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Männer kosten mehr

Über die Schieflage bei der Verteilung von Steuergeldern zwischen den Geschlechtern

Die Haushaltspläne von Bund, Ländern und Gemeinden sind dicke Wälzer, die für Nicht-Eingeweihte schwer lesbar sind. Damit sind die öffentlichen Haushalte weitgehend den Augen der Bürgerinnen und Bürger entzogen. Natürlich unterliegen sie der parlamentarischen Kontrolle, aber die Verteilung der Mittel ist auch in einer Demokratie eine Spielwiese der Mächtigen. Wie so oft, wenn es um den Einsatz von Macht geht, kommen Frauen zu kurz oder sie kommen gar nicht vor. Zuschüsse zu Fraueneinrichtungen mussten hart erkämpft werden und oft muss dieser Kampf in jedem neuen Haushaltsjahr erneut ausgefochten werden. Die Finanzierung etwa von Frauenhäusern bedurfte jahrelanger mühsamer Lobbyarbeit von Frauen und deren Finanzierung gehört (wie die gesamte Frauenförderung) auch heute noch zu den »freiwilligen Leistungen« von Kommunen und Landesregierungen. Dies wurde bei den drastischen Kürzungen der Hessischen Landesregierung im Jahr 2003 wieder einmal schmerzhaft deutlich.

Zahlreiche Fördermaßnahmen in Städten und Ländern werden scheinbar geschlechtsneutral vorgenommen, aber es gibt keine geschlechtsneutrale Wirklichkeit. Sieht frau genauer hin, zeigen sich häufig geschlechtsspezifische »Ungleichgewichte« und Ungerechtigkeiten bei der Verteilung öffentlicher Mittel. In einer Reihe von Städten beschäftigen sich inzwischen Frauenarbeitsgruppen und -initiativen mit den Instrumenten und Kriterien für eine geschlechtergerechte Haushaltsplanung. Die Konzepte dazu mit den sperrigen Namen »Gender Mainstreaming« und »Gender Budgeting« sind von der Europäischen Union verbindlich vorgeschrieben.

Für die Sportförderung beispielsweise geben Länder und Kommunen erhebliche Beträge aus und hier entstehen auch erhebliche geschlechtsspezifische Schieflagen. Da in Darmstadt »Gender Mainstreaming« zwar beschlossen, aber nicht politisch gewollt ist und daher »noch« nicht praktiziert wird, soll eine Untersuchung aus Sachsen-Anhalt als Beispiel herangezogen werden. Eine Arbeitsgruppe analysierte in den Jahren 2002 bis 2003 relevante Daten, wie: die Mitglieder der Sportvereine, die Zahl der Trainerinnen und Trainer, der Aktiven im Leistungs- und Breitensport, getrennt nach Sportarten und Geschlecht. Der Analyse zufolge stellen in Sachsen-Anhalt in allen Altersgruppen ab 6 Jahren Jungen bzw. Männer ca. 70% der Mitglieder, Mädchen bzw. Frauen 30%, in einigen Altersgruppen ist die Differenz noch größer. In der Sportart Fußball – und das ist sicher überall so – sind die Mitglieder zu 94% männlich, zu 6% weiblich. Im Schießsport zu 78% männlich, zu 22% weiblich und im Handball ergibt sich mit 61% Jungen/Männern und 39% Mädchen/Frauen ein etwas ausgewogeneres Geschlechterverhältnis. Wenn davon ausgegangen wird, dass alle Mitglieder des Landessportbundes von den Landesmitteln für die Vereinsförderung in etwa gleich profitieren, so gehen 70% dieser Mittel an Männer/Jungen, da 70 Prozent der Mitglieder männlich sind.

Wenn des Weiteren die Investitionsförderung beim Bau von Fußballstadien und Sportanlagen nach Sportarten und jeweiligem Frauenanteil betrachtet wird, wird das Bild noch ungünstiger. Von den 60 im Jahr 2000 vom dortigen Landessportbund geförderten Sportstätteninvestitionen betrafen 55 die Sparten Handball, Fußball und Schießsport. In Darmstadt ist ein Antrag der Fraktion DIE FRAUEN mit der Forderung nach geschlechtsspezifisch aufgeschlüsselten Statistiken für die Sportförderung im Mai 2003 vor allem von Frauen parteiübergreifend angenommen worden.

Dieser Antrag wurde von den Verantwortlichen im Magistrat jedoch dilettantisch und nicht ordnungsgemäß ausgeführt, so dass vorerst keine Statistik verfügbar sein wird. Mit Sicherheit werden nach Geschlechtern getrennte Daten jedoch in vielen Bereichen gebraucht, um die Chancengleichheit der Geschlechter politisch umsetzen zu können. In Darmstadt müssen sich die Verantwortlichen schon fragen lassen, wie sich eine geschlechtergerechte Politik in Zeiten der Sparmaßnahmen mit den Plänen für eine millionenschwere Sanierung und Umgestaltung des Fußballstadions am Böllenfalltor vereinbaren lässt, da ja die Finanzierung weitgehend Jungen und Männern zugute kommen wird.

In Sachsen-Anhalt wurde es aufgrund des Datenmaterials möglich, auch weitere Unterschiede zu betrachten, z.B. die Zahl und die Aufwandsentschädigung der TrainerInnen nach deren Geschlecht und nach Geschlecht der betreuten SportlerInnen oder die Teilnahme von TrainerInnen an Schulungen. Als zweiter Schritt wurde der Beitrag der Sportförderung zu den einzelnen sportpolitischen Zielen (z.B. Gewaltprävention, Gesundheitsförderung) sowie zu gleichstellungspolitischen Zielen betrachtet. Die Arbeitsgruppe diskutierte außerdem weiterführende Fragen, die für Gender Mainstreaming wichtig sind, zum Beispiel die baulichen Bedingungen in Sportstätten für Frauen und Männer (Duschen, Umkleideräume, Toiletten), die Rolle des Behindertensports bei Frauen und Männern, die Einbeziehung von Arbeitslosen etc. Das Angebot im Schulsport, das alle wahrnehmen, wurde ebenfalls kritisch diskutiert in Hinblick auf die Frage: Warum partizipieren Mädchen und Frauen nach Beendigung der Schulzeit nur noch in geringerer Zahl an öffentlichen Sportangeboten? Es wurde auch deutlich, dass Männer beim Gesundheitssport großen Nachholbedarf haben und gefördert werden müssen. Über den Europäischen Sozialfonds sind für den Zeitraum bis 2006 beträchtliche Mittel bereitgestellt worden, die für Projekte mit dem politischen Ansatz »Gender Mainstreaming« genutzt werden können. Städte und Länder, die diese Gelegenheit verschlafen, gehen leer aus.

Barbara Obermüller

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