sie. Die Bundesarbeitsgemeinschaft (BAG) Wohnungslosenhilfe e.V. schätzte 1995 die Zahl der wohnungslosen Frauen in der Bundesrepublik auf 174.000.

Die häufigsten Auslöser für den Wohnungsverlust bei Frauen sind: Gewalt durch Ehemann oder Partner; Räumung wegen Mietschulden oder anderen Problemen; Kündigung des Vermieters; Trennung oder Scheidung; Auszug aus der elterlichen Wohnung. Aus Scham über ihre Notlage gehen wohnungslose Frauen oft Zwangsgemeinschaften ein, kehren zurück in gewalttätige Beziehungen, setzen sich physischer, psychischer und sexueller Gewalt aus.

Es dauert oft sehr lange, bis Frauen sich an öffentliche Stellen wenden, das heißt, bis sie im Hilfesystem in Erscheinung treten, haben Frauen schon einen langen Leidensweg hinter sich. Nach diesem leidgeprüften Weg kommen die Frauen dann ins Frauenübernachtungswohnhaus an – ohne Geld, ohne Besitz, außer dem, was sie auf dem Leibe tragen. Durch massive Gewalterfahrungen verängstigt, oft mit Suchtproblemen sind sie körperlich und psychisch krank und ohne Perspektive, wie es mit ihrem Leben weitergehen soll.

Das Frauenübernachtungswohnheim bietet Platz für 17 Frauen und Kinder. Sie wohnen auf zwei Etagen meist in Zweibettzimmern. Auf jeder Etage gibt es eine Küche, ein Bad, einen Aufenthaltsraum und eine Waschmaschine, um die wenige Wäsche, die sie haben, waschen zu können. Vielen Frauen, die ins Haus kommen bietet die Einrichtung das Gefühl ein Heim, ein zu Hause zu haben. Sie finden die Möglichkeit ein wenig zur Ruhe zu kommen und neue Kräfte zu sammeln. Während des Aufenthalts erhalten die Frauen Unterstützung durch: Existenzsichernde Maßnahmen (Beantragung der Sozialhilfe, Arbeitslosengeld, Rente usw.), psychosoziale Beratung, Begleitung zu Behörden, Ärzten usw. Vermittlung in andere Institutionen, Hilfe bei der Suche nach Wohnung, Arbeit, Ausbildungsstelle.

Sehr wichtig sind auch Hilfen bei der Entwicklung des Selbstwertgefühls und das dadurch erzeugte Gefühl mit mehr Zuversicht in die Zukunft sehen zu können. Weiterhin erleben die Frauen seit langer Zeit zum ersten Mal wieder, dass man ihnen mit Achtung und Wertschätzung entgegen tritt, ihre Sorgen ernst nimmt und Hilfen anbietet. Während ihres Aufenthaltes werden die Frauen von zwei Sozialpädagoginnen und anderem Fachpersonal betreut. Eine Mitarbeiterin ist immer anwesend, was vielen Frauen den erforderlichen Schutz und Sicherheit gibt und die Möglichkeit, auch nachts Frauen aufzunehmen.

Der größte Teil der Frauen bleibt nur kurze Zeit im Haus. Sie können zum Teil in andere Institutionen weitervermittelt werden oder finden eine andere Unterkunftsmöglichkeit. Auf Grund der Schwere der entstandenen Defizite und der Mangel an bezahlbarem adäquatem Wohnraum, bleiben jedoch manche Frauen ein Jahr und länger. Vielen Frauen bietet der Aufenthalt im Frauenübernachtungswohnheim die Möglichkeit für einen Neubeginn, eine neue Chance im Leben.

Barbara Born/Ursula Wessling

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