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Toleranz und Kopftuch

 

hat mit Frau Prof. Dr. Jutta Limbach über ihr gerade erschienenes Buch »Die Demokratie und ihre Bürger. Aufbruch zu einer neuen politischen Kultur« (Beck Verlag) anlässlich der internationalen Buchmesse in Frankfurt gesprochen. In ihrem VI. Kapitel beschäftigt sich die Autorin mit »Toleranz in der multikulturellen Gesellschaft«.

 

Ein aktuelles Stichwort: Toleranz in der multikulturellen Gesellschaft. - Ist das bislang eine Wunschvorstellung – oder doch zumindest Teil der Realität?

»Ansätze haben wir. Wir kennen ja auch einige Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts, die in Richtung Toleranz gewirkt haben. Ich denke, man würde die deutsche Bevölkerung entschieden unterschätzen, wenn man es so darstellte, als ob sie nur noch Ausländer abwehrte. Sondern wir wissen im Grunde genommen, dass die Welt heute ein Dorf ist. Und dass so, wie wir die eigenen Grenzen verlassen wollen, mit anderen kooperieren wollen, dass natürlich auch andere Staaten das gerne tun wollen, und von daher, denke ich, müssen wir alle auf mehr Toleranz hinwirken.«

Konkret: wie steht es um die Toleranz gegenüber den muslimischen Kopftuchträgerinnen? Und sollten solche Kopftuchträgerinnen auch als Lehrerinnen an staatlichen Schulen in Deutschland unterrichten dürfen? Gerade erst hat das Bundesverfassungsgericht den Bundesländern die Entscheidung darüber zugewiesen. Könnte das, angesichts der unterschiedlichen politischen Zielvorstellungen in den Ländern, nicht am Ende zu einer »geteilten Republik« führen?

»Also, es könnte durchaus zu unterschiedlichen Lösungen führen, und das finde ich überhaupt nicht wünschenswert. Dass es einen Unterschied macht, ob jemand von türkischer Herkunft in Bayern oder in Nordrhein-Westfalen oder Berlin lebt. Ich finde die Meinung meiner früheren Kollegen durchaus respektabel, dass sie sagen, diese Frage wird gegenwärtig so heftig diskutiert, wir sollten sie wirklich mal den Souverän, nämlich das Volk, ausdiskutieren lassen, und dann erst auf die parlamentarische Ebene heben. Aber ich denke, die heutige Welt spricht für Toleranz. Wir jedenfalls können uns bei unseren Nachbarstaaten und anderen nur dafür bedanken, welche Toleranz und Rücksichtnahme wir gefunden haben. Und wir würden uns etwas vormachen, wenn wir glaubten, wir könnten noch in homogenen Nationalstaaten leben. Die Welt ist wandlungsfreudig, und es gibt viele Menschen, die ihr Vaterland verlassen müssen. Und wir Deutschen sind da schon in der Pflicht, solchen Flüchtlingen zu helfen, denn unseren Vätern, Großvätern und Müttern ist in den Jahren 33 – 45 im vorigen Jahrhundert auch geholfen worden. Das ist eine bleibende Verpflichtung.«

Aber meinen Sie nicht, das Kopftuch ist ja nicht vorgeschrieben im Koran: Ist es dann nicht übertrieben, im Schulunterricht ein muslimisches Kopftuch zu tragen? Außerdem könnte es dort zu Missverständnissen kommen.

»Dass etwas nicht missverstanden wird, das ist Sache der Lehrer, dafür zu sorgen. Und schauen Sie, unsere Kinder, denken Sie z.B. an Berlin-Kreuzberg, erleben dieses Kopftuch alltäglich. Und es gibt viele junge Frauen, die dieses Kopftuch aus anderen Gründen tragen als wir unterstellen; nicht, weil sie sich von Männern bevormunden lassen und meinen, sie müssten ihre weiblichen Reize bedecken, sondern sie machen es auch ein klein wenig provokativ. Das ist wissenschaftlich untersucht worden, dass es die unterschiedlichsten Gründe gibt, dieses islamische Kopftuch zu tragen. Und ich denke mir, dass wir eher der Toleranz aufhelfen, wenn wir keine Verbote schaffen, sondern uns da ganz offen zeigen. Denn wichtig ist, dass diese Lehrer und Lehrerinnen, die aus islamisch geprägten Ländern kommen, nicht indoktrinieren. Dagegen kann sich die Schule wehren. Und unsere Kinder, selbst die kleinen, sind so wach, dass der Schule nicht verborgen bliebe, wenn da im Grunde genommen indoktriniert werden würde, pro Islam.«

Ursula Geiling

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