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Ute Karen Seggelke
Schwestern
30 Porträts in Bild und Text
Gertenberg Verlag, Hildesheim
2002, 3-8067-2529-2
47,50 €

Geschenk Schwester

Als Älteste von vier Geschwistern oder von drei Schwestern übte das Thema des Buches eine soghafte Wirkung auf mich aus. Denn natürlich wollte ich lesend erkunden, wie es denn unter anderen Schwestern so zugeht, ob die auch eine solch innigliche Konkurrenz über Jahrzehnte unterhalten, so gepflegt und gemein streiten, eben immer so genau wissen, wo die Achillesferse der anderen liegt.

Ein erster Blick über Inhalt und Kurzbiographien der Schwestern zeigte, dass die Auswahl Schwestern alle Altersstufen umfasst und auch zwei Zwillingspaare sich vorstellen. Neugierig versenke ich mich. Jedes Porträt von Schwestern einer Familie beleuchtet andere Aspekte der gemeinsamen Kindheit. Manchmal decken sich die Eindrücke, manchmal sind sie gegensätzlich. Ich setze immer wieder neue Schwestern-Puzzle zusammen. Große Widersprüche tauchen erstaunlicherweise nicht auf, sieht man einmal davon ab, dass eine Schwester ihre Mitwirkung an dem Buch verweigerte.

Nach einiger Zeit wir mein Eindruck klarer. Die Frauen sind durchweg gebildet, viele sind in kreativen Berufen tätig, sie stammen fast ausschließlich aus Deutschland. Dieser gemeinsame Hintergrund ist den Texten anzumerken, ein bestimmter psychologischer Jargon findet sich an vielen Stellen. War ich zu Beginn immer noch auf der Suche nach der Vielschichtigkeit von Schwesternbeziehungen, so ließ mein Forscherinnengeist mit fortschreitender Lektüre nach.

Auf eine gefällig zusammengefasste Kindheit, einige Eskapaden auf dem Weg zum Erwachsenenwerden, folgt zumeist eine Zeit des Verständnisses, der Gemeinsamkeiten oft ohne empfundene Nähe. Die meisten Schwestern scheinen regelmäßig die Telefonleitungen der Republik zu benutzen, um sich auszutauschen - aber nicht über alles. Empfinden viele ihre Schwester als im Notfall stets einsatzbereit, so scheinen dieselben Schwestern meist keine Gesprächspartnerinnen für eigene Probleme zu sein, für Dinge, die man nicht mit jedem bespricht. Was mich zu guter Letzt irritierte, war der Mangel an Streit, an Auseinandersetzung, an Heimlichkeit, an jeder Art von klarem Konflikt. Aber vielleicht ist das Fazit einfach so neutral, wie es die Autorin formuliert:

"Schwestern sind in jeder Hinsicht unglaublich verquickt - ihr Leben lang, ob sie wollen oder nicht".

Mit Schwestern liegt nun der vierte Band der Hamburger Fotografin und Kulturreporterin Ute Karen Seggelke vor. In der Gestaltung schließt er an die erfolgreichen Vorgängerbände "Frauen über 50" und "Freundinnen" an. Die über 200 Duplex Fotos sind vielschichtig und ansprechend. Sie geben dem Buch seinen Charakter. Die Auswahl der Frauen umfasst wie in den andern Bänden auch einige Prominente wie Heide Simonis, in ihrer Rolle als eine von fünf Steinhardt-Schwestern oder Katja Riemann und ihre Schwester.

Das Buch ist ein repräsentativer Geschenkband zum Thema Schwestern, mit leicht lesbaren Porträts. Darüber hinaus bietet es wenig Nahrung für Herz und Verstand - dabei wäre ein informatives, mutiges, emotionales Buch über Schwestern eine prima Idee.

Anja Spangenberg

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