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Wir holen die Frauen aus ihren vier Wänden

Magnolya e.V. - Projekt für Migrantinnen

 

Die blühenden Magnolien gaben dem Verein seinen Namen, als "Magnolya e.V." im Frühjahr 2000 von acht Frauen aus drei Ländern gegründet wurde.
Die Magnolie trägt in den drei Sprachen Türkisch, Italienisch und Deutsch den gleichen Namen, mit kleinen Abweichungen in der Schreibweise. Inzwischen wird der Verein von sieben Frauen getragen, Geschäftsführerin ist Nicole Matheis

Schon 1998 bewegte die beiden Freundinnen Nicole Matheis und Filiz Koc das Problem der Mutter von Frau Koc, die aus der Türkei stammend nach Jahren der Erwerbstätigkeit in Darmstadt Rentnerin geworden war. "Wie bewahren wir die immer noch rüstige Frau vor Depression und Isolation", war die schwer zu lösende Frage, denn ältere Migrantinnen finden zu den kommunalen Angeboten für Seniorinnen meist keinen Zugang, zu hoch ist die Hemmschwelle und die Sprachbarriere und zu groß die Angst vor Institutionen.

Wie wenig die Integration von MigrantInnen in Deutschlang gelungen ist, zeigt sich in besonderer Schärfe bei den alten Frauen, die trotz ihres langjährigen Aufenthalts in Deutschland, trotz Berufstätigkeit und Mutterschaft, kaum Kontakte zur einheimischen Bevölkerung knüpfen konnten.

So entstand 1998 zunächst "Nazar degmesin" mit viel Eigeninitiative und mit der Hilfe von AWO und Hessischer Landesregierung als muttersprachlicher offener Treff für türkische Frauen. Hier können seitdem ältere türkische Frauen andere Frauen kennen lernen, oft die einzige Möglichkeit außerhalb der Familie Kontakte zu knüpfen. Der Grundsatz von Magnolya e.V., muttersprachliche Angebote zu schaffen, wurde auch bei der im letzten Jahr entstandenen italienischen Frauengruppe "L'albero delle donne" beachtet. Das niedrigschwellige Angebot hat sich bewährt, beide Projekte leben vor allem von den muttersprachlichen Gruppenleiterinnen. Für die italienische Gruppe sind Paola Banfi und Silvia Bono zuständig. Die Frauen kommen zum Frühstück und bringen selbstgemachte Speisen mit, die türkischen einmal wöchentlich, die italienischen alle zwei Wochen. Erst wenn die Gruppe gefestigt ist, kann eine Öffnung nach außen stattfinden.

Mit dem interkulturellen Projekt "(Aus)Tausch" ist diese Öffnung gelungen. In den Räumen der Familienbildungsstätte finden gesellige Kochvormittage statt. Die Frauen aus Italien und der Türkei tauschen mit deutschen Frauen heimische Köstlichkeiten gegen deutsche Sprache. Das gemeinsame Essen bietet den krönenden Abschluss des gemeinsamen Vormittags und festigt nicht nur die Freundschaft zwischen Deutschen und Migrantinnen, sondern auch zwischen den Frauen aus der Türkei und aus Italien.

Biografische Gesprächskreise sind ein weiterer Arbeitsschwerpunkt von Magnolya, denn erst beim Erzählen werden viele Erinnerungen wach: "Die Erinnerung steckt in jeder Faser unseres Körpers". Viele dieser Frauen haben schmerzliche Erfahrungen gemacht und ein großes Bedürfnis, darüber zu sprechen, um sich besser mit ihrem Leben in Deutschland auseinander zu setzen. Diese Gruppenarbeit wird zweisprachig durchgeführt, denn für Erinnerung und Gefühle ist die Muttersprache unerlässlich. Wichtiger Bestandteil der Arbeit von Magnolya sind Hausbesuche, um zurückgezogen lebende Migrantinnen zu erreichen. Dabei stellte sich heraus, dass Bedarf an ganz konkreten Hilfestellungen bestand, wie die Begleitung zu Ämtern und Ärzt/innen. Einige Frauen konnten so motiviert werden, aus ihrer Isolation herauszutreten und andere Angebote anzunehmen.

Von Anfang an haben die Mitarbeiterinnen von Magnolya Alphabetisierungskurse durchgeführt, denn die Frauen haben oft keine oder nur geringe Schulbildung.
Fatma G. ist 65 Jahre alt. Sie besucht den Kurs seit einem halben Jahr und freut sich über ihre Fortschritte. Sie ist die älteste der Gruppe, die anderen sind zwischen 45 und 65 Jahre alt und kommen aus Darmstadt und dem Landkreis.

Lesen uns Schreiben zu lernen ist ein großes Bedürfnis vieler älterer Frauen aus der Türkei. Was sie als kleine Mädchen nicht lernen konnten, wollen sie jetzt nachholen. Sie tun das in ihrer Muttersprache und bilden so die Grundlage für späteres Lernen. Der nächste Schritt ist dann ein Deutschkurs. Durch die vielfältigen Angebote geben die Mitarbeiterinnen von Magnolya Migrantinnen die Möglichkeit, aus dem geschlossenen Raum der Familie heraus zu treten, ihre eigenen Bedürfnisse wahr zu nehmen und zu erfüllen, mehr Selbstsicherheit zu gewinnen im Kontakt mit deutschen Frauen und durch Ausflüge und Theaterbesuche am kulturellen Leben teil zu nehmen. Spät aber nicht zu spät können sie wichtige Schritte tun auf dem Weg zur Integration in dem Land, in dem sie schon so lange leben und in dem sie nun auch alt werden wollen.

Eigene Räume hat Magnolya nicht. Genutzt wird einerseits die Küche der Familienbildungsstätte und andererseits der städtische SeniorInnentreff am Steubenplatz. Aus dieser Not machen die Freuen ein Tugend: "Sie haben diese öffentlichen Räume eingenommen und für sich erobert". Das gibt Mut, auch andere öffentliche Einrichtungen zu nutzen. Ihr Büro in der Magdalenenstraße 17 verdankt Magnolya e.V. der Großzügigkeit des Architekten Wilfried Kröger, der dem Verein Raum- und Computerbenutzung für ca. 50 Euro im Monat zur Verfügung stellt und den Betrag auch noch zur Hälfte zurückspendet. Mittlerweile werden die Mitarbeiterinnen von Magnolya auch als Fachberaterinnen im Bereich "Ältere Migrantinnen" herangezogen. Politiker und Politikerinnen könnten viel lernen von Magnolya-Frauen, denn sie haben in punkto Integration unserer ausländischen MitbürgerInnen im Vergleich zu anderen europäischen Ländern viel zu wenig getan. Sie könnten auch dafür sorgen, dass dieses und ähnliche Projekte, in denen so wichtige Arbeit geleistet wird, finanziell gut abgesichert werden. Aber da hapert es leider, Magnolya kann zwar öffentliche Räume nutzen und wird aus mehreren öffentlichen Quellen finanziert, die ausnahmslos gut qualifizierten Mitarbeiterinnen arbeiten aber alle auf Honorarbasis, sind also nicht fest angestellt und sind über ihrer Arbeit nicht sozial abgesichert. Und wenn das Geld für die Projekte nicht gereicht hat, wird von diesem nicht gerade üppigen Honorar auch schon mal zurück gespendet - eigentlich ein Skandal.

Gerty Mohr / Barbara Obermüller

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