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MATHILDE

Spenden, Verträge und die Ehre

- Glosse -

Es gibt einen Minister, der hatte einen früheren Job und ein Vorministerleben. In diesem Leben hat er sich ein bisschen strafbar gemacht. Er hat nicht geraubt und gemordert, er hat niemanden beleidigt, er hat nur einen kleinen Vertrag ein wenig frisiert.

Die Geschichte läuft durch die Medien, wochenlang. Alle diskutieren darüber, Meinungen werden eingeholt.

So fragt ein Radiosender die ZuhörerInnen: Soll dieser spezielle Minister seinen Posten aufgeben, weil er nun vorbestraft ist, oder soll er in Amt und Würden bleiben, weil er als Minister gute Arbeit geleistet hat?

Welche Frage! Weiß der Sender denn nicht, dass für Minister ein wenig andere Regeln gelten, als für gemeine Ladendiebe?

Getreu dem Motto meines Nachbarn »Was interessiert der Quatsch, den ich gestern verzapft habe?« gelten kleine Ungereimtheiten bei Spenden, Steuern-hinter-dem Berg-halten und minimale Änderungen von Verträgen als Kavalliersdelikte.

Und über die wird geschmunzelt und mit den Augen gezwinkert.
Dass er erwischt wurde? - Dumm gelaufen. Die Strafe? - Pech gehabt. Aber damit sollte es erledigt sein.
Mit Ehre hat das nichts zu tun. Oder?

Sie sind nicht dieser Meinung? Sie glauben, dass Menschen immer für ihre Handlungen verantwortlich sind und dafür gerade stehen müssen? Dass Ehre keine Frage der Position, sondern der Taten ist? Nun, dann können sie folgendes tun: Rufen Sie beim Radiosender an und teilen Sie mit, dass sie solche Befragung für völlig überflüssig erachten.

Gabriele Merziger

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