Werden Sie auch eine

MATHILDE

Es gibt noch viel zu tun …

Gender Mainstreaming  

"Wie Gender in den Mainstream kommt"

Die Zugehörigkeit zum weiblichen oder männlichen Geschlecht ist noch immer eine der prägendsten und bedeutsamsten gesellschaftlichen Unterscheidungen. Denn das Leben von Frauen und Männern weist in den meisten Bereichen des öffentlichen und privaten Lebens - so auch im Berufsleben - große Unterschiede auf, ohne dass dies immer bewusst wäre.

Mädchen und Jungen verlassen heute die Schule mit etwa gleich guten Schulabschlüssen. Doch bei der Ausbildung und Berufswahl gehen sie getrennte Wege. In Deutschland gibt es etwa 400 Ausbildungsberufe. Die meisten Mädchen entscheiden sich gerade mal zwischen 10 Berufen, wie Bürokauffrau, Einzelhandelskauffrau, Arzthelferin, Friseurin oder Krankenschwester. Jungen wählen unter einem breiteren Berufsspektrum aus, bevorzugen aber gewerblich technische Berufe.

Auch die Studienwahl erfolgt oft geschlechtsspezifisch. Junge Frauen bevorzugen Fächer wie Sprachen, Pädagogik und Psychologie, während junge Männer eher naturwissenschaftliche und technische Fächer wählen.

Die Art der Berufswahl hat Auswirkungen auf Beschäftigungsmöglichkeiten, den Verdienst, das berufliche Fortkommen und auf das gesellschaftliche Ansehen. Hier werden oft schon die Weichen für spätere »Armutskarrieren« gestellt. Mädchen und Frauen sind eher bereit, ihren Beruf zugunsten der Familienarbeit einzuschränken, zu unterbrechen oder ganz aufzugeben. Dies hat natürlich Folgen für ihre Altersversorgung bzw. ihre Einkommensmöglichkeiten, wenn die Partnerschaft scheitern sollte.

Für junge Männer stellt sich dagegen oft gar nicht die Frage, ob sie ihre Berufstätigkeit zugunsten der Familie einschränken, sie fühlen sich oft für das Familieneinkommen zuständig und als Ernährer der Familie. Teilzeitarbeit wird von der Gesellschaft eher Frauen zugeschrieben, für Männer wird sie weniger akzeptiert. All diese Punkte führen zu unterschiedlichen Lebens- und Erfahrungswelten, die Auswirkungen auf fast alle gesellschaftlichen Bereiche haben.

Gender Mainstreaming will diese Ungleichheiten aufheben. Das Wort kommt aus dem Englischen und bedeutet folgendes: »Gender« bezeichnet das soziale Geschlecht . Mit Gender sind die gesellschaftlichen Geschlechterrollen gemeint, die Vorstellungen und Erwartungen, wie Frauen und Männer sind beziehungswweise sein sollten. »Mainstreaming« heißt »in den Hauptstrom bringen«. Es bedeutet, dass ein bestimmtes Denken und Handeln in den »Mainstream« – in Politik und Verwaltung, Programme und Maßnahmen – übernommen und zu einem selbstverständlichen Handlungsmuster wird.

Gender Mainstreaming heißt also, soziale Ungleichheiten zwischen Frauen und Männern in allen Bereichen und bei allen Planungs- und Entscheidungsschritten immer bewusst wahrzunehmen und zu berücksichtigen. Alle Vorhaben werden so gestaltet, dass sie auch einen Beitrag zur Förderung der Gleichstellung von Frauen und Männern leisten.

Das neue Konzept fand seine Verbreitung im Anschluss an die Dritte Weltfrauenkonferenz der Vereinten Nationen (UN) in Nairobi 1985. Die Kommission der UN über die Rechte der Frau forderte 1987 auf Grundlage von 1986 gefassten Beschlüssen über die künftige Arbei der Kommission alle Organe der UN auf, ein umfassendes politisches Konzept für die Gleichstellung der Frau zu entwickeln und in ihre Pläne, Erklärungen, Zielvorgaben, Programme und sonstige wichtigen politischen Dokumente zu übernehmen.

Auf EU-Ebene wurde in der Strukturfondsreform von 1993 Chancengleichheit als Gemeinschaftsziel in die Rahmenverordnung aller Fonds aufgenommen. Auf der Weltfrauen-Konferenz in Peking 1995 wurde der horizontale Ansatz bekräftigt – Mainstreaming wird zentrales Thema europäischer Gleichstellungspolitik. Durch den »Vertrag von Amsterdam« 1997 wird die horizontale Streategie des Gender Mainstreaming in das Primärrecht der EU aufgenommen.

Es ist nach wie vor eine Tatsache, dass auch überall in der Europäischen Union Frauen weniger verdienen als Männer. Nach wie vor besteht eine Diskriminierung der Geschlechter bei der Entlohnung, wodurch die Gleichstellung von Frauen und Männern im Arbeitsleben und auf dem Arbeitsmarkt insgesamt behindert wird. Der Grundsatz des gleichen Entgelts muss in Rechtsvorschriften verankert sein, allerdings reichen diese allein nicht aus. Zur Entwicklung einer qualitativen Strategie zum Abbau der Lohnunterschiede zwischen Frauen und Männern muss sich beispielsweise auf wichtige Entscheidungsträger konzentriert werden, die auf die Einstellungen zur Ungleichheit am Arbeitsplatz Einfluss nehmen können.

In die »Beschäftigungspolitischen Leitlinien« der EU wurde 1999 eine neue Leitlinie mit der ausdrücklichen Aufforderung aufgenommen, den Aspekt Chancengleichheit in alle Schwerpunkte der Beschäftigungsspolitik mit einzubeziehen. Die geplanten Maßnahmen lauten wie folgt:

  • Förderung einer Überprüfung von Steuer- und Sozialleistungssystemen mit dem Ziel, negative Anreize für Frauen, die in den Arbeitsmarkt eintreten wollen, abzubauen
  • Förderung des lebenslangen Lernens für Frauen und des Zugangs der Frauen zu Maßnahmen der aktiven Arbeitsmarktpolitik
  • Förderung der Beschäftigungsfähigkeit der Frauen und ihres Zugangs zu IT-Berufen, insbesondere durch Erhöhung der Frauenpräsenz in einschlägigen Bildungs- und Ausbildungsgängen
  • Soweit erforderlich, Weiterentwicklung und Koordinierung der nationalen statistischen Systeme, um eine bessere Beobachtung gleichstellungsrelevanter Phänomene im Rahmen der europäischen Beschäftigungsstrategie zu ermöglichen
  • Einsetzung einer Sachverständigengruppe für Geschlechtergleichstellung im Wirtschaftsleben, die der Kommission bei der Erfüllung dieser Aufgaben behilflich ist.

Aufgrund der EU-Leitlinien riefen die europäischen Länder Projekte ins Leben. In Spanien gab das Instituto de La Mujer ein Positionspapier heraus, das sich an alle öffentlichen und privaten Partner richtet, die mit Lohnverhandlungen zu tun haben (Beeinflussung von Entscheidungsträgern). In Dänemark besteht die Gesamtstrategie bei der Gleichstellungsarbeit darin, zentralen und lokalen Regierungsorganisationen die Möglichkeit zu geben, als Initiatoren und Modelle für Veränderungen im Bereich der bestehenden Geschlechterrollen zu agieren. Es gibt in Dänemark einen Minister für Gleichstellungsfragen und einen Gleichstellungsrat.

In Frankreich existiert ein Projekt zur »Integration von Frauen aus Notunterkünften (Obdachlose) in die Arbeitswelt«. Schweden startete eine Initiative unter dem Titel »Mobilisierung zum Kampf gegen den Frauenhandel« und die Niederlande das Projekt »Einbeziehung älterer Frauen und Wertschätzung ihrer Fähigkeiten«. Ein Modell »Gründerzentrum für Unternehmerinnen« initiierte Griechenland. Spanien legte den Schwerpunkt auf »Frauen: Trägerinnen des Wandels in Projekten der Klein- und Küstenfischerei«.Deutschland brach mit seinem Projekt »Berufliche Chancen für Frauen im Sicherheitswesen« in eine Männerdomäne ein.

Auch Gewerkschaften, Arbeitgeber und Arbeitgeberorganisationen haben »Gender Mainstreaming« in ihre Programme aufgenommen.

In Deutschland wurde Gleichstellungspolitik nach Gender Mainstreaming 1999 von der Bundesregierung als durchgängiges Leitprinzip und Querschnittsaufgabe festgelegt. Die Bundesländer Niedersachsen und Sachsen-Anhalt schrieben die Selbstverpflichtung staatlichen Organisationen durch Kabinettsbeschlüsse fest und arbeiten an deren Umsetzung.

Der Ansatz ist da, die Umsetzung läßt oft noch auf sich warten, der Erfolg erst recht. Es gibt noch viel zu tun ...

Helge Ebbmeyer

Quellen:
Europäische Kommission »Gleichstellung von Frauen und Männern in der EU – Beispiele für vorbildliche Praktiken (1996-2000) Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend

zurück

MATHILDE