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Flocke / Nössler / Leibrock, Haare,

Haare, Haare, Haare

Folgt unser Augenmerk dem Faden der Historie der Haare, so hat es einen sehr weiten Weg zurück zu legen. Bereits 27.000 Jahre ist der Elfenbeinkopf aus Südmähren alt.

Nicht nur Illustrationen und Skulpturen sind dann aus der Zeit ab 4500 v. Chr. überliefert. In Ägypten stand die Haarpflege im Mittelpunkt der täglichen Körperpflege. Sie war ein Symbol für Lebenskraft und Würde. Spezielle Haarmacher waren für die Haartracht zuständig und da ihr Beruf hohes Ansehen genoss, wurde ihnen bald die Möglichkeit des Aufstieges zu Hofbeamten gegeben.
Die Haare wurden täglich geschmückt und zu kunstvollen Frisuren aufgesteckt. Wichtig war es, dem Haar die gewünschte Schwärze zu erhalten und keinesfalls graue oder gar weiße Haare zu zeigen. So mixte man die unterschiedlichsten Tinkturen aus dem Blut eines schwarzen Kalbes, dem Fett von schwarzen Schlangen und dem Öl der schwarzen Friedhofszypresse. Über die Wirkung dieser Mittel lässt sich von heute aus nur noch spekulieren. Als zweites Übel galt es die Kahlköpfigkeit zu vermeiden. Gegen sie halfen Fett von Löwen, Nilpferden, Krokodilen und anderen Tieren. Um 2900 v. Chr. kam die erste dokumentierte Perückenmode auf. Die eigenen Haare wurden hierfür abrasiert.

Auf der ersten bekannten Liste der Frauenberufe aus Sumer steht bereits 2400 v. Chr. der Beruf der Friseurin.

Im Alten Testament finden sich aus der Zeit 1000 v.Chr. verschiedene Beschreibungen zur Haarkultur. So galt der Haarschnitt als Zeichen der Unterwerfung sowohl beim Ritus der Verheiratung jüdischer Frauen als auch beim Klostereintritt kathilischer Frauen. Im Haar wurde der Sitz der Seele vermutet. Nur so war es Delila möglich, durch das Abschneiden von Simsons sieben Locken ihm seine Kraft zu rauben.

In Griechenland zeichneten lange Haare die Freigeborenen aus. Ein Kosmetes (Schmücker) ordnete, salbte und dekorierte die Haare. In ihnen sah man den Sitz von Kraft und Seele und schützte sie daher mit einem Helm. Zur besonderen Demonstration der eigenen Kraft befestigte man eine Zeit lang auf dem Helm Haare. Den Besiegten wurden von den SiegerInnen die Haare abgeschnitten. Auch die RömerInnen hatten ein enges Verhältnis zum Haar. Ihre Haarmoden wechselten so regelmäßig, dass sie zur Datierung historischer Fundstücke herangezogen werden. Sie bevorzugten blonde bis rotblonde Haare und halfen dem, wo nötig, mit Goldstaub nach.

Im Mittelalter wechselten in Europa dann die verschiedensten Haartrachten einander ab. Waren zunächst geflochtene Zöpfe mit Spitzhauben in Mode, so folgten ihnen dann Hörnerhauben, die eine hohe, ausrasierte Stirn erforderten. Entehrung und Unterwerfung, z.B. auch von Kindern bei einer Adoption, erfolgte häufig durch das Abschneiden der Haare. Lange Frauenhaare galten als Symbol weiblicher Verführungskunst. Verschiedenen Haartypen schrieb man unterschiedliche Charakterzüge zu. So galten Menschen mit krausen Haaren als kühn, wohingegen solchen mit schlichtem, weichem Haar Furchtsamkeit nachgesagt wurde. Man war auch der Ansicht, brünette Frauen gäben bessere Milch. Wie in Ägypten ersann man Mittel, um die unerwünschte Haarlosigkeit zu bekämpfen. So verbrannte man einen lebendigen Maulwurf zu Pulver, beschmierte ihn mit Honig und trug die Mischung auf die kahlen Stellen auf.

In der Renaissance wurden die Frisuren dann immer kunstvoller und schließlich von einer imposanten Perückenmode abgelöst. So ließ sich Marie Antoinette einmal das Modell eines siegreichen Kriegsschiffes einfrisieren. Bevorzugte Haarfarbe war blond, denn »rotes Haar - Gott bewahr«. Außerdem sollte das Haar möglichst üppig und gewellt sprießen. Wo dies nicht von Natur aus der Fall war, half man nach. So bleichten die Italiene-rInnen ihr Haar stundenlang in der Sonne, geschützt durch einen breitkrempigen Hut mit einem Loch für die Haare. Als Bleichmittel wurden unter anderem Zitrone, Rhabarber, Schwefel und Safran eingesetzt. Sollten die schwarzen Haare dennoch überhand nehmen, so war das gesellschaftliche Ansehen in Gefahr.

In den zwanziger Jahren des 19. Jahrhunderts erlangte dann der Bubikopf Bedeutung bei den Frauen. Er wurde zum Symbol der selbstbewussten Frau. Ausgelöst hatte diese Mode Asta Nielsen, als sie anlässlich ihrer Rolle als Hamlet ihre Haare abschnitt.

Diese erste Kurzhaarfrisur für Frauen orientierte sich noch am Herrenschnitt. Seitdem ist die Haartracht von Männern und Frauen in vielen Variationen entstanden: kurz, lang, glatt, wellig. Sie war immer wieder ein Symbol für die eigene Weltanschauung. So galt der Pferdeschwanz bei Männern in den 60-er und 70-er Jahren als Ausdruck alternativer oder linker Gesinnung. Ein Blick in die Runde der Pferdeschwanzträger heute führt zu einem vollkommen anderen Ergebnis. In unserer Haarmode diktiert meist der Anblick die Art der Gestaltung, wie sich die Haare anfühlen, spielt kaum eine Rolle. Die Haarfarbe lässt sich leichter verändern denn je, doch ist sie voller Bedeutungen: wer kennt nicht die Blondinenwitze oder die rothaarigen Sexbomben.

Anja Spangenberg

Zur weiteren Lektüre kann ich empfehlen:
Flocke / Nössler / Leibrock, Haare,
konkursbuchverlag, Tübingen, 1999, 3-88769-236-5,ca. 29,80 DM

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