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Heide Simonis, (* 1943), Diplom-Volkswirtin, seit1993 Ministerpräsidentin des Landes Schleswig-Holstein, nun in dritter Amtszeit, führt seit 1996 eine rot-grüne Landesregierung

"Es ist nichts so schlecht, dass nicht noch was Gutes dran ist..."

Das Interview mit Heide Simonis führte im Oktober 2003 anlässlich der Veröffentlichung ihres Buches: »Unter Männern - Mein Leben in der Politik« (Beck Verlag, München).

 

Sie sind die einzige Ministerpräsidentin in Deutschland. Warum sind Sie allein auf weiter Flur?

Heide Simonis: »Das ist zunächst mal eine Frage an andere Frauen, ob sie immer taktisch richtig argumentieren, taktisch sich richtig verhalten. Denn wenn man nach oben kommen will, muss man auch ein kleines Stückchen darauf achten: Wer sind diejenigen, die einen mit durchtragen, für einen stimmen sollen? Was muss ich an Zeit bringen, wieviel Zeit muss ich abends opfern, was muss ich meiner Familie antun, wenn ich eine Familie habe? Und das ist auf der anderen Seite die Tatsache, dass Männer immer dann ihre Position besonders stark verteidigen, wenn es eine machtvolle ist. Also: Ehrenamt beim Roten Kreuz im ländlichen Raum, einer Familie helfen, - das machen dann meistens Frauen; aber der Vorsitzende, das ist auf jeden Fall ein Mann. Und das ist dasselbe in der Politik auch.«

Wie war das damals, als Sie plötzlich zur »Landesmutter« von Schleswig-Holstein wurden?

Heide Simonis: »Ich kann nicht so gut Plattdeutsch, dass ich das jetzt so perfekt hinbekäme ... Aber so ungefähr ging es im Fernsehen, es gab einen Bundesbauerntag, da wurde ein Landwirt aus Schleswig-Holstein gefragt, ein bescheidener Mann, dem man ansah, dass er hart arbeitete. Und er schüttelte bekümmert seinen Kopf und sagte: »Nej, nej, nej, das ganze schoine Land in der Hand eener eenzigen Fruu.« Und dann war er richtig erschüttert drüber. Das war mein erster Kontakt mit Menschen, die festgestellt haben, sie wurden nun von einer Frau regiert. Aber da hat sich auch einiges in der Zwischenzeit zurecht geschliffen.Und ich hatte schon nach meinem Vorgänger Björn Engholm das Gefühl, das sind große Fußstapfen, in die du da hinein trittst. Da musst du aufpassen, dass du da nicht aus dem Tritt kommst.«

Aber, Sie haben es geschafft!

Heide Simonis: »Ich hoff’s, dass ich’s geschafft habe. Das wird sich spätestens im Wahljahr 2005 zeigen.«

Warum strebt man als Frau nach Macht? Und wie macht man das? Welche Empfehlungen würden Sie werdenden Politikerinnen mit auf den Weg geben? Haben Sie ein Erfolgsrezept?

Heide Simonis: »Mann oder Frau streben nach Macht, weil man etwas verändern, etwas durchsetzen will. Ich finde das auch vollkommen in Ordnung. Man muss, wenn man Macht haben will, überlegen, ob man so ein Parteileben will. Denn ohne Partei schafft man das nicht. Sonst muss man sich für einen anderen Kreis entscheiden. ... Und dann kommt man nicht drumrum, neben vielem Eigenständigen, auch zu gucken: was ist Mainstream, wie bewegen sich die anderen? Ich kann nicht immer am äußeren Rand rumturnen, »ihr liegt alle falsch, nur ich bin die einzige, die richtig liegt«. Sucht man sich sozusagen die Truppe, die einen stützt, man hat ja nicht alle gleichermaßen lieb, aber es gibt einige, die hat man etwas lieber, entweder die Rechten oder die Linken oder die in der Mitte, den Seeheimer Kreis, wie das in meiner Partei heißt. Man arbeitet dann mit denen zusammen, um weiterzukommen. Letzten Rat, den ich geben kann, ist, man muss durchhalten, man muss abends einen Bierabend durchhalten, auch wenn man das noch so doof findet, da wird vieles informell ausgetauscht. Und meine Ratschläge für Bekleidung sind ja inzwischen rauf und runter in der Republik diskutiert worden. Frauen müssen sich dann wie Männer in eine bestimmte »Berufskleidung« zwängen. Im Radio sieht‘s ja keiner. Aber wenn Sie vorne auf dem Rednerpult stehen im Parlament und hinterher kommen nur Briefe, dass ihr Rock zu kurz war, fangen Sie an zu überlegen, ob sie sich das nochmals antun.«

Also ein Erfolgsrezept, knapp in einem Satz zusammengefasst, das gibt es nicht?

Heide Simonis: »Doch, da könnte ich eins sagen: 'Um Gottes Willen, nicht alles persönlich nehmen', das wäre das Einzige.«

Welcher politischen Maxime folgen Sie, was ist Ihnen wichtig? Die Welt zum Besseren verändern?

Heide Simonis: »Ach, früher wollte ich die ganze Welt verändern, die ganze Welt. Dann habe ich gedacht, na ja, die Bundesrepublik ist ja auch schon ganz schön. Und nun bin ich manchmal dabei und überlege, hoffentlich hast du dich nicht verändert... Der Prozess ist ja beidseitig. Man legt los, man hat gute, edle Motive, nehm’ ich auch für viele meiner Kollegen und Kolleginnen, auch aus den anderen Parteien, an. Man arbeitet und will das tatsächlich alles ändern, und am Ende merkt man, das wird dann boshaft bei uns umschrieben »links unten eingestiegen, rechts oben angekommen.« Das dürfte bei der CDU umgekehrt sein, oder ich weiß nicht, wo man da landen kann, wenn man irgendwo einsteigt. Also, man verändert sich, man passt sich an, man merkt, es hat ja keinen Zweck, an dieselbe Stelle mit dem Kopf zu rennen an der Wand, wo keine Tür ist, da holt man sich nur eine blutige Nase oder blutige Stellen. Das führt am Ende dazu, dass man aufpassen muss, dass man sich selber noch wieder erkennt. Und sonst, glaube ich, ist einer meiner Grundsätze »Es ist nichts so schlecht, dass nicht noch was Gutes dran ist.« Und damit lebe ich ganz gut.«

Uschi Geiling

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