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Charlotte Toma, geboren in Coburg, lebt heute in Würzburg. Sie begann schon als Kind im Krankenbett zu schreiben. Am Anfang waren es fantsievolle und abenteuerliche Tiergeschichten, während ihres Germanistikstudiums Semesterarbeiten über das poetische Moment in Robert Musils Werken und über literarische Strömungen des 20. Jahrhunderts. Charlotte Toma arbeitete als Werbetexterin und in Werbe- und Marketing-Abteilungen einer renommierten Modefirma und einer Nürnberger Bank. Ihre berufliche Karriere erlebte durch die Heirat, Familiengründung und den Umzug in den Lankreis Röhn Grabfeld eine Unterbrechung. Die Liebe zur Schriftstellerei rückte in den Hintergrund. Das Scheitern ihrer Ehe führte sie zum Schreiben zurück. »Zwei Welten« ist das erste Buch von Charlotte Toma."

Morgen, dachte ich, morgen!

Interview mit Charlotte Toma über ihr Erstlingswerk "Zwei Welten"

 

Hallo Charlotte, vielen Dank, dass du zu diesem Interview bereit bist. Dein Buch, das Mitte Mai erscheint, trägt den Titel »Zwei Welten«. Kannst du erklären, was mit diesen zwei Welten gemeint ist?

»Zwei Welten« ist ein autobiografischer Roman, in dem eine sechswöchige Urlaubsreise mit meinem rumänischen Mann Miro - und zeitweise mit meinen Schwiegereltern - durch Rumänien, Bulgarien, Türkei, Griechenland und Italien beschrieben wird. Im Rahmen dieser abenteuerlichen Urlaubsreise wird der Prozess meines Wahrnehmungs- und Rollenkonfliktes als Frau im Denken, Verhalten, den Sitten und Gebräuchen des östlichen, von Männerherrschaft geprägten Kulturkreises sehr deutlich. Ich bin einerseits, immer mit einem Lächeln im Gesicht, in einer realen Welt mit Miro zusammen. Auf der anderen Seite verliere ich die Wahrnehmung für meine eigenen Gefühle und schaffe mir eine eigene innere Welt.
Ich wusste nicht mehr, wo ich überhaupt hin gehöre. Das wurde immer diffuser, ich schwankte ununterbrochen zwischen den beiden Welten hin und her. »Zwei Welten« meint also einmal meine beiden Welten und dann natürlich die beiden unterschiedlichen kulturellen Welten.

Wie war dein Leben mit Miro außerhalb dieser Urlaubsreise?

Es war wie eine unendliche Spirale. Ging es mir gut, dann machte er mich nieder. War ich ganz unten, kam er wieder auf mich zu, richtete mich auf. Kaum ging es mir einigermaßen gut, machte er mich wieder nieder. Mir gegenüber zeigt er sich zunehmend gefühlskalt. Ich denke, es ist in seiner Kindheit begründet und er hat sich einen Eisenpanzer um seine Seele gelegt. Als ich während unserer Ehe noch arbeitete, ging es mir gut. Ich war sehr erfolgreich in meinem Beruf und erfuhr viel Anerkennung. Da fielen die Demütigungen von Miro noch nicht so ins Gewicht. Ich wollte es eigentlich auch nicht sehen und hatte immer wieder Hoffnung, dass sich – wenn ich genug Geduld aufbringe – etwas ändert. Die Situation wurde erst sehr schlecht, als ich die beiden Kinder hatte, finanziell von ihm abhängig war und keine Chance sah, etwas Eigenes aufzubauen. Dass ich so abhängig von ihm war, hat ihm gut gefallen, er hat seine Macht dann so richtig ausgelebt.

Gab es auch schöne Zeiten mit Miro?

Bevor wir geheiratet haben, hat er mich auf Händen getragen. Die ersten drei/vier Jahre unseres Zusamnmenlebens waren »neu« für mich, ich habe andere Aspekte des Lebens gesehen. Ich denke, ich war auch noch nicht ausgereift. Wie gesagt, ich hatte auch meine Arbeit und einen netten Kollegenkreis und konnte immer wieder mal flüchten.

Trotz aller Demütigungen und Misshandlungen bist du dreizehn Jahre mit Miro zusammen geblieben, warum so lange? Hat das auch etwas mit deinem Elternhaus zu tun, im Buch klingt das so an?

Ja, ich denke im meinem Elternhaus liegen die Wurzeln des Übels. Ich hatte immer das Gefühl, ich bin meinen Eltern nicht genug. Ich hatte ihrer Meinung nach Hirngespinste im Kopf. Meine Eltern hatten auch so alte Moralvorstellungen. Meine Mutter sagte mir immer wieder: Es wird Zeit, dass Du heiratest, Du bist schließlich schon 28 Jahre alt. Du bekommst keinen Mann mehr ab. Es war mir peinlich, ich hatte es noch nicht geschafft, einen Mann zu finden, der mich heiraten wollte.

Beim Lesen des Buches hatte ich öfter das Bild von Charlotte als ein armes verhuschtes Mäuschen vor Augen. Wenn von deiner Arbeit die Rede war, bekam ich eine Ahnung von einer toughen Person und heute sitzt mir eine selbstbewusste Frau gegenüber.

Ich war auch in der Ehe mit Miro die toughe Frau – in der Öffentlichkeit. Er war stolz auf mich, führte mich vor zur Ergänzung seiner Selbstdarstellung. Die Demütigungen und Machtspiele fanden dann zu Hause statt. Sie waren subtil, unterschwellig und aus heutiger Sicht geschickt platziert. In meinem Buch schreibe ich auch: »Die verbale Misshandlung findet im Verborgenen statt und es sind keine Spuren zu sehen«. Das war auch in meinem Elternhaus schon so und teilweise in der Schule, ich war das »gewohnt«!
Ich habe mich lange Zeit in der Ehe mit Miro gegen diese Demütigungen gewehrt. Auf der im Buch beschriebenen Reise allerdings nicht, da ich ja vor Miros Eltern und Verwandtschaft keinen »Aufstand« machen sollte. Zu Hause habe ich mich, wie gesagt, anfangs schon gewehrt. Aber dann hatte ich keine Worte mehr um Paroli zu bieten und letztendlich auch keine Kraft mehr.

Und doch hast du schließlich die Kraft aufgebracht, aus dieser Spirale und dem gemeinsamen Leben mit Miro auszusteigen.Der Schluss-Satz in deinem Buch lautet »Morgen, dachte ich, morgen! Morgen würde ich den ersten Schritt zur Änderung meines Lebens tun«. Was war deine Motivation?

Den letzten Anstoß gab, glaube ich, der im Buch beschriebene Traum. Der Traum, wo ich vor Miro niederkniee und er mich dann erschießt. Wo ich aufstehe und mit Kühlflüssigkeit überzogen bin. Es war wie ein Abschluss und ein Erkennen, mit wieviel Kühlflüssigkeit ich mich überzogen hatte, damit ich überhaupt überlebe. Ich habe mich noch mehr zurückgezogen, saß kurz darauf am Schreibtisch, starrte in den PC und es wurde mir klar: Ich habe gewusst, dass es so kommen wird. Ich habe die Eckdaten der Reise in den PC hineingehämmert, da sind ganz viele negative Gefühle hochgekommen und aus diesen Gefühlen heraus kamen die Rückblenden. Ich merkte, dass das Schreiben mir gut tat und deshalb habe ich weiter gemacht und bin in die Tiefen eingestiegen. Das Buch ist nur ein kleiner Ausschnitt meines Lebens mit Miro.

Ist das Buch auch eine Abrechnung mit oder eine Rache an Miro?

Nein, keineswegs. Ich hatte zu Beginn Angst, weil ich etwas »Ungeheuerliches« tue. Aber ich musste es einfach tun, es musste raus, indem ich schreibe. Mir ist so klar geworden, dass wir völlig unterschiedliche Sprachen sprechen.

Was wird dein Mann sagen, wenn er das Buch liest? Hast du Angst vor Repressalien?

Nein, wie ich ihn kenne, wird er sagen, dass das alles nicht stimmt. Und wenn meine Kinder fragen, kann ich ihnen nur sagen: Es war damals so. Ich weiß auch, dass mir so etwas nie wieder mit einem Mann passieren wird. Ich habe jetzt ab und zu Kontakt mit anderen Männern, ich teste sie gewissermaßen. Meine Wahrnehmung ist geschärft und ich kann ohne Probleme Nein sagen.

Welche Botschaft ist mit deinem Buch verbunden? Was ist dir dabei wichtig?

Es ist eine Botschaft an Frauen. Ich denke, es geht vielen Frauen so, wie es mir ergangen ist. Ich möchte ihnen sagen, dass es sehr wichtig ist zu erkennen, was mit frau passiert, wenn sie sich verliert. Es ist wichtig die Kraft in sich zu erkennen und die Möglichkeit, dass frau es ändern kann. Frauen sollten sich niemals fremdbestimmen lassen. Sie sollten die eigenen Potenziale erkennen, sie ernst nehmen und mit Instikt nachleben.

Wirst du weiterschreiben?

Ja, ein zweites Buch ist bereits in Arbeit. Es wird darin um die Lebensalternative gehen, von der ich während meiner Ehe mit Miro geträumt habe. Ein drittes Buch habe ich im Kopf.

Charlotte, vielen Dank für das Gespräch und deine Offenheit.

Helge Ebbmeyer

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