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Südafrika

»Wenn ich nach Südafrika gefragt werde, denke ich immer zuerst an Heimat und an die Wärme. Es ist nicht nur ein Gedanke, sondern gleichzeitig ein Gefühl, das ich immer wieder empfinde, sobald ich in diesem Land aus dem Flugzeug steige«, sagt die Südafrikanerin Debbie Huget, die zur Zeit in Deutschland lebt.

Die 47jährige Grundschullehrerin kommt aus Johannesburg. Sie ist dort geboren und mit einer Schwester in weißen Mittelstandsverhältnissen zur Zeit der Apartheid aufgewachsen. Die Familie lebte in einer Mietwohnung in einer kleinen Stadt bei Johannesburg, die Eltern arbeiteten beide.

»Natürlich hatten wir damals ein schwarzes Hausmädchen, das hatten alle. Es war normal für uns. Sie wurde bezahlt, und wir hatten ein herzliches Verhältnis zu ihr.« Ansonsten gab es allerdings keine privaten Kontakte zu Schwarzen. Schwarze und Weiße lebten in getrennten Welten. Die Kinder gingen in verschiedene Schulen. Ein Miteinander von Schwarz und Weiß war verboten.

Heute sind es gemischte Schulen, aber es gibt sehr große Probleme: Die Klassen sind übervoll, das soziale Gefälle ist enorm. Die Bildung bleibt auf der Strecke. »Wer eine gute Ausbildung für die Kinder möchte, ist gezwungen, sie auf Privatschulen zu schicken. Das ist natürlich sehr teuer.«

In ihrer Kinder- und Jugendzeit habe es fast ausschließlich reiche und mittelständige Weiße und arme Schwarze gegeben. Das weiße Südafrika war ein fortschrittlicher Industriestaat mit hohem Bildungsstand - auch für Frauen. Mit dem schwarzen Südafrika hatte es nichts gemein. Es war ein rassistisches Land, das international im Kreuzfeuer stand. Dennoch hielt sich diese Politik der Apartheid ein halbes Jahrhundert.

Heute seien die Verhältnisse anders. Inzwischen gebe es viele reiche Schwarze und natürlich auch weiterhin reiche Weiße, kaum noch Mittelstand und sehr viel Armut. Das Gefälle sei riesig, vor allem wegen der großen Arbeitslosigkeit.

Debbie Huget studierte in Kapstadt. Sie ging mit 25 Jahren für ein Jahr in die Schweiz, um ihre Sprachkenntnisse zu verbessern, lernte dort ihren deutschen Mann kennen und siedelte erst einmal nach Deutschland um. Doch in den letzten 20 Jahren zog sie mehrmals zwischen Deutschland und Südafrika hin und her, immer für mehrere Jahre.

»Anfang der 90er Jahre, als Mandela aus dem Gefängnis kam, habe ich gerade in Kapstadt gelebt. Es war eine sehr aufregende Zeit, mit so viel Hoffnung angefüllt. Mandela hat so viel versprochen und konnte natürlich nicht alles halten. Das führte immer wieder zu großen Unruhen. Aus den Nachbarländern, z.B. Mosambik, kamen viele Menschen wegen der Hoffnung auf ein besseres Leben ins Land. Sie waren alle natürlich willkommen, aber gekümmert hat sich keiner um sie.« Schwarze wurden zwar per Gesetz nun bevorzugt auf freien Arbeitsplätzen eingestellt, doch gab es kaum Arbeit. So entstand für viele ein sozialer Notstand, der in einer hohen Kriminalitätsrate mündete. »Wer nichts zum Überleben hat und keine Möglichkeit bekommt das zu ändern, fängt irgendwann an zu klauen.« Die Kriminalitätsrate stieg rapide an, und das hat sich bis heute nicht geändert. Im Gegenteil. Die Banden sind sehr viel organisierter geworden. Das Leben in Südafrika, vor allem in Städten wie Johannesburg, ist gefährlich, aber die Menschen dort haben sich mit der Gefahr arrangiert.

»Die Leute verriegeln alles. Bei manchen Geschäften muss geklingelt werden, an der Ampel müssen die Autotüren verschlossen sein. Für mich ist das inzwischen sehr bedrückend, ich bin es nicht mehr gewöhnt.« Im Land sind die Besitzverhältnisse nicht besonders geschützt. »Wenn du zum Beispiel eine Farm hast, kann es passieren, dass eines Morgens mehrere Häuser auf deinem Feld gebaut wurden und fremde Menschen sich dort angesiedelt haben. Es gibt solche Blechhäuser, die ganz schnell aufgebaut werden können. Niemand tut etwas dagegen. Wenn du in Urlaub fährst und dein Haus leersteht, kann es sein, dass nach dem Urlaub deine Ziegel plötzlich auf einem anderen Hausdach liegen.«

In der Zeit der Apartheid war das Leben der weißen Minderheit so geregelt, wie wir es auch in den westlichen Industrienationen kennen. Die schwarze Mehrheit war davon ausgenommen, sie wurde durch ein diktatorisches Regime unterdrückt. Mit der neuen demokratischen Politik wurde zwar Gleichberechtigung eingeführt, das Zusammenleben aber nicht unbedingt erleichtert. Die Weißen, die in ihren (Un-)Rechten beschnitten wurden, fühlen sich oft ungerecht benachteiligt, viele verlassen das Land. Die Schwarzen kämpfen um ihre Rechte, durch die jahrelange Unterdrückung fehlt es ihnen jedoch oft an den finanziellen Mitteln und der Schulbildung. Die Verhältnisse sind schwierig, doch darf nicht vergessen werden, dass zehn Jahre erst eine sehr kurze Zeit für einschneidende gesellschaftliche Veränderungen sind.

Debbie Huget würde jeder Zeit wieder in Südafrika leben. »Ich bin wegen der Arbeit in Deutschland und weil ich möchte, dass meine 15jährige Tochter die Schule hier beendet. Aber ich kann mir sehr gut vorstellen, wieder zurückzugehen, wenn ich in Rente bin.«

Die große Arbeitslosigkeit trägt nicht nur negative Früchte. »Da es keine soziale Absicherung gibt, werden die Menschen, insbesondere die Frauen sehr kreativ. Es wird gebastelt und genäht und es werden Bazare und Flohmärkte organisiert, um die selbstgemachten Sachen zu verkaufen.« Südafrikas hat wohl viele geschäftstüchtige Frauen mit viel Energie. Vielleicht schaffen sie Veränderung.

Gabriele Merziger

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