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Lithographie von Adolph Dauthage (1856):
Ida Pfeiffer im Reisekostüm mit Balihut und Schmetterlingsnetz.
Quelle: G. Habinger, Eine Wiener Biedermeierdame erobert die Welt, 1997.

Reisende Frauen im 19. Jahrhundert

Als Johanna Schopenhauer in einer Postkutsche 1803 in Paris ankam, war sie eher enttäuscht als begeistert: »Auf einer sehr schlecht gehaltenen Kunststraße fuhren wir ... an mehreren, aus lauter armseligen Lehmhütten bestehenden Dörfern vorbei. Keine prächtigen Villas, von weitläufigen Gärten umgeben, keine hübschen Landhäuser, in welchen der arbeitsmüde Städter Erholung sucht, verkündeten uns hier, wie meilenweit vor London und Amsterdam, die Nähe der große Hauptstadt.« Auch vor dem großen eleganten Hotel, in welchem sie abstieg, waren die Straßen so schmutzig, dass sie und ihre Reisegefährten die Stadt nicht zu Fuß durchstreifen konnten. Sie mieteten einen Wagen, den sie »ziemlich teuer bezahlten, der aber dafür von früh neun Uhr bis Mitternacht stets angespannt vor der Hoteltür stand«.

Johanna Schopenhauer gab ihre Erinnerungen an die Frankreichreise 1817 heraus. Sie war zu dieser Zeit eine der berühmtesten Frauen ihrer Zeit. Geboren am 9. Juli 1766 in Danzig, erhielt sie für die damalige Zeit einen für Mädchen ungewöhnlich gründlichen Unterricht. Sie sprach mehrere Sprachen und besaß eine umfangreiche Bildung. In Weimar gründete sie 1806 einen literarischen Salon, in dem die geistige Elite Weimars, natürlich auch Goethe, häufige Gäste waren. Sie war viel unterwegs und ihre Reisebeschreibungen aber auch ihre Romane und Erzählungen fanden bei dem Lesepublikum begeisterte Aufnahme.

Ein ganz anderer Typus als Johanna Schopenhauer war eine andere Reisende in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Die Österreicherin Ida Pfeiffer, eine kleine, eher unscheinbare Frau im mittleren Alter brach auf ihre erste größere Reise im Jahre 1842 an Bord eines Donaudampfschiffes von Wien aus in Richtung Konstantinopel auf. Von dort aus setzte sie ihre Reise auf dem Landweg ins Heilige Land fort. Mit dieser beschwerlichen Fahrt erfüllte die Mutter von zwei erwachsenen Söhnen die seit ihrer Jugend quälende »Sehnsucht nach der weiten Welt«. Sie wählte Jerusalem als erstes Reiseziel aus, was eine Art Pilgerreise war. Der Bericht über ihre Reiseerlebnisse erschien in einer Wiener Zeitung und machte sie berühmt. Nach Fahrten durch Schweden und Island, wo sie die Pflanzen- und Tierwelt genau beobachtete und aufzeichnete, brach Ida Pfeiffer im Frühjahr 1846 zu ihrer ersten Weltreise auf. Der Bericht über ihre Erlebnisse in Südamerika, China, Ostindien, Persien und Kleinasien ist auch heute noch ein eine spannende Lektüre.

Fast gleichzeitig mit Ida Pfeiffers erster Reise nach Jerusalem war auch eine deutsche Schriftstellerin in Richtung Orient unterwegs: Ida von Hahn-Hahn aus Dresden. In ausführlichen Briefen an ihre Mutter und Geschwister beschrieb sie Land und Leute in der Türkei, Libanon, Syrien und Ägypten. Als Frau nützte sie die Gelegenheit die »weibliche« Welt der bereisten Länder zu erkunden, zu der männliche Reisende keinen Zugang hatten. In Istanbul besuchte sie ein Frauenbad, wo sie kritisch bemerkte, dass die Türkinnen unglaublich viel Schönheitsmittel verwendeten. »Mein Entsetzen war nicht klein, als mir die Badefrau einen Wunderbalsam aufs Gesicht schmierte, der aus Erde von Mekka und Myrtenblättern, in Rosenwasser geweicht, bestand. Ich sträubte mich heftig, aber sie meinte, es gehöre durchaus zur Toilette«- schrieb sie.

Die Reiseberichte der Frauen aus der Vergangenheit unterscheiden sich in vieler Hinsicht von der kämpferischen Abenteuerwelt oder den geographischen Beschreibungen männlicher Forscher und Entdeckungsreisenden aus jener Zeit. Sie enthalten oft Alltagsgeschichten aus Frauensicht, berichten über Begegnungen mit Frauen und Kindern. Freilich sind diese Reiseberichte von der typischen Überheblichkeit der EuropäerInnen gegenüber anderen Völkern gekennzeichnet und zeigen oft eine starke Abneigung und Unbehagen gegenüber Menschen mit anderen Hautfarben oder Religionen. Beim Lesen historischer Reiseberichte müssen wir deshalb stets in Auge behalten, dass die Anerkennung von Andersartigkeit erst eine Erkenntnis der allerjüngsten Zeit ist.

Agnes Schmidt

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