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Jutta Kleinschmidt

über die härteste Dienstfahrt der Welt

Dieses Jahr im Januar (2003) fuhr Jutta Kleinschmidt zum 13. Mal die Rallye Paris- Dakar. Die wüste Fahrt über 8.522 km in neunzehn Tagen führt immer wieder über neue Strecken; das Kernstück bleibt aber die Sahara. Die Fahrer und die wenigen Fahrerinnen kämpfen gegen Staub, Steine, das eigene Fahrzeug und die Konkurrenz.

Viele der gestarteten Autos, Motorräder und LKW kamen nicht am Ziel im ägyptischen Badeort Sharm-el-Sheik an. Es ist dieses letztlich nicht völlig beherrschbare Risiko, das Jutta Kleinschmidt am Rallyefahren reizt.

»Rallyefahren ist Abenteuer, das ist das Schöne daran.«

Kleinschmidt hat dieses Abenteuer 2001 als erste Frau gewonnen, 2002 war sie Zweite. Danach wechselte sie vom Siegerteam Mitsubishi, das auch diesmal die vordersten vier Plätze belegte, zu VW. Dort nimmt die in Monaco lebende Rennfahrerin die neue Herausforderung an, ein siegfähiges Rallyefahrzeug mitzuentwickeln. Die vierzigjährige Diplom-Ingenieurin für Physik arbeitete sechs Jahre lang in der Fahrzeugentwicklung bei BMW, bevor sie ins Profilager der Rallyefahrer wechselte. Schon als Kind interessierte sie sich für Technik und besuchte mit Sondergenehmigung eine bayerische Jungenschule mit dieser Fachrichtung. Jutta Kleinschmidt ist es also gewohnt, die (fast) einzige Frau unter Männern zu sein. Bei der diesjährigen Paris-Dakar, die sie auf Platz acht beendete, fuhr außer ihr noch Andrea Mayer als Fahrerin mit. In den achtziger Jahren war auch schon die Französin Michele Mouton im Rallyesport sehr erfolgreich, aber trotzdem trifft es den einen oder anderen männlichen Konkurrenten doch hart, wenn eine Frau sich vor ihm platziert.

»Man muss mehr leisten, um als Frau im Rallyesport akzeptiert zu werden,«

bestätigt Jutta Kleinschmidt. »Am Anfang heißt es, naja, kann sie wahrscheinlich nicht so...« Mittlerweile ist sie etabliert, aber der Einstieg war schwer, hart erkämpft und auch teuer bezahlt. Ihre erste Rallye Paris-Dakar fuhr sie mit dem Motorrad als Amateurin, wofür allerdings eine Lizenz erforderlich ist, die nur durch Teilnahme an Rennen erworben werden kann.

Die dreiwöchige Strapaze über Sanddünen und bucklige, staubige Wüstenpisten übersteht nur, wer körperlich fit ist. Jutta Kleinschmidt bereitet sich vor mit Radfahren, Jogging und Krafttraining. Gerade der Oberkörper muss die Stöße durch die unebenen Böden abfangen. Rückenschmerzen oder anderes körperliches Unbehagen sollten die Konzentration nicht stören, denn Fahrfehler bei über 100 km/h off-road können tödliche Folgen haben. Auch dafür ist die Paris-Dakar leider berühmt. Dieses Jahr war seit 1979 der 42. Tote zu beklagen, ein französischer Beifahrer. Die Gefahr ist auch Jutta Kleinschmidt bewusst, denn

»man fährt an seine Grenzen. Wir sind alle nur Menschen und irgendwann schätzt man eine Situation falsch ein.«

Die Faszination des Extremen, der Reiz, erst sich selbst und dann die Konkurrenz zu überwinden, treibt die RallyefahrerInnen jedes Jahr neu an.

Hinter den ProfifahrerInnen steht noch ein Team von Mechanikern, die bei einer Panne im LKW anrollen und helfen. Einen Reifen wechselt Kleinschmidt natürlich selbst, aber manches Werkzeug und Know-how muss das Begleitfahrzeug mitbringen.

Die »Navigation« während der Fahrt besorgt für Jutta Kleinschmidt ihre Beifahrerin Fabrizia Pons. Anhand eines Streckenbuchs, in dem das Gelände in Symbolen beschrieben ist, gibt sie alle paar hundert Meter Kommandos an die Fahrerin, zum Beispiel »hinter der Düne rechts« oder »Achtung, Steine an der Strecke«. Wegen aufgewirbeltem Sand und Staub sind in der Wüste Hindernisse nicht immer rechtzeitig zu erkennen. Jutta Kleinschmidt versteht sich gut mit ihrer Beifahrerin Pons, die schon zusammen mit Michele Mouton unterwegs war - ein wesentlicher Faktor, den Stress während der Fahrt zu reduzieren.

Unter den RallyefahrerInnen herrscht im Allgemeinen eine kollegiale Atmosphäre, man hilft sich gegenseitig mit Tipps und Werkzeug, jedenfalls abends im Zeltlager, dem Biwak.

»Auf der Piste wird gekämpft,«

aber abends tritt das Konkurrenzdenken beiseite. Die FahrerInnen treffen sich zum großen Teil bei den anderen Rennveranstaltungen wieder; Jutta Kleinschmidt bestreitet zum Beispiel zehn Rennen im Jahr, die von vier Tagen bis knapp drei Wochen dauern. Eine gute Platzierung im Weltcup ist ihr nächstes Ziel für 2003.

Kurzfristig heißt das, am Fahrzeug weiterzuarbeiten, damit nicht wieder Pannen die Fahrerin im Rennen nach hinten werfen. Im März steht schon die Baja Italien an, ein Rennen, das zur Weltcup-Wertung zählt. Rallyes fahren die Profis nicht bis ins Rentenalter, aber für Jutta Kleinschmidt steht fest, dass sie dem Motorsport treu bleiben wird.

Renate Arnemann

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