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Neue Manns-Bilder gesucht

Interview mit Paul-Hermann Gruner

Paul-Hermann Gruner ist einer der Männer, die seit einigen Jahren das Mann- Sein aus neuen Blickwin- keln beleuchten und öffentlich verkünden, dass sie sich keineswegs als das starke oder gar privilegierte Geschlecht verstehen. Mit seiner vielbeachteten Streitschrift »Frauen und Kinder zuerst - Denkblockade Feminismus« (in Nr. 48 rezensiert) hat er im Jahr 2000 als einer der Ersten die Benachteiligung von Männern, zum Beispiel in der Gesundheit, thematisiert und eine sowohl überaus breit und tief angelegte als auch ironisch überspitzte Feminismuskritik geübt.

Paul-Hermann Gruner, Jahrgang 1959, ist Teilzeit-Redakteur beim »Darmstädter Echo«, um sich neben dem Beruf seinen verschiedenen Interessen widmen zu können, als da wären: seine Tochter, die bildende Kunst, das Schreiben über Politik und Sprache und nicht zuletzt das Arbeiten am Thema Mann, zur Zeit unter besonderer Berücksichtigung der Jungs. Der Politikwissenschaftler sieht sich als Ideologie- und Kulturkritiker, als Kritiker aller -ismen, sei es Kapitalismus, Kommunismus oder eben Feminismus.

Frau gleich Opfer?

»Wie alle -ismen pflegt auch der Feminismus den Tunnelblick und vernachlässigt, was rechts und links des eigenen Blickwinkels ist. Anstatt das Potential des Gemeinsamen zwischen den Geschlechtern zu betonen, wurde und wird permanent jeder Unterschied überbetont, und zwar so, dass es ideologisch nutzt. Kurz: Unter Männern oder unter Frauen kann es viel größere Unterschiede und Ungerechtigkeiten geben als zwischen den Männern und den Frauen.«

Die Erfolge der Frauenbewegung der letzten dreißig Jahre seien, so Gruner, richtig und wichtig, hätten allerdings auch damit zu tun, dass sich Frauen als alleiniges gesellschaftliches Opfer stilisieren konnten. Heute operierten Frauen durchaus aus einem anerkannten, etablierten Opferstatus heraus - samt dem emotionalen Zuspruch, der daraus folge und all den finanziellen Töpfen zum Ausgleich der Benachteiligung, die für Gruner inzwischen oftmals eine »behauptete Benachteiligung« ist.

Ein Zitat aus einem Buch der Autorin Sibylle Berg lautet: »Ein richtig schönes Männerleben.« Was stellen Sie sich darunter vor?

»Diese pauschalen Vorstellungen von dem Männerleben - oder dem Frauenleben - sind doch wesentlich fremdbestimmt und überholt. Mit den damit zusammenhängenden Ideen müsen wir uns ja permanent befassen, mit diesen verkrusteten Strukturen im Denken und im Handeln. Das müssen wir ganz und gar Richtung Selbstbestimmung verändern. Ich bin dafür, dass Männer Frauenträume träumen, und Frauen Männerträume, vor allem aber bin ich dafür, dass die Umsetzungen moralisch erlaubt und gesellschaftlich gefördert werden - und das bitte für beide Seiten. Ein richtig schönes Männerleben - das klingt mir fatal nach Klischee.Diese Bilder sind alle diskreditiert, außer Macht, Ruhm und Reichtum, aber davon träumen auch Frauen. Alle anderen Männlichkeits-Philosophien sind als gescheitert zu betrachten.«

»Echte Männer!«

»Alle alten männlichen Leitbilder sind seit der Studenten- und mit der Frauenbewegung entweder zweifelhaft geworden oder sie werden nicht mehr geduldet.Neue sind aber nicht da. Als Leitbild weggefallen ist zum Beispiel die Rolle des Familienernährers - obwohl es ihn in der Realität noch allzu oft gibt. Als Ersatz für wirkliche Leitbilder gibt es hie und da Männlichkeitsgehabe. Öffentliche Leitbilder wie Michael Schumacher oder Eminem existieren, sind für mich aber verzweifelte Formen von Pseudo-Männlichkeit. Ein Problem ist für Jungs, dass neue, zukunftsfähige Orientierungsmuster in der Familie kaum vorgelebt werden, öffentlich aber auch nicht: Wo ist der Teilzeit-Mann, der als Leitbild taugt? Ein solches anderes Männlichkeitsbild versuche ich persönlich vorzuleben oder zu schildern. Öffentlich wird es nirgends organisiert. Für Jungs gibt es heute kein sozial attraktives und vernunftgeleitetes Bild von Männlichkeit. Von den Müttern kommt übrigens auch keins. Das haben inzwischen auch viele ehemals spurtreu feministische Autorinnen wie Edith Schlaffer und Cheryl Benard erkannt. ›Jungen sind die Stiefkinder der Moderne‹, schreiben die beiden heute.«

Kuscheln und kämpfen

Das Konkurrenz- und Leistungsdenken der Männer zieht sich quer durch alle Zeiten und Kulturen. Muss man dieses Denken vielleicht als naturgegeben hinnehmen?

»Männer definieren sich allzusehr über Leistung. Richtig. Aber sie werden auch abgerichtet darauf. Selbst als Mensch wertgeschätzt zu sein, als eher schlichtes Ich, das erleben soviele Männer gar nicht. Oder sie vertrauen darauf nicht. Deshalb diese Sucht, Anerkennung durch Leistung zu bekommen. Durch das Hervortun. Durch Eingehen von Risiken. Ich würde mir wünschen, dass die Gesellschaft mit der Realität des Weichei- und Waschlappen-Mannes ganz entspannt umgeht. Der ist genau so wenig hyper-wagemutig wie die allermeisten Frauen. Wenn Sie in die tagtägliche Erziehung von Jungs reinschauen, merken Sie, wo es eben dort hakt.»

Ist die Vereinbarkeit von Beruf und Familie ein Thema unter Männern?

»Ja, in bewussteren Kreisen schon. Viele Männer hegen ja auch den Wunsch nach einer Familienpause oder Vaterschaftsurlaub. Das wird letztlich so wenig umgesetzt wegen des meist höheren Verdienstes der Väter und wegen der herkömmlichen Arbeitsorganisation. Wenn ein Mann heute im Betrieb den Wunsch nach Teilzeitarbeit äußert, wird er doch gefragt: warum, sind Sie schwanger? Ich stelle aber fest, wenn es denn einer in einem Betrieb geschafft hat, Teilzeit zu arbeiten, dann kommt der nächste Mann mit demselben Wunsch gleich hinterher. Der Erste muss aber darum kämpfen.«

Zurück in die Fünfziger: Keine Experimente!

»Familien könnten sich natürlich auch mal gegen das Geldargument entscheiden. Also: Vater bleibt daheim, obwohl er ein bißchen mehr verdient hat. Das kann jedenfalls ein enormes Plus an Lebensqualität bedeuten. Haushalt mit Kind ist für mich vor allem durch drei positive Dinge geprägt: eigene Zeiteinteilung, eigenes Arbeitstempo und kein Mobbing. Bei der momentanen Wirtschaftslage neigen die Familien allerdings eher dazu, auf materielle Sicherheit zu setzen und keine Experimente einzugehen.«

Was möchten Sie den feministisch »unterwanderten« -Leserinnen mit auf den Weg geben?

»Ich hätte gern dreierlei. Erstens, dass Frauen die ideell hoch bequeme Opferrolle abstreifen. Diese Haut ist der Frauenbewegung einfach zu eng geworden. Raus aus dem Jammern. Zweitens, dass Frauen die Eigenanteile an dem, was ist, diskutieren. Das betrifft Krieg, Frieden, Politik, Wirtschaft, Schule und alles sonst. Auch all jene Effekte, die sich aus dem Erziehungs-Matriarchat ergeben, dass in den allermeisten Fällen die ersten zehn Jahre im Leben jedes Menschen in unserer Kultur prägt. Drittens wünsche ich mir Unvoreingenommenheit gegenüber jedermann und -frau. Für mich hat das mein Vater vorgelebt, der als Arzt jeden gleich gewürdigt hat, ob jung oder alt, weiblich oder männlich, gut betucht oder Hilfsarbeiter. Einzelne nicht mehr individuell wahrzunehmen, sondern nur als Repräsentant einer Gruppe, das vereinfacht zwar das Erstellen von Feindbildern, erschwert aber das Verständnis, gerade auch das zwischen Männern und Frauen im kulturellen Kontext des Übergangs. Das Schubladen-Denken und Schranken-errichten irritiert mich, ehrlich gesagt, vor allem bei jenen, die einst angetreten waren, alle Schranken niederzureißen. Dazu zählen auch Feministinnen.«

Renate Arnemann

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