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MATHILDE

Hochzeit in Deutschland, August 1999

Das erste Weihnachten in der neuen Heimat (1998). Karin Russick mit zwei Schwägerinnen, einer Nichte und einem Neffen.

Fotos: Russick

Last Minute Trip nach Mauritius

Katri Russick fand auf Mauritius eine neue Liebe und eine neue Heimat

Katri Russick ist eine waschechte Heinerin, geboren im Marienhospital und aufgewachsen in Eberstadt, wo auch heute noch ihre Eltern und Geschwister leben. Sie ging in Eberstadt zur Schule, schloss in Darmstadt die Handelsschule und eine Lehre als Industriekauffrau ab und machte anschließend 1975 auf der Heinrich-Emanuel-Merck-Schule ihr Wirtschaftsabitur. Im gleichen Jahr noch begann sie ein Studium der Sonderschulpädagogik in Heidelberg, das sie aber drei Jahre später abbrach: »Ich habe während der Praktika gemerkt, dass ich für den LehrerInberuf untauglich bin - Gott sei Dank rechtzeitig!«

Beim Jobben entdeckte sie das Verlagswesen und durchlief beim (wissenschaftlichen) Springer-Verlag in Heidelberg verschiedene Abteilungen. Sie erklomm - in den 70ern war das noch möglich - ohne Hochschulabschluss in Marketing und Verkauf die Karriereleiter.

1994 nahm sie einen neuen Job bei einem interationalen Verlag mit Sitz in England als European Sales Manager an. Ein halbes Jahr hielt sie sich in England auf, danach eröffnete sie ein Verkaufsbüro für die Firma in Weinheim.

Privat heiratete sie 1986 - nach zehnjähriger »wilder« Ehe - ihren ersten Mann, den sie bereits 1975 im Studentenwohnheim kennenlernte. Das Paar trennte sich sechs Jahre später ungewollt kinderlos und ließ sich 1997 scheiden. »Mein Ex-Mann ist ebenfalls wieder glücklich verheiratet, und wir sind gute Freunde«, sagt die 47jährige.

Was hat Sie nach Mauritius verschlagen?

»Im Januar 1996 buchte ich einen ‘Last Minute Trip’ nach Mauritius. Ich wusste damals gar nicht, wo es überhaupt liegt. Doch schon am ersten Tag hatte ich mich bereits rettungslos in die Insel verliebt, zwei Wochen später in den Mann...

Die zweite Reise folgte deshalb schon zwei Monate später, im März 1999, und das aller Unkenrufe zum Trotz: Denk doch an die Unterschiede, du schon 42, er gerade mal 28, die andere Kultur, der will doch nur dein Geld, du bist wohl in der Midlife-Crisis .... Sie waren unzählig.

Zwei Jahre lang hatten wir eine ‘long distance relationship’ (Beziehung auf Entfernung). Ich war mehrmals auf Mauritius, mein jetziger Mann war zwei Mal in Deutschland, was ihm zwar gefiel, aber dort zu leben konnte er sich (glücklicherweise) doch nicht vorstellen. Wir hatten auch ein paar unschöne Erlebnisse während einer meiner Dienstreisen nach Weimar und Erfurt, auf der mich Manoj begleitete. Wir mussten einige Abende im Hotelzimmer verbringen, weil draußen Skinheads Hitler’s Geburtstag feierten. Das trug nachhaltig zu meiner Entscheidungsfindung pro Mauritus bei.

1997 beschloss der Verlag in England eine neue Position für den Verkauf nach Australien, Neuseeland und Südafrika zu schaffen, auf die ich mich bewarb, mit dem Wunsch, von Mauritius aus zu arbeiten. Es gab zunächst große Skepsis seitens des Managements, dann einen Ein-Jahresvertrag und an meinem 44. Geburtstag landete ich - wie ich hoffe für immer - auf Mauritius. Sack und Pack kamen acht Wochen später im Container nach.

Das klingt alles sehr simpel, aber ich erspare Ihnen lieber die Beschreibungen der Behördengänge, den Ärger mit der Einwanderungsbehörde und auch wieviele schlaflose Nächte und materielle Opfer mich das alles gekostet hat – schliesslich ging’s ja gut aus!

Nach einem Jahr ‘Ehe auf Test’ haben wir am 25. Januar 1999 auf Mauritius standesamtlich geheiratet und im August 1999 kirchlich in der Christuskirche in Eberstadt - dank der Pfarrerin Frau Ortrun Röschinger-Schneider, die keine Probleme damit hatte, einen Hindu und eine Protestantin kirchlich zu trauen.«

Was fasziniert Sie an Mauritius?

»An meiner neuen Heimat gefallen mir vor allem die Menschen, ihre Lebensfreude, Offenheit und Freundlichkeit (natürlich gibt es auch hier Ausnahmen). Die Vielfalt der Kulturen, Rassen und Religionen, die es irgendwie schaffen, miteinander zu leben. Auch ihre Unvoreingenommenheit und Toleranz: unser Altersunterschied war und ist hier niemals ein Problem (c’est l’amour qui conte = es ist die Liebe die zählt), auch dass ich die einzige ‘claire et blonde’ in unserem Viertel bin fällt mir nur auf, wenn ich Fotos betrachte und selbst staune, wie anders ich aussehe. Das ganze Leben wird im Familien-, Freundes- und Bekanntenkreis gelebt – von der Wiege bis zur Bahre.

Hier sterben die Menschen in den seltensten Fällen im Krankenhaus, sondern daheim, betreut von Familie und Freunden. Da spielt es auch keine Rolle, ob es ein Kreole (Katholik), Muslim oder Hindu ist, in der Nacht am Todestag eines Menschen kommen alle zum stillen Gebet an der Bahre, versammeln sich danach in der Strasse vor dem Haus, um die bösen Geister davon abzuhalten sich an der Seele des/der Verstorbenen zu vergreifen. (Sie merken mittlerweile sicher, dass ich ein Buch schreiben könnte...)

Wir leben mitten in Mahebourg, das selbst nach mauritianischem Standard als ‘verschlafenes Fischerkaff’ gilt (trotz circa 22000 Einwohnern). Manoj’s Familie (sieben Schwestern, zwei Brüder) lebt über die Insel verstreut, und wir haben sehr engen Kontakt mit einem Bruder und einer Schwester, die ganz in der Nähe leben. Manoj ist Bootsmann im Hotel, mein Schwager Fischer, und unser Freundeskreis besteht dementsprechend aus Fischern und Bootsmännern. Ich habe eine Sonderstellung, die meine deutsche Nichte nach einem mehrwöchigen Aufenthalt sehr treffend beschrieb: „Beten mit den Frauen, und saufen mit den Männern”.

Mittlerweile verstehe und spreche ich auch einigermassen Kreol, denn obwohl die Amtssprache auf Mauritius nach wie vor Englisch ist (englische Kolonie 1810-1968), das aber kaum gesprochen wird – geschweige denn verstanden(!) und man mit Französisch fast überall durchkommt, ist die ‘Lingua Franca’ Kreol – einer auf französisch basierenden wilden Mixtur mit Elementen aus Afrika, Madagascar, Indien, Malaysia und wer-weiss-wo–sonst-noch-her.

Ich arbeite in einem Büro zu Hause, stehe in Kontakt mit meinen Kunden (Universitätsbibliotheken und Nationalbibliotheken in Australien, Neuseeland, Asien und Südafrika) per Telefon, Fax und Email und reise viel in die entsprechenden Länder. Das ist anstrengend, aber definitiv ein Traumberuf.

Was ist nicht so toll auf Mauritius?

Was mir nicht gefällt an meiner neuen Heimat (und hier beziehe ich mich nur auf uns direkt betreffende Dinge, nicht die soziale Ungerechtigkeit, das wäre Thema für einen Extraartikel!) sind die immer zahlreicher werdenden Hunde. Sterilisation ist ein Fremdwort, fast jeder Haushalt hat mindestens zwei bis drei Hunde, die abends auf die Strasse entlassen werden und dann glauben, sie seien Wölfe. Ein Spaziergang nach Anbruch der Dunkelheit ist daher nur mit Stock, Regenschirm, Steinen oder anderen „Waffen” überhaupt möglich. Vom Lärmpegel ganz zu schweigen...

Die Hunde werden wie Gebrauchsgegenstände behandelt, sind sie alt und krank, werden sie weggejagt und am nächsten Tag sitzt ein Welpe am gleichen Platz.

Ein weiteres Problem habe ich mit der mauritianischen Angewohnheit, allen Unrat in die Gegend zu werfen – wo man geht und steht (inklusive der eigenen vier Wände). Am nächsten Morgen bricht dann der allgemeine Putzfimmel aus, es wird gefegt und gefeudelt was das Zeug hält und eine Stunde später ist alles wieder zugemüllt. Mittlerweile ist es mir gelungen, dass sowohl mein Mann als auch Besucher in unserer Wohnung wissen, wo die Abfalleimer und Papierkörbe stehen.

Last but not least: Auch hier hält der Autowahn Einzug. Obwohl neue Fahrzeuge hier das dreifache kosten als zum Beispiel in Deutschland (Einfuhrsteuer beziehungsweise Zoll sind astronomisch teuer), streben alle nach dem Erwerb eines Wagens. Selbst in den engsten Sträßchen wird gerast, und die Zahl der tödlich endenden Verkehrsunfälle steigt. Insbesondere die privat betriebenen Busse, die hier den öffentlichen Nahverkehr ersetzen, zeichnen sich durch rücksichtslose Fahrweise aus und ich frage mich immer wieder, ob die Fahrerinnen und Fahrer selbst keine Kinder zuhause haben...

Trotzdem: J’aime Maurice!

Katri Russick / Gabriele Merziger

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