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Trennung - Scheidung - und dann?

10 Fragen an die Rechtsanwältin Traute Reents

 

Frau Reents, ich freue mich, Sie nun unter ganz anderen Umständen wiederzusehen, nachdem Sie mich vor 15 Jahren sehr kompetent und einfühlsam durch meine Scheidung begleitet haben. Mir imponierte damals besonders, dass Sie für mich keine »Kriegserklärung« gegen meinen Mann verfasst haben und Ihre Beratung auf eine für beide Seiten würdevolle Auseinandersetzung ausgerichtet war.

Ist dieser Beratungsstil Ausdruck Ihrer persönlichen Grundeinstellung?

Ja, so ist es. Ich möchte mich auf keinen Fall als Racheengel gegen den jeweiligen Ehepartner missbrauchen lassen. Das Ziel meiner Arbeit ist es, Recht im Sinne des Wortes für meine Mandantin oder meinen Mandanten durchzusetzen. Es sollte kein Porzellan zerschlagen werden, das noch intakt ist. Deshalb wurde auch vor einigen Jahren in Deutschland die Möglichkeit zur Mediation aufgegriffen, wo eine neutrale AnsprechpartnerIn mit beiden Parteien nach gangbaren Wegen sucht.

Dabei sollte, gerade wenn gemeinsame Kinder da sind, immer das Danach im Mittelpunkt stehen; für beide Seiten sollte ein akzeptabler Neuanfang möglich sein.

Geht nach Ihrer Erfahrung der Wunsch nach einer Scheidung häufiger von Frauen oder von Männern aus?

Scheidungsanträge werden zu circa 70 Prozent von Frauen eingereicht, obwohl in vielen Fällen die Männer eine Trennung gewollt haben. Das ist eine Stärke von Frauen:

Wenn die Situation für sie nicht mehr tragbar ist, werden sie aktiv. Männer dagegen verharren länger in unangenehmen Situationen, nur um nicht handeln zu müssen.

Wenn sich eine Frau zu einer Trennung entschließt, worauf sollte sie vor allem achten?

Erstens: Um sich vor unangenehmen Überraschungen zu schützen, sollte sich eine Frau schon vor der Trennung rechtlich beraten lassen. Zu klären sind vor allem die wirtschaftlichen Verhältnisse der Familie oder des Paares.

Zweitens: Es sollten Kopien beschafft werden von Gehaltsabrechnungen, Steuererklärungen und Kontoauszügen, auch über Versicherungen und laufende Kosten oder Schuldendienste sollten Belege vorliegen, ebenso über die vorhandenen Vermögenswerte und Ersparnisse. Die Einkommensnachweise sind erforderlich, um sich den Kindesunterhalt und eigene Unterhaltsansprüche ermitteln zu lassen und diese rechtzeitig geltend zu machen. Nicht geforderter Unterhalt kann später nicht rückwirkend beansprucht werden.

Drittens: Auch sollten vor der Trennung die Rechtsfolgen eines Auszuges aus der Ehewohnung bekannt sein.

Viertens: Sind Kinder vorhanden, muss entschieden werden, wo die Kinder nach der Trennung leben sollen, über Hilfen – zum Beispiel Erziehungsberatungsstelle, Kinderschutzbund, Jugendamt, Therapie – muss nachgedacht werden, damit sie die Trennung und evtl. spätere Scheidung der Eltern besser verkraften können.

Fünftens: Am 1.7.1998 trat das Kindschaftsreformgesetz in Kraft, u.a. mit der Folge, dass das gemeinsame Sorgerecht auch nach der Scheidung zur Regel wurde. Maßgeblich ist jetzt die Einigung über den Aufenthalt des Kindes. Das Aufenthaltsbestimmungsrecht ist sonst beim Familiengericht zu beantragen.

Entscheidet sie sich schließlich für eine Scheidung, welche Punkte muss sie dann besonders beachten?

Durch Zustellung des Scheidungsantrags endet zum einen der Zeitraum, für den der Versorgungsausgleich durchgeführt wird, d.h. die beiderseits in der Ehe erworbenen Renten- und anderen Altersversorgungsansprüche sollten so ausgeglichen werden, dass beide Ehepartner aus der Ehe gleich hohe Anwartschaften erhalten. Ist die Frau nicht oder nur geringfügig sozialversicherungspflichtig erwerbstätig, ist dies zu bedenken. Ihre eigenen Rentenansprüche sollte sie möglichst frühzeitig bei der BfA oder LVA klären lassen.

Ab Zustellung hat sie ggf. einen Anspruch auf Altersvorsorgeunterhalt, zu dessen Zahlung sie auffordern muss.

Der Stichtag der Zustellung ist zum anderen maßgeblich für die Berechnung des Zugewinnausgleichs, für das Endvermögen jedes Ehepartners. Daher auch die Bedeutung von Belegen für vorhandenes Vermögen (!), auch das am Tage der Eheschließung vorhandene, sowie über Schenkungen und Erbschaften während der Ehe.

Wie ist die Situation, wenn der Scheidungsantrag vom Ehemann gestellt wird?

Das kann zugewinnrechtlich für die Frau von Nachteil sein, weil der besagte Stichtag dann vom Ehemann abhängt und er möglicherweise bis dahin Vermögenswerte verschwinden lassen kann, damit sie bei der Zugewinnberechnung nicht einbezogen werden können.

Wollen beide Seiten die Scheidung, wer von beiden sollte den Antrag stellen?

Es sollte der/diejenige die Scheidung einreichen, der/die eigene Forderungen gegenüber dem Partner hat. Bei Einigkeit darüber sollte der-/diejenige, der/die das geringere Einkommen hat, selbst den Antrag stellen, wenn die Voraussetzungen für Prozesskostenhilfe vorliegen.

In welchen Fällen ist eine notarielle Scheidungsfolgevereinbarung ratsam?

Immer dann, wenn Ehegattenunterhalt und Zugewinnfragen gelöst werden müssen und wenn gemeinsame Immobilien vorhanden sind. Der jeweils andere Partner braucht dann für das Scheidungsverfahren keinen eigenen Anwalt. Die Kosten werden dadurch niedriger gehalten.

Welche Rechte haben Kinder bei einer Scheidung ihrer Eltern?

Sie haben das Recht, sich zu äußern, bei welchem Elternteil sie leben wollen und sie haben Mitspracherecht im Hinblick auf die Besuchsregelung. Seit 1998 haben sie das Recht auf Umgang.

Dürfen Kinder entscheiden, ob sie beim Vater oder bei der Mutter leben wollen?

Nein, entscheiden können sie nicht, aber das wäre auch geradezu unmenschlich, von einem Kind eine solche Entscheidung zu verlangen. Je älter sie sind, umso mehr werden ihre Wünsche jedoch berücksichtigt.

Frau Reents, ich bedanke mich sehr für Ihre Bereitschaft, mir für dieses Interview zur Verfügung zu stehen, trotz Ihrer vielen Termine.

Christa Bertz

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Abschließend sei noch darauf hingewiesen, dass Frau Reents bei Sefo in Darmstadt regelmäßig alle sechs Monate einen Vortrag über das Scheidungsfolgerecht hält.

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