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Shirin Ebadi,

die Frau mit dem Löwenherz

Die iranische Friedensnobelpreisträgerin hat gelernt, »die Furcht zu überwinden« und kämpft seit 20 Jahren engagiert für Menschenrechte, für Frauen und Kinder und gegen Diskriminierung und Unterdrückung in ihrem Land

Shirin Ebadi ist eine mutige Frau. Denn frau muss sehr viel Mut besitzen, um sich mit den mächtigen, fanatischen und frauenverachtenden Mullahs im Iran anzulegen, sich jahrzehntelang für die in diesem Land mit Füßen getretenen Menschenrechte und für Demokratie zu engangieren und unerschrocken einzusetzen. Das Osloer Komitee hat unter 165 Nominierten Shirin Ebadi jetzt für ihren Mut mit dem Friedensnobelpreis 2003 ausgezeichnet. Sie ist erst die elfte Preisträgerin in der 102-jährigen Geschichte des Nobelpreises.

Von der Ehrung noch bewegt, erschüttert und geehrt, nutzte die aktive Frauenrechtlerin und Kriegsgegnerin die Stunde, um die sofortige Freilassung aller politischen Häftlinge im Iran zu fordern und sich gegen die Nuklearpläne des Mullah-Regimes auszusprechen. Shirin Ebadi wurde 1947 im Iran geboren. Sie schloss ihr Jura-Studium an der Teheraner Universität ab. Als eine der ersten weiblichen Richter arbeitete sie am Teheraner Stadtgericht, bis die Ayatollahs 1979 die Macht im Staat ergriffen und die Mutter von zwei Töchtern ihres Amtes enthoben. Für Frauen in einflussreichen Positionen war ab sofort in diesem islamischen »Gottesstaat« kein Platz mehr. Sie seien »zu emotional und irrational«.

Ebadi arbeitete als Anwältin weiter. Sie vertrat – und tut es noch immer – Familien von Intellektuellen oder oppositionellen Politikern, die politisch angestifteten Mordserien zum Opfer fielen. Sie deckte auf – in der so genannten »Videokassetten-Affäre« -, dass die blutige Gewalt gegen demonstrierende Studenten im Sommer 1999 von zwei der ranghöchsten Mullahs initiiert war. Für ihren Einsatz musste Shirin Ebadi sich vor Gericht verantworten, erhielt eine Freiheitsstrafe von 15 Monaten und Berufsverbot für fünf Jahre. Sie legte Widerspruch ein und wurde dann zu einer Geldstrafe von umgerechnet 300 Euro verurteilt. Sie lernte trotzdem das Gefängnis von innen kennen, wie viele andere wurde auch sie für ihr Engagement verhaftet, verhört und eingesperrt.

Vor 18 Jahren gründete die Iranerin eine Gesellschaft für Kinderrechte, die »Association for Support of Children’s Rights in Iran«. Die Organisation kümmert sich unter anderem um Straßenkinder, von denen es alleine in Teheran zwischen 25.000 und 30.000 im Alter von 6 bis 15 Jahren gibt. Ebadi veröffentlichte das Buch »Die Rechte des Kindes« und arbeitet als Journalistin bei der wichtigsten feministischen Zeitschrift im Iran »Zanan« (Frauen). Die Zeitung tritt, aus dem Islam heraus argumentierend, für Frauenrechte ein und publizierte zum Beispiel Beiträge über Prostitution und Kindesmissbrauch. Als »Anwältin der Kinder« kämpft die Nobelpreisträgerin beispielsweise gegen das Unrecht, dass Frauen kein Sorgerecht für ihre Kinder bekommen können.

»Die Verleihung des Preises an Shirin Ebadi wird nichts an den Gesetzen ändern, aber sie wird den iranischen Frauen mehr Selbstbewusstsein geben ..., jetzt wissen sie, dass sie im Ausland bemerkt werden«, sagt Shalah Lahiji, eine enge Freundin und Verlegerin von Ebadi. Die Frauenbewegung wächst langsam aber stetig. Frauen sind das intellektuelle Übergewicht im Iran, 63 Prozent der Studenten im Iran sind weiblich. Frauen stellen ein Drittel der Arbeitskräfte. Im Parlament sitzen 13 weibliche Abgeordnete. Die Zahl der Weblogs im Internet nehmen zu, in denen zahlreiche iranische Mädchen offen aus ihrem Leben erzählen (z.B. www.iranian-girl.blogspot.com). Auf diesen Webseiten wird auch die Auszeichnung für Shirin Ebadi diskutiert, überwiegend in sehr positiver Form.

Negativ beurteilen – natürlich – die konservativen Kräfte im Iran die Preisverleihung, beispielsweise als Einmischung in die inneren Angelegenheiten des Landes. Der einstige Hoffnungsträger Präsident Khatami meinte unter anderem dazu: »Eine rein politische Entscheidung. Ein Friedensnobelpreis ist nicht viel wert, im Gegensatz zum Literatur- oder Medizinnobelpreis«! Regierungsnahe Blätter ignorierten Ebadi weitgehend, während reformorientierte Zeitungen auf der Titelseite berichteten.

Shirin Ebadi, die während der Bekanntgabe der Auszeichnung in Paris weilte, wurde bei ihrer Rückkehr in den Iran von Zehntausenden begeisterten Frauen in weißen Kopftüchern empfangen. Weiß – als Zeichen des Friedens. Apropos Kopftuch: Shirin Ebadi trägt ein Kopftuch nur im Iran – »weil es dort Gesetz (nicht Religion!) ist. Woanders gilt dieses Gesetz nicht«, sagt die mutige Friedensnobelpreisträgerin und legt außerhalb ihres Heimatlandes das Symbol weiblicher Unterdrückung ab.

Helge Ebbmeyer

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