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Ein "Hartz" für Frauen?

Seit Januar ist das viel diskutierte Hartz-Konzept zur Arbeitsmarktreform in Kraft. Die Bundesregierung wollte damit die Situation auf dem Arbeitsmarkt verbessern. Spezielle Angebote für Frauen gibt es dabei nicht. Aber einige der Punkte berühren Arbeitsbereiche, von denen viele Frauen besonders betroffen sind. Dazu gehören vor allem die Mini-Jobs und der Ausbau der Zeitarbeit. Was hat "Hartz" für Frauen gebracht?

Abgabenfreie Mini-Jobs

Nach der Neuregelung der geringfügigen Beschäftigungen durch die sogenannten Mini-Jobs können jetzt alle Frauen (und Männer) bis zu 400,- Euro monatlich dazu verdienen – und das steuer- und sozialabgabenfrei. Wer mehrere Mini-Jobs hat, muss diese zusammenrechnen. In diesem Fall sind die entsprechenden Steuern und Sozialabgaben abzuführen. Als Nebenbeschäftigung neben einer Vollbeschäftigung ist ein Mini-Job frei von Abgaben, dann allerdings ist nur ein Mini-Job zugelassen. Das Besondere an den Mini-Jobs: Allein der Arbeitgeber entrichtet eine Pauschalabgabe von insgesamt 25 Prozent des Lohnes an die Sozialversicherungsträger und das Finanzamt. Bei Mini-Jobs in privaten Haushalten zahlt die Arbeitgeberin nur zwölf Prozent. Der Haken daran: Der Arbeitgeber zahlt zwar die pauschalen Abgaben – dennoch hat die geringfügig Beschäftigte keinen eigenen Krankenschutz, keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld und nur einen minimalen Rentenanspruch. Für die Bundesarbeitsgemeinschaft kommunaler Frauenbüros (BAG Berlin) erfüllt die Ausweitung dieser Mini-Jobs den Tatbestand der mittelbaren Diskriminierung, weil diese Arbeitsverhältnisse überwiegend Frauen aus dem Sozialversicherungssystem katapultieren und damit rechtswidrig im Sinne des EU-Rechts seien.

Bei der Prüfung, ob das Arbeitsentgelt 400,- Euro übersteigt, kommt es übrigens nicht darauf an, ob die Mini-Jobberin untertariflich bezahlt wird und nur deshalb unter der 400,- Euro-Grenze bleibt. Wenn sie einen Rechtsanspruch auf ein höheres Gehalt, auf Urlaubs- und Weihnachtsgeld und andere Sonderzahlungen hat, werden diese mit eingerechnet. Bei späteren Betriebsprüfungen könnten für solche »Pseudo«-Mini-Jobs Sozialbeiträge zu berappen sein –bis zu vier Jahre rückwirkend. Aber es wird nicht gleich bei einem Euro über dem Grenzwert der volle Versicherungsbetrag verlangt. Für Jobs, deren Lohn zwischen 400,- und 800,- Euro liegt, werden ermäßigte und gestaffelte Arbeitnehmerbeiträge zur Sozialversicherung erhoben. Dieses »Gleitzonenprinzip« gilt jedoch nicht für Zweitbeschäftigungen.

Für Frauen, die länger in Mini-Jobs arbeiten, kann das Recht auf Aufstockung der Rentenversicherung interessant sein. Sie können die Pauschbeträge des Arbeitgebers bis zum vollen Beitragssatz aufstocken. Laut Deutschem Frauenrat sind dies 14,5 Prozent, um höhere Rentenanwartschaften und sogar den vollen Versicherungsschutz bei Erwerbsminderung zu erwerben. Natürlich könne sich das aber kaum eine Beschäftigte leisten, kritisiert der Deutsche Frauenrat. »Sozialhilfebedürftigkeit und Altersarmut sind vorprogrammiert. Für Frauen in den betroffenen Berufen bedeutet das: Der schon jetzt hohe Abstand ihrer Altersrenten zu den deutlich höheren Renten von Männern wird sich weiter erhöhen.«

Durch dieses Gesetz werde die Umwandlung von Vollzeit- und Teilzeitstellen in geringfügige Beschäftigungen gefördert – zu Lasten der Beschäftigten und der Allgemeinheit, konstatiert der Frauenrat. Erfasst werde der gesamte expandierende hauswirtschaftliche und pflegerische Bereich. »Hartz« treffe nicht nur die Haushaltshilfen, an die in der Hartz-Kommission vor allem gedacht wurde. Es erfasse auch Berufe wie Hauswirtschafterinnen, Altenpflegerinnen, Erzieherinnen und Krankenpflegerinnen. Das Gesetz bevorzuge so massiv die geringfügigen Beschäftigungsverhältnisse, dass sie gegenüber regulären sozialversicherungspflichtigen Stellen konkurrenzlos billig seien.

Ausbau der Zeitarbeit

Mit »Hartz« werden Personal-Service-Agenturen (PSA) bei den Arbeitsämtern eingerichtet, die wie private Zeitarbeitsfirmen arbeiten und ausgewählte Arbeitslose bei sich anstellen sollen. Sie verleihen diese dann an Arbeitgeber, die vorübergehend Bedarf haben. Auch beim System der herkömmlichen Leiharbeit ändert sich etwas: Ab Januar 2004 sollen für die Leiharbeiterinnen die gleichen Bedingungen gelten wie für die anderen Mitarbeiter. Das betrifft vor allem die Gehälter. Die Verleihfirmen sollen sich künftig an Tarifverträge halten. Die Zeitschrift Stern stellte dazu fest : »Der Grundsatz, dass Leiharbeiter genauso bezahlt werden müssen wie die Beschäftigten im Entleihbetrieb, dürfte einen Zeitarbeitsboom verhindern.« Positiv sei zu bewerten, dass durch die Einrichtung von Job-Centern eine bessere Kinderbetreuung für Kinder erwerbsfähiger Frauen gewährleistet werde, sagte Dr. Dörte Folkers vom Hessischen Sozialministerium. Durch die verstärkte Anbindung der Betreuung in die Arbeitsverwaltung sei eine bessere Verfügbarkeit der Frauen für den Arbeitsmarkt garantiert. Allerdings müsste sich dieser Vorteil, so Folkers, auch auf nichterwerbsfähige Frauen erstrecken. Diese seien durch ihre automatische Angliederung an die Sozialhilfe und die Ausschließung von der Kinderbetreuung besonders benachteiligt.

Mehrere Frauenorganisationen übten scharfe Kritik an dem Hartz-Konzept. Der Deutsche Frauenrat, der Deutsche Juristinnenbund und die Bundesarbeitgemeinschaft berufliche Perspektiven für Frauen kritisierten in einem gemeinsamen Appell an die Bundesregierung die Gefahr, dass arbeitssuchende und arbeitslose Frauen bei der Umsetzung des Konzeptes die großen Verliererinnen sein werden. Typisch weibliche Erwerbsbiografien werden im Gesetz bestraft, typisch männliche belohnt.

Gabriele Betzin

Weitere Informationen:
Die Original-Gesetzestexte und Kurzerläuterungen stehen unter:
www.arbeitsamt.de
www.bma.bund.de
Detaillierte Kritik bei:
www.frauenbeauftragte.de

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