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MATHILDE

 

 

Im Frauenblätterwald

Kein Wildwuchs, sondern gleichförmige Schonung

Stehen wir im Supermarkt vor dem Zeitschriftenregal, erkennen wir die typischen Frauenzeitschriften daran, dass uns ein gestyltes junges Model entgegen lacht, meistens im Porträt. Wenn eine Ganzkörperaufnahme das Cover ziert, dann natürlich bekleidet im Unterschied zu typischen Männerzeitschriften oder zu angeblich politischen Magazinen. Greifen wir einfach ein paar Frauenzeitschriften heraus.


COSMOPOLITAN:
Bisschen peinlicher Name. Klar sind wir alle Cosmopolitans, oder meldet sich eine freiwillig als Provinzlerin? Doch, da eine Stimme aus Darmstadt... Die Anderen sind aber alle Cosmopolitans, will sagen, CosmoŽs (!), auch wenn wir über die Strände von Mallorca oder der Dominikanischen Republik nie herausgeguckt haben. Aber sind wir überhaupt echte Cosmo-Leserinnen oder bloß geduldete Gäste? Echte Cosmo-Leserinnen haben einen coolen Job in der Medienbranche oder machen »was Kreatives«. Probleme haben sie höchstens mit ihrer Karriereplanung oder bei der Suche nach dem ultimativen Sex, wobei sie dank Cosmo-Beratung aber mit etwas gutem Willen fündig werden.

Auch Fragen rund um den Mann werden monatlich behandelt. »Cosmopolitan« unterscheidet sich durch gelegentlich offensive Sex-Schlagzeilen auf dem Titel von älteren, biedereren Magazinen und erschien Anfang der Achtziger Jahre auf den deutschen Markt. Die Redaktion ist zum wesentlichen Teil in Frauenhänden. (RA)

MEINE FAMILIE UND ICH: Der Titel ist absolut irreführend, denn es geht weder um meine Familie und schon gar nicht um mich. Es geht in diesem Heft darum, für jeden kulinarischen Anlass passende Rezepte zur Hand zu haben, mit denen freilich nur geübte bis passionierte KöchInnen brillieren und die nicht nach drei Stunden des Bratens, Dünstens, Filetierens, Passierens, Reduzierens und Zermürbens entnervt den Pizza-Service anrufen müssen. (RA)

BRIGITTE WOMAN - Das Magazin für Frauen über 40 / BRIGITTE: Da die »Brigitte«, das bekannteste deutsche Frauenmagazin, diesen Mai 50. Geburtstag feiert, kam es ihr vor einigen Jahren wohl selbst seltsam vor, im Heft nur Frauen unter dreißig in Großaufnahmen zu zeigen. Möglicherweise sprach es sich auch bis in die Chefetage herum, die etwa paritätisch männlich/weiblich besetzt ist, dass a) sehr viele Frauen heutzutage älter als dreißig werden und irgendwann auch so aussehen, und b) dass gerade diese Frauen mehr Geld zum Ausgeben haben als Twens. Also schuf das Verlagshaus die »Brigitte«-Ablegerin »Brigtte Woman« - kleingedruckt darunter geschrieben: »Das Magazin für Frauen über 40«. Und tatsächlich sind sowohl innen als auch außen lauter attraktive Frauen deutlich in der zweiten Lebenshälfte abgebildet. Hier muss lobend registriert werden, dass sich »Brigitte Woman« an die real existierende Frau annähert. Anerkennenswert ist auch, dass Reportagen im Vordergrund stehen und nicht Mode oder gar die soundsovielte neue Diät. Auch in der Normal (?)-«Brigitte« gibt es gute Reportagen und viel Lesenswertes, aber die unoriginellen Titel mit Diät-, Mode- und Kochschlagzeilen muss sie sich zum Vorwurf machen lassen. »Brigitte Woman« zeigt, dass die Brigitte-MacherInnen auch anders können, wenn sie nur wollen, und dass die Leserinnen mitspielen. Im Text-Stil gibt sich »Brigitte Woman« weniger aufgeregt dramatisierend als die jüngere, bzw. mittlere »Brigitte« - es gibt ja auch noch »Brigitte Young Miss« - die spannenden Interviews brauchen keine pseudo-literarischen Kommentare. Wobei nichts gegen Altmeisterin Elke Heidenreich gesagt werden soll, die für »Brigitte« jahrelang Kolumnen schrieb. (RA)

Betrachten wir die Namen der Frauen-Presse, merken wir wieder einmal, dass die deutsche Sprache zumindest für uns Deutsche wohl die uncoolste überhaupt ist. Um Markennamen zu finden, werden von zahlungskräftigen Firmen spezielle Agenturen bemüht, es ist also nicht auf die leichte Schulter zu nehmen und wir dürfen annehmen, dass vor der Entscheidung für so einen ungeheuer originellen Titel wie »Brigitte Woman« viele Köpfe lange Zeit geraucht haben. Aber was hätte es sonst sein sollen? »Brigitte Dame«? »Lady«? »Über 40« großgedruckt?? Dass »Brigitte« in der heutigen Zeit, wo kein Girlie mehr Brigitte gerufen wird, noch »Brigitte« heißen darf, ist für die MacherInnen ein Grund, stolz zu sein.

VOGUE Die international bekannteste Frauenzeitschrift Vogue wurde letztes Jahr 30 Jahre alt. Ein Alter, das die Models im Heft nur selten erreichen. Das Jubiläum: ein Grund zum Feiern? Sicher nicht. Es sind Zeitschriften wie Vogue, die in den letzten Jahrzehnten dazu beigetragen haben, dass das herrschende Schönheitsideal immer jünger und dünner wurde und junge Frauen und Mädchen nicht selten in die Magersucht trieb. Doch die Vogue war nicht nur im Negativen eine Trendsetterin. Neidlos darf ihr zugestanden werden, in der Geschichte der Fotografie, besonders der Modefotografie eine besondere Rolle gespielt zu haben. Weltberühmte FotografInnen wie Sarah Moon oder Helmut Newton arbeiteten für sie. Wie in kaum einer anderen Zeitschrift trifft sich hier jedoch das Beste mit dem Trivialsten. Die Shootings werden wie Staatsempfänge vorbereitet und hinterher erfährt die Leserin, dass Naomi Campbell das Fototeam sechs Stunden warten ließ. Oder: Die einzige Frage, die Stilettokaiser Manolo Blahnik beim Posieren noch häufiger stellte als »Welche Krawatte gefällt dir besser?« war »Wie sehe ich aus?« Während frau sich durch mehr als zweihundert Seiten Werbung, Haut, Schenkel, Lippen, Haare und Diamanten kämpft, werden als geistige Appetithäppchen zwischendurch ernsthafte Texte von renommierten Autoren gereicht. Das ist an Geschmacklosigkeit kaum zu überbieten. (gb)

WOMAN & WORK und JOB @ BUSINESS Die beiden Ableger der Frauenzeitschriften Allegra und Freundin kommen im Handtaschenformat daher und sind für die berufstätige Frau bestimmt, die mehr erreichen will, als im ersten Job zu versauern. Das Format ist praktisch – obwohl doch gerade die Business-Frau kein Handtäschchen sondern meist eine große Mappe mit ihrem halben Büro dabei hat. Der Inhalt der beiden Zeitschriften kann sich sehen lassen: Unmengen von Informationen, Tipps und Adressen ergänzen Erfahrungsberichte von Frauen, die ihre ersten Schritte im Job oder im Ausland gemacht haben. Andere Frauen berichten über ihre Erfahrungen als Existenzgründerin, Vorgesetzte oder in neuen, noch wenig bekannten Berufen. Daneben gibt es auch Mode für den Arbeitsplatz zu sehen. Trotz des hohen Informations- und Motivationsgehaltes der Hefte sollte man die Texte nicht zu unkritisch lesen und sich bei besonderem Interesse noch an anderer Stelle informieren: So mancher Artikel bleibt an der Oberfläche, wie zum Beispiel der Bericht über die neuen »Hartz- Regelungen« in der job @ business (2/2003). Nur die Vorzüge der Mini-Jobs zu erläutern und auf die Nachteile für viele Frauen kaum einzugehen, steht einer Frauenzeitschrift schlecht an. Doch der routinierte Umgang mit Informationssuche darf bei den meisten Leserinnen angenommen werden: Eine Leserinnenanalyse der job @ business ergab, dass 40 Prozent das Abitur oder Fachhochschulreife haben, zwei Drittel Vollzeit arbeiten und ein Fünftel sich beruflich bereits weiterqualifiziert hat. (gb)

FRAUENRAT Die Zeitschrift des Deutschen Frauenrates ist ein Tipp für Frauen, die ab und zu frische Motivation brauchen, um angesichts der mehr oder weniger deutlichen Diskriminierung von Frauen in unserem Land nicht den Mut zu verlieren. Das Heft dürfte den meisten Verbands- und feministischen Projektfrauen bekannt sein. Doch auch nicht-engagierte Frauen, die sich ihr kritisches Bewusstsein über die wenig erfreuliche Stellung ihres Geschlechts in der Gesellschaft bewahrt haben, können aus dieser Zeitschrift Honig saugen: Neben den Informationen über die Arbeit der Verbände und Gruppen sind es vor allem die Porträts und Interviews mit beeindruckenden Frauen, die einen wahren Vitaminstoß für das weibliche Selbstbewusstsein darstellen können. Zum Beispiel über die Präsidentin der Europäischen Frauenlobby Lydia la Rivière- Zijdel (im Heft 5/2003). Die langjährige Frauenrechtlerin lehrt und forscht an der Universität von Amsterdam, bildet Frauen und Männer in Aikido und Selbstverteidigung aus und ist – wie ganz nebenbei – auf den Rollstuhl angewiesen. Durch solche Artikel wird immer wieder deutlich, was die Massenmedien ihren KonsumentInnen – absichtlich oder unabsichtlich – vorenthalten und damit wichtige Identifikationsmöglichkeiten für Frauen einschränken. Die Zeitschrift Frauenrat wurde vor 53 Jahren gegründet und will interessierte Frauen über das aktuelle Geschehen in der Frauenpolitik informieren. Sie erscheint monatlich und kann über www.frauenrat.de bestellt werden.

Gabriele Betzin

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