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Mobbing - der Berufs und Karrierekiller für Frauen

Frauen mobben vor allem Frauen

Sie haben die besseren Studienabschlüsse, stellen heute fast die Hälfte der Berufstätigen und holen die Männer an den Universitäten europaweit zahlenmäßig ein. Trotzdem tun sich Frauen schwer damit, nach dem Berufseinstieg kontinuierlich aufzusteigen oder sogar in Führungspositionen zu gelangen. Untersuchungen zeigen, dass dieses Phänomen nicht allein an den Männerseilschaften in der Arbeitswelt oder dem zeitweiligen Ausstieg der Frauen für die Kindererziehung liegt.

Ein bedeutender Berufs- und Karrierekiller für Frauen ist Mobbing. Unter Mobbing versteht man, dass jemand am Arbeitsplatz häufig und über einen längeren Zeitraum schikaniert oder ausgegrenzt wird. Die erste repräsentative Mobbing-Studie für Deutschland, die von der Sozialforschungsstelle Dortmund im Auftrag des Bundesarbeitsministeriums erstellt wurde, ergab, dass 75 Prozent mehr Frauen als Männer im Laufe ihres Berufslebens Opfer von Mobbing werden. Im Untersuchungsjahr 2000 wurden 3,5 Prozent (etwa 1,36 Millionen) der erwerbstätigen Frauen gegenüber 2 Prozent der erwerbstätigen Männer gemobbt. Auch in den großen skandinavischen Untersuchungen, die der Begründer der Mobbing-Forschung Prof. Heinz Leymann in den achtziger und neunziger Jahren durchführte, waren fast immer zwei Drittel der Mobbing-Opfer Frauen.

Die Dortmunder Sozialforscherinnen vermuten hinter dem höheren Mobbing-Risiko von Frauen sogenannte geschlechtshierarchische Einflüsse: Frauen arbeiten seltener in etablierten oder hierarchisch abgesicherten Positionen und sind daher leichter angreifbar. Betrachtet man sich die Ergebnisse zu der Frage »Wer mobbt wen?« fallen zwei Punkte besonders auf: ein wenig überraschender und ein erheblich überraschender:

Das mag viele nicht überraschen: Der typische Mobber ist männlich, zwischen 35 und 54 Jahre alt, langfristig beschäftigt und Vorgesetzter. In 38,2 Prozent der Fälle sind Vorgesetzte die alleinigen Täter. Bei weiteren 12,8 Prozent mobbt der Chef gemeinsam mit anderen Kolleg/innen. Insgesamt findet in mehr als der Hälfte der Fälle das Mobbing unter aktiver Mitwirkung der Führungskräfte statt.

Das überrascht schon eher: Frauen mobben vor allem Frauen. Werden die Mobber nach ihrer Geschlechtszugehörigkeit differenziert betrachtet, so zeigt sich, dass deutsche Frauen zu 57,1 Prozent andere Frauen mobben, jedoch nur zu 18,3 Prozent männliche Kollegen. Männer schikanieren zu 81,7 Prozent andere Männer und zu 42,9 Prozent die Frauen. Das bedeutet, dass Männer vor allem von Männern attackiert werden, während die Frauen sich kaum an sie heran wagen. Das Risiko für einen Mann, von einer Frau als »Hauptmobberin« ins Visier genommen zu werden, ist fünfmal geringer als die Attacke durch einen Mann. Für Frauen ist das Risiko größer, von einer Frau angegriffen zu werden als von einem Mann. Ähnliche Ergebnisse kamen auch in der schwedischen Studie von Leymann ans Tageslicht: Dort griffen Frauen zu 40 Prozent Frauen an und Männer nur zu 3 Prozent. Männliche Schweden mobbten ihre männlichen Kollegen zu 76 Prozent und die Kolleginnen zu 30 Prozent. Zusammenfassend heißt das, Männer sind insbesondere durch Männer gefährdet, Frauen auch durch Männer, aber insbesondere durch Frauen.

Expertinnen machen in den letzten Jahren immer stärker die Rivalität unter Frauen als wirksamen Karrierekiller für das weibliche Geschlecht verantwortlich. »Frauen haben häufig im Beruf kein professionelles Verhältnis zueinander«, sagt die Professorin Sonia Bischoff von der Hamburger Hochschule für Wirtschaft und Politik. Die Wissenschaftlerin forscht seit Mitte der achtziger Jahre zum Thema »Männer und Frauen in Führungspositionen«. Eine 1999 veröffentlichte Studie ergab, dass die Anzahl der Frauen in Führungspositionen, die sich über Mobbing beklagen, wächst. Mobbing unter Frauen geht in alle Richtungen: Die Chefin, die ihre Mitarbeiterin terrorisiert, die Untergebene, die jede Gelegenheit nutzt, um ihre Vorgesetzte bloß zu stellen, die Angestellte, die eine gleichrangige Kollegin schikaniert. Die Ursache dafür läge in der Sozialisation der Frauen. Das finden übereinstimmend Sonia Bischoff ebenso wie die Psychologin und Mobbing-Expertin Ulla Dick. Bei Mädchen würde der Ehrgeiz gefördert, als Solistin im Rampenlicht zu stehen und – in letzter Konsequenz – später die Rivalinnen im Kampf um den Mann auszustechen. Die Folgen für den weiteren Berufsweg für gemoppte Frauen sind gravierend. In mehr als der Hälfte (52,8 Prozent) aller Mobbingfälle (Männer und Frauen) wurde das Mobbing durch Kündigung beendet und bei 14,6 Prozent durch Versetzung. Das bedeutet, dass Mobbing-Opfer in 67,4 Prozent der Fälle ihren Arbeitsplatz verloren haben. Bei dem seit Jahren herrschenden großen Arbeitsplatzmangel bedeutet dies früher oder später den Absturz in die Arbeitslosigkeit, zumindest aber einen Karriereknick. Auch bei den Mobbing-Folgen gibt es Unterschiede zwischen Männern und Frauen. Auffällig ist, dass weibliche Betroffene mit über 40 Prozent mehr als doppelt so häufig wie männliche Opfer »freiwillig« ihren Arbeitsplatz im Betrieb wechselten, um dem Mobbing zu entgehen. Sie wählen auch doppelt so häufig die »freiwillige« Kündigung. Von Freiwilligkeit kann in diesem Zusammenhang natürlich nur eingeschränkt gesprochen werden, da länger andauernder Psychoterror am Arbeitsplatz die Wahl zwischen der Alternative zu bleiben und schwer krank zu werden oder zu gehen nicht wirklich frei ist. Warum weibliche Opfer deutlich häufiger den Arbeitsplatz verlassen als ihre männlichen Leidensgenossen wurde nicht untersucht. Die Dortmunder Forscherinnen vermuten mehrere Ursachen. Sie glauben unter anderem, dass viele Männer sich am männlichen Ideal des belastbaren, durchsetzungsstarken Mannes und Familienernährers orientieren und daher versuchen, die Mobbing-Situation länger zu ertragen. Auch die Reaktionen und Sanktionen des Arbeitgebers würden sich häufig an diesem Leitbild orientieren, so dass die Kündigung des Arbeitsplatzes bei Männern nicht so schnell als Alternative in Erwägung gezogen wird.

Gabriele Betzin

Gabriele Betzin ist freie Fachjournalistin in Darmstadt und Herausgeberin des MOBBLETTER, ein Magazin mit aktuellen Informationen und Hintergrundberichten für Mobbing-Betroffene und deren Interessenvertreter.

Weitere Informationen:

  • B. Meschkutat, M. Stackelbeck, G. Langhoff: Der Mobbing-Report – Repräsentativstudie für die Bundesrepublik Deutschland, Schriftenreihe der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin, Wirtschaftsverlag NW, Bremerhaven, 2001.
  • G. Haben, A. Harms-Böttcher: Das Hamsterrad. Mobbing – Frauen steigen aus. Orlanda Frauenverlag, 2001.
  • MOBBLETTER – Magazin für Mobbing-Betroffene und ihre Interessenvertreter, hrg. v. Gabriele Betzin. Das Heft wird in Zusammenarbeit mit Mobbingberatern, Mediatoren und weiteren Mobbing-Experten erstellt. Es kann in der Buchhandlung Schroth in der Schulstraße (Darmstadt) oder direkt bei der Herausgeberin bestellt werden: MOBBLETTER, Postfach 130233, 64242 Darmstadt, E-mail: weibetz@freenet.de. n www.frauenmobbing.de

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