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So stellen sich Japanerinnen ihren Lebensweg vor:

Hausfrau

  • 1992 - 19 %
  • 1997 - 18 %
  • 2002 - 14 %

Hausfrau, später wieder berufstätig

  • 1992 - 46 %
  • 1997 - 43 %
  • 2002 - 42 %

Beruf und Familie

  • 1992 - 15 %
  • 1997 - 16 %
  • 2002 - 18 %

Beruf und Familie ohne Kinder

  • 1992 - 3 %
  • 1997 - 3 %
  • 2002 - 4 %

Beruf und keine Familie

  • 1992 - 10 %
  • 1997 - 9 %
  • 2002 - 13 %

Karrierefrau wünscht auch eine Familie

Mit der Heirat oder spätestens mit der Geburt eines Kindes geben viele Japanerinnen den Beruf auf und wählen die »Vollzeitbeschäftigung zu Hause« als Hausfrau und Mutter, obwohl ihnen Möglichkeiten zur Weiterbeschäftigung zur Verfügung stehen. Dagegen gibt es immer mehr Frauen, die in erster Linie Karriere machen wollen und auf die Familiengründung keinen großen Wert legen. Sie wirken durch ihren Berufserfolg glücklich und selbstsicher. Sind sie aber wirklich zufrieden mit ihrer Entscheidung?

Über 30 Jahre alt, Single und kinderlos – solche Frauen bilden zwar eine kleine, aber wachsende Sozialgruppe in Japan. Dank der Verbesserung des Arbeitsklimas sowie der Idealisierung der Karrierefrau durch die Medien sind immer mehr Frauen für das Berufsleben motiviert, wo sie die Anerkennung der Gesellschaft sowie Selbstverwirklichung zu erreichen glauben. Sie werden in Frauenzeitschriften bejubelt und ziehen so oftmals den neidischen Blick der Nicht-Karrierefrauen auf sich. Nun überrascht sie eine Hiobsbotschaft: Sie seien doch Verliererinnen!

So definiert Frau Junko Sakai eine unverheiratete Frau über 30 in ihrem Buch, das im Oktober 2003 unter dem Titel - wörtlich übersetzt - «Das Heulen einer Verliererhündin« erschienen ist. Die sich selbst als Verliererin bezeichnende Japanerin analysiert die Psyche dieses Frauentyps mal humorvoll, mal scharf. Das Buch, von dem mittlerweile über 150.000 Exemplare verkauft sind, stiftet heftige Kontroversen sowohl unter Verliererinnen als auch Gewinnerinnen (also verheiratete Frauen mit oder ohne Kinder). Die einen amüsieren sich über die humorvollen Beobachtungen der Autorin und nehmen damit die Brandmarkung als »Verliererinnen« nicht so ernst. Die anderen zeigen jedoch Missmut darüber, Menschen nur nach dem Familienstand entweder als Gewinner oder Verlierer zu beurteilen. Auch die, die das Buch nicht gelesen haben, fühlen sich beleidigt und möchten nicht als Verliererin bezeichnet werden.

Warum hat die Autorin so ein provokatives Wort wie »Verliererin« benutzt? Laut Medienbericht wollte sie angeblich das zwiespältige Gefühl einer unverheirateten Karierefrau aus der Sicht der traditionellen Gesellschaft in Japan ausdrücken. Obwohl Japaner nie darin müde zu werden scheinen, kulturelle Elemente und Ideen vor allem aus den USA und Europa ins Alltagsleben zu integrieren, bleiben sie in vieler Hinsicht sehr konservativ. Zum Beispiel werden diejenigen, die noch keine eigene Familie gegründet haben, oft nicht für mündig gehalten. Nach diesem Motto wäre es selbstverständlich, dass eine Frau jung genug heiratet und Kinder bekommt. Deshalb machen sich viele Eltern, Verwandte und sogar nette Nachbarinnen große Sorgen um Töchter, die »die beste Zeit zum Heiraten« verpasst haben. Das durchschnittliche Heiratsalter der Japanerinnen im Jahr 2002 war 27,4 Jahre und ist im Vergleich zum Jahre 1980 um mehr als 2 Jahre gestiegen. Mit der Mehrheit Schritt zu halten - das gilt in Japan als eine der wichtigsten Lebensgrundsätze. Also fühlen sich viele Frauen über 30 unter Druck gesetzt, mit Ausnahme derjenigen, die ohnehin nie heiraten wollten.

In der japanischen Gesellschaft findet die sogenannte »wilde Ehe« oder das Zusammenziehen des Liebespaars noch keine allgemeine Akzeptanz. Deshalb wird eine Beziehung oftmals von Anfang an mit dem Ehewunsch verbunden. Wenn Frauen über 30 nicht versäumen möchten, was für die Menschheit ganz normal ist, müssen sie zielstrebig Ehepartner suchen. Die Chancen auf einen wunschgemäßen Partner werden nämlich immer geringer, je älter man wird.

Die Eheschließung durch Partnervermittlung ist auch eine Tradition in Japan, früher durch Vermittlungstanten aus der Nachbarschaft und heute auch durch moderne Vermittlungsfirmen mit Datenanalyse per Computer. Auch wenn die sogenannte »vermittelte Ehe« manchmal gegenüber der Ehe aus Liebe geringer geschätzt wird, findet sie immer mehr Popularität. Schon durch die steigende Tendenz, dass man immer älter heiratet, ist ihr Nutzen bereits bewiesen. Der große Vorteil der Ehevermittlung ist, dass man einen Partner finden kann, der den eigenen Vorstellungen weitgehend entspricht. Die Liebe kommt vielleicht später. Bei vermittelten Ehen ist die Scheidungsquote außerdem viel niedriger.

Die Debatte über die »Verliererinnen« dürfte vielen Karrierefrauen noch bewusster gemacht haben, dass sie sich beeilen müssen, damit sie nicht endgültig als Verliererinnen gebrandmarkt werden. Einige dagegen könnten umso mehr dazu motiviert werden, den Erfolg in der von Männern dominierten Welt zu suchen. Aber sie sind eine Minderheit. Es schaffen auch nur wenige Japanerinnen das Tandem von Karriere und Familienleben. Viele finden in der Haushaltsführung und Kindererziehung ihre große Aufgabe als Frau. Sie sind stolz darauf, ihre Fähigkeiten als Familienmanagerin zeigen zu können. Auch wenn sie aus finanziellen Gründen gelegentlich Minijobs, z.B. als Kassiererin, annehmen müssen, sind sie glücklich, dass sie es für die Familie tun. Karrierefrauen in Japan sind für eine Kursänderung bereit.

Hiromi Miyamoto

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