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"Sei besser als ich"

Florence Griffith Joyner, 1959-1998

"Versuch nicht, so wie ich zu sein! Sei besser als ich", sagte Griffith Joyner, wenn Kinder sie als ihr großes Vorbild bezeichneten.

Die Frau mit dem Spitznamen FloJo war eine der schillerndsten und umstrittensten Gestalten der Leichtathletik. Ihre Markenzeichen waren selbst entworfene, leuchtendbunte Laufanzüge, häufig einarmig oder -beinig, und lange, krallenartige Fingernägel, die sie notgedrungen zu einem Fan des Klettverschlusses machten und dafür sorgten, dass sie bei den Olympischen Spielen 1984 nicht in der US-Staffel laufen durfte: Die Funktionäre fürchteten, sie würde das Staffelholz fallen lassen.

Griffith Joyner wuchs mit zehn Geschwistern in einer Sozialwohnung in Los Angeles auf. Die Eltern wurden geschieden, als sie vier Jahre alt war. Die Mutter war Näherin und hielt die Familie mit Strenge und Religion zusammen. "Wir haben alle überlebt", erkennt Griffith Joyner in einem Interview mit Newsweek die Leistung ihrer Mutter an. "Keiner von uns nimmt Drogen, keiner ist erschossen worden. Wir hatten Angst vor Mamas Stimme. Wir wussten gar nicht, wie arm wir waren. Als Familie waren wir reich." Mit sieben Jahren fing sie an, bei einer Jugendorganisation Sport zu treiben. Sie gewann 1973 und 1974 die Jesse Owens-Jugendspiele und brach sämtliche Rekorde ihrer High School. 1978 ging sie aufs College, musste aber das Studium unterbrechen und Geld verdienen. Ihr damaliger Trainer Bob Kersee holte sie an die Universität zurück und half ihr, sich für Stipendien zu bewerben.

1980 boykottierten die USA die Olympischen Spiele, aber 1984 war sie dabei und gewann Silber über 200 m. Danach verschwand sie eine Weile in der Versenkung - amerikanische Quellen bezeichnen diese Zeit als "Semiretirement" (Halbruhestand). In dieser Zeit wechselte sie zu Al Joyner ins Training, den sie 1987 heiratete. Im gleichen Jahr wurde sie WM-Zweite über 200 m. Ihre große Stunde schlug 1988, als sie bei den Ausscheidungswettkämpfen für die Olympischen Spiele über die 100 m den alten Weltrekord von Evelyn Ashford um mehr als eine Viertelsekunde verbesserte. In Seoul gewann sie Gold mit der 4 x 100 m Staffel, Silber mit der 4 x 400 m Staffel und Einzelgold über 100 m und 200 m. Der Abstand zur Konkurrenz war so groß, dass Dopinggerüchte nicht lange auf sich warten ließen. Auch wenn es Anzeichen für Doping gegeben haben mag - die elf Proben, die während ihrer aktiven Laufbahn genommen wurden, waren negativ.

1988 erhielt "FloJo" mehrere Auszeichnungen, unter anderem wurde sie in den USA Sportlerin des Jahres. 1989 erklärte sie ihren Rücktritt vom Leistungssport. Sie gründete eine Sportbekleidungsfirma und wurde Sprecherin mehrerer medizinischer Organisationen. 1990 kam Tochter Mara Ruth zur Welt. 1995 wurde Griffith Joyner in die "Hall of Fame" der Leichtathletik aufgenommen. 1996 erlitt sie einen leichten Schlaganfall.

Als Florence Griffith Joyner 1998 unerwartet starb, flammten die Gerücht vom Steroidmissbrauch wieder auf. Die Meldungen über ihre Todesursache waren widersprüchlich: von plötzlichem Herztod über einen seltenen Hirntumor bis zu Ersticken nach einem epileptischen Anfall. Was genau im Autopsiebericht stand, werden wir nie erfahren. Auch nicht, ob sie so sauber war, wie sie vehement behauptete. In den USA wird sie wie ein Heldin verehrt, und noch heute rühren die Bilder ihres Olympiaauftritts 1988, bei dem sie die Fingernägel in den Nationalfarben lackiert hatte, ihre Landsleute zu patriotischen Tränen.

Andrea C. Busch, 2002

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