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Meine Lieblingsmänner in der Geschichte

Jahrhundertelang waren Männer von der Überzeugung erfüllt, dass Frauen ihnen von Natur aus körperlich und geistig unterlegen seien. Frauenemanzipation lehnten sie mit dem Argument ab, sie sei wider Natur und von Gott bestimmter Ordnung. Seit ewiger Zeit kämpften Frauen gegen diese Auffassung, sie forderten mehr Rechte für Bildung und Ausbildung, das Recht auf Erwerbsarbeit und politische Partizipation. Weniger bekannt ist, dass es auch wenige kluge Männer gab, die noch vor der Entstehung der organisierten Frauenbewegung die Gleichstellung der Geschlechter befürworteten. Mit ihren Schriften zur Frauenemanzipation schufen sie die theoretische Basis für die Forderung der Frauen auf Gleichstellung der Geschlechter.
Vier dieser Männer möchte ich im Folgenden vorstellen, die sich nicht nur durch Scharfsinn, sondern auch durch Humor, Sanftmut und Liebe im Umgang mit Frauen auszeichneten.

 

Theodor Gottlieb Hippel (1741-1796)

»Wo, wann und wie entstand die Überlegenheit des Mannes über das Weib? Was gab dem Manne das Schwert in die Hand? Und was verwies das Weib an die Spindel?«

Mit solchen und ähnlichen Fragen beschäftigte sich Theodor Gottlieb Hippel (Bild unten) im ausgehenden 18. Jahrhundert im fernen Königsberg. In seiner Schrift Über die bürgerliche Verbesserung der Weiber, die er 1792 veröffentlichte, empörte sich der Philosoph, dass infolge der Französischen Revolution Menschenrechte nur den Männern zuteil wurden und sie Frauen weiterhin vorenthalten blieben. Die männliche Herrschaft über die Frauen ist nicht naturgegeben, stellte Hippel lapidar fest, sie ist das Ergebnis einer langen gesellschaftlichen Entwicklung. Die Wurzeln liegen weit zurück in der Geschichte der Menschheit. Nach Analyse der Ursachen der Frauenunterdrückung in fast allen ihm bekannten Gesellschaften, forderte der Philosoph eine bessere Erziehung für Mädchen, damit sie genauso am Staatsleben teilnehmen könnten wie Knaben:

»Die Scheidewand höre auf! Man erziehe Bürger für den Staat, ohne Rücksicht auf den Geschlechtsunterschied, und überlasse das, was Weiber als Mütter, als Hausfrauen wissen müssen, dem besondern Unterricht; und alles wird zur Ordnung der Natur zurückkehren. Noch lange ist Erziehung nicht das, was sie sein könnte und sollte.«

Die bürgerliche Gesellschaft brauche nach Hippel die volle Entfaltung der Frauen, damit sie vollwertige Bürgerinnen in ihr werden. Diese Erkenntnis und die Art wie Hippel seine Argumente zugunsten der Frauenemanzipation hervorbringt, macht ihn unendlich sympathisch. Er, der nicht nur philosophische, sondern auch humoristische Schriften verfasste und auch außerhalb seines Schreibtisches als Politiker – er war unter Anderem Bürgermeister von Königsberg - Karriere machte, war mit seinen Schriften zur »Frauenfrage« bei seinen Zeitgenossen nicht gerade beliebt. Sein berühmter Philosophenkollege Kant, an dessen Tafelrunde Hippel regelmäßig Gast war, billigte ganz gewiss nicht seine Ansichten über die Frauenemanzipation. Bekanntlich fehlen in der Kantschen Philosophie Vorstellungen von der Frau als einem frei handelnden Wesen. Zeitgenössische Kritiker (Frauenstimmen fehlen) zählte Hippels Schrift über die Stellung der Frau in der bürgerlichen Gesellschaft übrigens zu seinen schlechtesten Arbeiten. Seine Ansichten über die Vorzüge der Frauen sind nach ihrer Meinung nirgendwo sichtbar, sie existierten nur im Kopf des Autors.

Charles Fourier (1772-1837)

Seine Gedanken und Vorschläge zur Schaffung einer glücklichen Gesellschaft, in der Frauen und Männer harmonisch miteinander leben und arbeiten, machten den französischen Utopisten Charles Fourier vor allem bei Leserinnen seiner Schriften zu einem der meistgeschätzten Denker der Geschichte. Er ist nach Meinung der Frankfurter Professorin Ute Gerhardt sogar, »der erste explizit als Feminist zu bezeichnenden Sozialphilosoph«.

Fourier übte massive Kritik an der bürgerlichen Gesellschaft, in der krasse Ungleichheiten zwischen Arm und Reich und Mann und Frau vorherrschten. Die althergebrachten Einrichtungen verhinderten, dass der Mensch seine natürlichen positiven Möglichkeiten entfaltete. Mit der Schaffung von kleineren überschaubaren Gemeinschaften, in denen die Menschen entsprechend ihrer Charakterstruktur, ihrer »Leidenschaften« zusammen lebten und ihre Arbeit organisierten, glaubte Fourier, würden alle Übel der modernen Gesellschaft beseitigt.

Bahnbrechend ist seine Erkenntnis – wir sind Anfang des 19. Jahrhunderts! -, dass das Ehe- und Familienrecht allen Frauen ohne Ausnahme den Beruf der Hausfrau aufzwingt, obwohl nur ein kleiner Teil der Frauen tatsächlich dazu Neigung verspürt:

»Wenn wir die jungen Mädchen darauf beobachten, so werden wir finden, dass sich höchstens ein Viertel zur Hausfrau eignet und dass drei Viertel an dieser Beschäftigung keinen Gefallen finden«

… schreibt Fourier und entwirft eine neue Gesellschaftsordnung, in der häusliche Arbeiten so vereinfacht werden, dass nur wenige Gesellschaftsmitglieder damit beschäftigt werden müssen. Revolutionär sind seine Ansichten auch über das Sexualleben. Fourier fordert die Aufhebung der Monogamie auch für Frauen. Die sexuelle Beziehung solle weder zu einem Vertrag noch zu einem Bund führen. Nur Zuneigung, Liebe und Begehren sollen das Zusammenleben der Geschlechter regeln. Solche Ansichten lösten natürlich sowohl in staatlichen als auch in kirchlichen Kreisen Skandal und vehemente Ablehnung aus.

John Stuart Mill (1806-1873)

Der englische Philosoph (Bild oben) war wahrscheinlich der erste Wissenschaftler, der mit seiner Frau Harriet Taylor Mill (1807-1860) nicht nur in einer gleichberechtigten Partnerschaft, sondern auch in einer harmonischen Arbeitsgemeinschaft lebte.

Ihr Gemeinschaftswerk zur Frauenemanzipation erschien in deutscher Übersetzung 1869 unter dem Titel: Die Hörigkeit der Frau und fand in kürzester Zeit große Verbreitung. Die Übersetzerin war übrigens Jenny Hirsch, Sekretärin des Berliner Lette-Vereins und eine enge Freundin der Darmstädterin Luise Büchner. Das Buch wurde sowohl von radikalen Frauenrechtlerinnen als auch von vielen Frauen des Bildungsbürgertums begeistert gelesen. Die Mills forderten die Gleichstellung der Geschlechter in allen gesellschaftlichen Bereichen: in der Bildung ebenso wie in der Arbeit, in der Sexualität ebenso wie auf der politischen Bühne.

Im Vorwort zu dem Buch, das erst nach dem Tod seiner Frau erschienen ist, schrieb Mill:

»Die vorliegende Arbeit hat den Zweck, so klar, wie es mir irgend möglich ist, die Gründe darzulegen, welche mich von der frühesten Zeit an, zu einer Ansicht bestimmten ...dass das Prinzip, nach welchem die jetzt existierenden sozialen Beziehungen zwischen beiden Geschlechtern geregelt werden – die gesetzliche Unterordnung des einen Geschlechtes unter das andere – an und für sich ein Unrecht und gegenwärtig eines der wesentlichsten Hindernisse für eine höhere Vervollkommnung der Menschheit sei.«

Deshalb forderte Mill dieses System durch ein anderes zu ersetzen, in dem ein Prinzip herrscht, »welches von der einen Seite keine Macht und kein Vorteil zulässt und von der andern keine Unfähigkeit voraussetzt«.

John Stuart Mill muss ein sanfter und bescheidener Mann gewesen sein. Und ein sehr liebevoller. Immer wieder betonte er, wie viel er seiner Frau verdankte.

»Wie alles, was ich seit vielen Jahren geschrieben habe, ist er der ihre so sehr wie der meine ... Wäre ich nur imstande, der Welt die Hälfte der großen Gedanken und edlen Gefühle zu erschließen, die in ihrem Grabe ruhen, so würde ich ihr wahrscheinlich einen größeren Dienst erweisen als durch irgend etwas von dem, was ich ohne den Einfluss und durch die Unterstützung ihrer beinahe unvergleichlichen Weisheit schreiben kann« – schrieb er im Vorwort zu seinem Essay On Liberty.

August Bebel (1840-1913)

Nur wenige Bücher hatten im 19. Jahrhundert so viel Erfolg wie Bebels (Bild Mitte) Buch Die Frau und der Sozialismus, das 1878 erstenmal erschien und bis zum Jahr 1909 50 mal in deutscher Sprache aufgelegt war. Dazu kamen Übersetzungen in zahlreichen Sprachen. Nicht nur Arbeiterinnen, sondern bürgerliche Frauen der Mittelschicht lasen das Buch über den Wandel der Fraurolle von der Urgesellschaft bis zur bürgerlichen Familie in Lesezirkeln oder in stillen Kämmerchen. Zahlreiche persönliche Zeugnisse, zum Beispiel von Rosa Luxemburg, Clara Zetkin, Marie Juchacz und Ottilie Baader belegen die nachhaltige Wirkung, die Bebels Buch auf die Frauen hatte.

Der gelernte Drechslermeister fand neben seiner politischen Arbeit Zeit, sich wissenschaftlich mit der Geschichte der Frauenarbeit, der Geschlechtsverhältnisse, der Prostitution und anderen Fragen der Frauenunterdrückung zu beschäftigen. Obwohl seine Darstellung in vielen Bereichen heute als überholt gelten dürfte, ist seine These, dass die ökonomische Entwicklung die Unterdrückung der Frauen verursacht hat, heute noch gültig. Freilich wurde seine Hoffnung, dass Frauen in einer klassenlosen Gesellschaft völlig gleichberechtigt leben und arbeiten werden, von der Geschichte nicht bestätigt. Die Hauptsorge für Familie und Kinder lag auch in den »real existierenden sozialistischen Staaten« der jüngsten Vergangenheit auf den Schultern der Frauen.

Dass Bebel sich nicht nur theoretisch, sondern auch in der Praxis für die Gleichberechtigung der Frauen einsetzte, zeigen seine Briefe an seine Frau Julie (1843-1910). Im Gegensatz zu vielen seiner Kampfgefährten in der Sozialdemokratischen Partei stand für Bebel die Gleichrangigkeit seiner Ehefrau Julie außer Frage.

In seinen Lebenserinnerungen, die August Bebel »Meiner lieben Frau« widmete, ehrte er sie 1910 als »eine Stütze und eine Förderin« seiner Bestrebungen. Rückblickend auf die gemeinsame Jahre schrieb er, dass Julie »viele schwere Tage, Monate und Jahre zu durchkosten gehabt hatte, bis ihr endlich die Sonne ruhigerer Zeiten schien.«

Agnes Schmidt

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