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Mobilität bewahren durch Sport

Die Arbeit der Versehrtensportgemeinschaft in Darmstadt

Wir rollen stachlige Plastikbälle zwischen den Händen, legen sie auf den Boden und bewegen auch die Füße darüber, es kitzelt. Wir beugen den Oberkörper weit nach vorne und dehnen die Muskeln. Eine Stunde lang machen wir verschiedene Übungen. Es geht ausgesprochen heiter zu dabei. Sigrun Abdel-Salam, die Übungsleiterin, versteht es, gute Stimmung zu verbreiten. Wie zufällig fragt sie zwischendurch nach den heutigen Nachrichten, schließt die Stunde mit einer Gedächtnisübung ab.

Sie hat mich mitgenommen in die Parkinsongruppe der Versehrtensportgemeinschaft e.V. in Darmstadt. Es ist eine Gruppe von älteren Frauen, sonst sind die Gruppen hier eher gemischt. Für Parkinsonkranke ist eine regelmäßige Bewegungstherapie sehr wichtig. Sie bewahren sich dadurch Mobilität und Selbständigkeit, lernen ihr Körpergefühl neu wahrzunehmen, können verloren gegangene Bewegungsmuster neu einüben und gewinnen Selbstwertgefühl. Darüber hinaus bewahrt die Gruppe sie vor Depression und sozialem Rückzug. Sigrun Abdel-Salam, die 1979 die damalige DDR verlassen musste, weil die Ehe mit einem ägyptischen Mann dem Regime nicht genehm war, macht die Arbeit mit Parkinson- und auch Rheumakranken schon seit 22 Jahren auf Honorarbasis. Ihre noch in der DDR erworbenen Diplome in Ergotherapie, Krankengymnastik und Psychologie kann sie gut gebrauchen, nur den Fachhochschulabschluss in Sozialpädagogik hat sie in Darmstadt gemacht. Nach interessanten Arbeitsjahren an der Fachschule des Heeres für Erziehung und an der Alice-Eleonoren-Schule in Darmstadt – die zu ihrem Kummer nach drei Jahren ihren Zeitvertrag wegen des fehlenden Hochschulabschlusses nicht verlängerte – macht sie den Sport mit Kranken mit sehr großem Engagement. Dieses Engagement ist in der Versehrtensportgemeinschaft, die 1949 zunächst für Kriegsbeschädigte gegründet wurde, Voraussetzung. Angefangen beim ehrenamtlichen Vorsitzenden bis hin zu den Übungsleiterinnen und Übungsleitern wird hier Sport und Bewegung als Hilfe im Alltag und zur Überwindung von Krankheitssymptomen angeboten.

35 Übungsgruppen gibt es: Herzsportgruppen, Parkinson-, Rheuma- und Wirbelsäulengruppen, Sport- und Schwimmgruppen für sehbehinderte und für geistig und körperlich behinderte Erwachsene, Jugendliche und Kinder etc. Finanziert wird die Organisation durch Beiträge, durch Zuschüsse des Hessischen Behinderten- und Rehabilitations-Sportverbandes und der Krankenkassen. Als gemeinnütziger Verein ist die Versehrtensportgemeinschaft auch berechtigt, Spendenquittungen auszustellen. Aber wie bei anderen Institutionen auch, wird die Finanzierung immer schwieriger, wenn überall das Geld knapp wird.

»Ich arbeite gerne mit meinen Gruppen und bekomme so viel zurück von den Kranken«, sagt Sigrun Abdel-Salam beim Abschied. Und das glaube ich ihr aufs Wort. Ich war selbst richtig gut gelaunt nach dieser Stunde. Jede und jeder kann reinschnuppern in ihre Parkinson-Kurse und nach vorherigem Anruf (Tel. 06151/311367) erst einmal kostenlos teilnehmen. Der Jahresbeitrag beträgt 60 € jährlich für Erwachsene, ermäßigt für Familienmitglieder, Kinder und Jugendliche bis 18 Jahre.

Barbara Obermüller

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