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Dr. phil. Christine Hauskeller

Heraus aus dem Elfenbeinturm

Ich bin promovierte Philosophin und lebe seit 4 Jahren mit meinem Mann und unseren zwei Töchtern (4 und 1 Jahr) in Darmstadt, wo er und ich uns einige Jahre zuvor am Institut für Philosophie kennen gelernt haben.

Die Philosophie ist eine der wenigen akademischen Disziplinen, in denen sich der Frauenanteil auf Professuren in den letzten 20 Jahren so gut wie nicht von 5 Prozent wegbewegt hat, obgleich schon lange 50 % der StudienanfängerInnen weiblich sind. Das hat wohl vor allem mit dem Selbstbild der Philosophie zu tun. Die Disziplin des reinen Denkens hat sich strukturell gerade dadurch gegen Veränderungen abgeschottet, dass sie ihre Sache, die Vernunft, für völlig geschlechtsneutral ausgibt und damit jeden Einfluss gesellschaftlicher Herrschaftsverhältnisse auf die Philosophie sowohl inhaltlich als auch institutionell zurückweist.

Die Arbeitsbedingungen einer starken Vereinzelung - jeder/r arbeitet für sich an ihrem oder seinem Projekt, - scheinen mir nach vielen Gesprächen mit Kolleginnen in der Promotionsphase zudem für Frauen schlecht annehmbar. Sie suchen inhaltlich aber auch über ihre Situation Austausch mit anderen in der gleichen Lebenssituation, die es aber zumeist kaum gibt.

Einige Darmstädter Kolleginnen von anderen Instituten und Fachbereichen und ich haben, um diese Lage aufzubrechen, vor einigen Jahren ein interdisziplinäres wissenschaftlich feministisches Kolloquium gegründet, das im neu gegründeten Frauenforschungszentrum nun hoffentlich auch einen institutionellen Ort finden wird.

Frauen haben nach meinem Eindruck zumeist größeres Interesse daran, mit ihren wissenschaftlichen Arbeiten Einfluss auf gesellschaftliche Entwicklungen zu nehmen als viele Männer. Meine Promotionsschrift zur Subjekttheorie von Judith Butler und Michel Foucault sollte die Bedeutung der historisch veränderlichen gesellschaftlichen Vorstellung von Körper- und Leiblichkeit für die Subjektwerdung verdeutlichen und so die biologistische sexgender Unterscheidung relativieren, ohne auf die leiblich sinnliche Dimension von Selbstsein zu verzichten.

Meine an die Promotion anschließende Stelle erlaubte mir dann glücklicherweise, in der Realität der wissenschaftlichen Welt Fuß zu fassen, und mich nicht gleich an die nächste einsame Elfenbeinturmarbeit setzen zu müssen. Ich war wissenschaftliche Koordinatorin eines interdisziplinären Forschungsprojektes zu ethischen Fragen der Stammzellforschung, die Anfang 1999 gerade erst anfing, Thema zu werden. Und hierzu gab es in den letzten Jahren viel Gelegenheit, eigene und kritische Standpunkte jenseits der Mainstreamdiskussion der Zeitungen und Talkshows zu entwickeln.

Allerdings bin ich mittlerweile auch sehr ernüchtert, was den potentiellen Einfluss ethischer oder sozialwissenschaftlicher Reflexion auf gesellschaftspolitische Entwicklungen angeht. Seit kurzem habe ich nun für zwei Jahre sowohl eine halbe Stelle als wissenschaftliche Mitarbeiterin mit einem an diese Arbeit anschließenden eigenen Forschungsprojekt am Institut für Theologie und Sozialethik der TUD, als auch eine zweite bei der interdisziplinären Arbeitsgruppe Naturwissenschaft, Technik und Sicherheit, IANUS, die es mir ermöglichen wird, eine Habilitationsarbeit zu entwickeln. Ich habe mich also doch für eine zweite Elfenbeinturmphase entschieden - unter institutionell und sozial besseren Rahmenbedingungen.

Es ist nicht einfach, mit Familie eine wissenschaftliche Karriere anzustreben, aber ich möchte das, und zumindest sind die Arbeitszeiten recht flexibel. Auch werden die Bedingungen nicht besser, da das neue Hochschulrahmengesetz Frauen noch viel weniger die Möglichkeit lassen wird Wissenschaft und Familie zu vereinbaren, insofern es ein extrem enges Zeitkorsett anlegt. Was ich mir außerdem wünsche ist, in den kommenden Jahren mit meiner Familie für einige Zeit ins englischsprachige Ausland zu gehen - das habe ich bisher versäumt. Andere Diskurs- und wissenschaftliche Arbeitsbedingungen kennen zu lernen, lockt mich.

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